Der französische Autohersteller Renault hat in den zurückliegenden Jahrzehnten immer wieder unter Beweis gestellt, dass man nicht nur Alltagsautos bauen kann, sondern bei Bedarf auch mal völlig außerhalb der geltenden Normen denkt. Beispiele gefällig? Neben damals hochmodernen Kleinwagen mit hohem Nutzwert (Renault 4 und Renault 5) erschien in den 1980er Jahren der Renault 5 Turbo mit breiten Kunststoffbacken und einem Turbotriebwerk anstelle der Rückbank. Ende der 1990er Jahre wiederholte man diesen Schritt beim Renault Sport Clio V6, hier jedoch mit einem V6-Saugmotor. Und vor exakt 30 Jahren rollte der radikale Renault Sport Spider ins Rampenlicht und in die Händler-Showrooms.
Warum ich an dieser Stelle bewusst von einem „radikalen“ Auto spreche? Weil der Sport Spider in seiner ursprünglichen Ausführung auf alles verzichtete, was nicht unbedingt notwendig war. Und zu diesen Überflüssigkeiten zählten die Renault-Ingenieure gemeinsam mit den Kollegen der Abteilung Renault Sport – ehemals Alpine – aus Dieppe unter anderem auch die Windschutzscheibe nebst Scheibenwischern. Das gesamte Fahrzeug bestand aus einem Aluminiumchassis mit je einem Hilfsrahmen vorn und hinten sowie darüber verbauter Kunststoffkarosserie mit großer vorderer Haube und kleiner Motoröffnung hinter den Passagieren. Letztere steigen durch zwei kleine Flügeltüren ins Fahrzeug ein und aus. Am Chassis fest verbaut ist ein breiter Überrollbügel. Um Fahrer und Beifahrer nicht völlig schutzlos in den Fahrtwind zu setzen, entwickelte Renault im Windkanal einen speziell geformten Windabweiser. Dennoch lieferte man den Sport Spider grundsätzlich mit zwei passgenauen Helmen aus. Natürlich verzichtete man auch im Interieur auf alles Unnötige. Zwei Sportsitze, ein Lenkrad, drei Rundinstrumente, ein Lenkstockhebel und der Knopf für die Warnblinkanlage nebst Schaltknauf mussten ausreichen. Sitze und Pedalerie lassen sich an die Größe des Fahrers anpassen.
Allerdings gab es alsbald Kundenbeschwerden, die den Sport Spider zu radikal fanden, aber dennoch hübsch fanden und das Konzept mochten. Für diese Interessenten schob Renault eine Variante mit Windschutzscheibe und Scheibenwischer nach. Diese hatte zudem einen Fahrer-Airbag im Lenkrad. Hinter den Passagieren werkelt ein zwei Liter großer Vierzylindermotor mit 108 kW/147 PS und 185 Newtonmetern Drehmoment, den Fans bereits aus dem Clio Williams kannten. Was aus heutiger Sicht fast nach wenig Leistung klingt, war mehr als genug für ordentlichen Fahrspaß. Immerhin bringt die Version mit Windabweiser lediglich 930 Kilogramm auf die Waage, während die Windschutzscheibe zusätzliche 35 Kilogramm mitbrachte. Dank einer Fahrwerkskonstruktion mit doppelten Dreiecksquerlenkern und Stabilisatoren rundum sowie der bewährten Bremsanlage aus der Alpine A610 erreichte der Sport Spider beeindruckende Fahrwerte auf kurvigem Geläuf. Geradeaus geht es mit dem serienmäßigen Fünfgang-Schaltgetriebe in 6,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Harte Kerle und hartgesottene Damen können bei Bedarf die Höchstgeschwindigkeit von 215 km/h ausloten – sowohl mit als auch ohne Windschutzscheibe.
Beide Varianten liefen parallel im ehemaligen Alpine-Werk in Dieppe vom Band. Zudem gab es bereits seit Ende 1994 als dritte Version das Rennfahrzeug für die Spider Trophy, eine eigene Rennserie, die im Vorfeld der europäischen Formel-1-Rennen ausgetragen wurde. Insgesamt entstanden rund 2.040 Exemplare. Für die Karosserie standen anfänglich nur die Farben gelb, rot und blau zur Auswahl, wobei das Heck und die Scheinwerfereinfassungen immer dunkelgrau abgesetzt wurden. Mit der Windschutzscheiben-Version kam zusätzlich silber als Karosseriefarbe für das komplette Auto ins Spiel. Zudem entstanden von externen Anbietern verschiedene Cabrioverdecke und Hardtops für die Scheiben-Variante. Ab Werk gab es lediglich eine wasserdichte Persenning zum Anbringen beim geparkten Fahrzeug.
Bilder: Renault