Heute, am 11. August plant Ford „einen neuen Model-T-Moment“. Um verstehen zu können, was der US-amerikanische Konzern damit meint, muss man sich erst einmal in die Frühgeschichte der Marke mit dem blauen Oval-Logo zurückbegeben. Das originale Model T ist bis heute weltberühmt, seine Entstehungsgeschichte war hingegen eines der bestgehüteten Geheimnisse des Landes. Im dritten Stock des Ford-Werks Piquette in Detroit traf sich ab etwa 1905 ein kleines, eingeschworenes Team immer wieder hinter einer hermetisch verschlossenen Tür. Unter den wenigen Eingeweihten waren auch Henry Ford und sein Sohn Edsel. Dort, im geheimen Raum, entwickelten sie nicht nur ein Planetengetriebe und verschiedene Motoren, sondern perfektionierten nebenbei auch noch die Magnetzündung. Tatsächlich war soviel Geheimhaltung bereits damals nötig, da es speziell in Detroit reichlich Industriespionage in der Autoindustrie gab. Ford, als damalige Nummer 1 in Amerika, hatte viel zu verlieren.
Ford baute bereits Modellreihen, die mit Buchstaben in alphabetischer Reihenfolge benannt worden waren. Henry Ford wollte jedoch einige Buchstaben überspringen und zeitgleich soviele Innovationen und Neuerungen einführen, dass diese Benennung auch für Außenstehende Sinn machen würde. Er träumte von einem Auto für die breite Masse der Bevölkerung. Ein hohes Ziel, wenn man bedenkt, dass vor dem Ersten Weltkrieg eigentlich nur die oberen 1.000 bis 10.000 eines Landes in der finanziellen Lage waren, ein Auto zu kaufen. Für das komplett neue Model T erdachte Ford eine flexibel nutzbare Plattform, die nicht nur verschiedenste Aufbauten aufnehmen sollte, sondern auch über eine hohe Reparaturfreundlichkeit und Zuverlässigkeit verfügte. Ob man bei Ford hingegen die wahre Flut an Aufbauten und Nutzungsmöglichkeiten des Model T vorausahnte, darf tatsächlich bezweifelt werden. Neben der Nutzung als PKW oder leichter Transporter gab es Umbauten zum Schneemobil, zu Rennfahrzeugen, zu Feuerwehr- oder Krankenwagen sowie zur stationären Nutzung als Antrieb für Maschinen und Agrargeräte.
Den wahren Durchbruch erlebte das ab 1908 gebaute Fahrzeug jedoch erst ab 1913, als Henry Ford in seinen Fabriken eine Erfindung aus der modernen Metzgerindustrie sowie aus dem Bau von Handfeuerwaffen etablierte: das Fließband. Ab jetzt konnte jeder Mitarbeiter seine Arbeitsschritte beim Zusammenbau des Model T in einer exakten Abfolge durchführen und dann beim nächsten Auto in der Reihe wiederholen, während die immer weiter zusammenwachsenden Model Ts das Band entlang zur Endabnahme fuhren. Übrigens ist die Beschränkung der Außenfarben auf möglichst nicht viel mehr als schwarz nicht erst in der Fließbandära eingeführt worden. Ford wollte auf diese Weise den Aufenthalt in der Lackiererei so kurz wie möglich halten. Gerüchteweise trocknete der schwarze Farbton am Schnellsten und zudem sparte der Lackierer Zeit, wenn er zwischen zwei Fahrzeugen nicht erst die Farbe wechseln musste. Insgesamt entstanden vom Ford Model T zwischen 1908 und 1927 mehr als 15 Millionen Exemplare. Diese Produktionszahl übertraf viele Jahrzehnte der Volkswagen Käfer und – wenn man verschiedene Modellgenerationen zusammenrechnet – inzwischen auch der Golf sowie der Toyota Corolla.
Der neue Model-T-Moment bezieht sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf ein neu entwickeltes Elektroauto, von dem sich Ford einen ähnlichen Erfolg wie einst vom Massenprodukt, der legendären „Tin Lizzie“, erhofft. Warten wir mal ab, was da kommt.
Bilder: Ford