Meine Besuchsreihe in deutschen Automuseen endet in diesem Jahr mit dem Mercedes-Benz Museum in Stuttgart. Direkt an der B14 in Untertürkheim liegt es seit 2006 als innovativ-futuristisches Bauwerk vor den Toren des Werkes und in unmittelbarer Nähe zum Fußballstadion und der Porsche Arena. Auf neun Etagen stehen rund 160 Fahrzeuge und etwa 1.500 weitere Exponate. Vom Foyer mit den Kassen geht es in Aufzügen nach ganz oben und anschließend in einer Doppelhelix wieder hinunter. Dies soll ein wenig an den DNA-Strang bei Lebewesen erinnern.
Der Hauptweg führt die Besucher durch insgesamt sieben Mythos-Räume chronologisch durch die Unternehmensgeschichte. Alles startet mit einem ausgestopften Pferd und der Frage nach schnelleren Reisemöglichkeiten. Diese führte Carl Benz und Gottlieb Daimler in den 1880er Jahren auf unterschiedlichen Wegen zu ähnlichen Ergebnissen. Benz war etwas schneller und ließ seinen dreirädrigen Motorwagen 1886 patentieren, während die Motorkutsche von Daimler optisch noch deutlich der bis dahin üblichen Bauweise zuzuordnen ist. Die Firmen Benz und Daimler waren bis 1926 zwei getrennt voneinander operierende Marken und wurden erst dann zusammengeführt. In den Mythos-Räumen 1 bis 3 zeigt da Museum diesen langsamen Weg aufeinander zu. Jeder Raum erhielt passend zur jeweiligen Ära entsprechende Wand-, Boden- und Deckengestaltung sowie Beleuchtung.
Natürlich zeigt das Mercedes-Museum bewusst auch absolutes Tafelsilber, also herausragende und besonders wertvolle Autos der Markengeschichte. Hierzu zählen im dritten Mythos-Raum der 540 K Spezial-Roadster oder im vierten Mythos-Raum der 300 SLR als Uhlenhaut Coupé. Diesen Namen erhielt der straßenzugelassene Rennwagen durch die Nutzung als Dienstwagen durch den Ingenieur Rudolf Uhlenhaut. Eigentlich sollten die zwei gebauten Coupés 1956 in der Sportwagen Weltmeisterschaft an den Start rollen. Mercedes-Benz zog sich jedoch nach dem schweren Unfall von Le Mans 1955 am Ende der Saison für Jahrzehnte komplett werksseitig aus dem Motorsport zurück.
Im Mythos-Raum 5 zeigt Mercedes-Benz einen Rückblick in die 1960er Jahre, als bei der Entwicklung neuer Modelle zunehmend Sicherheitsthemen relevant wurden. Erste Crashtests kamen auf, für die immer ausgefeiltere Dummies entwickelt werden mussten. Zudem begann auch der Einzug der Elektronik in die Fahrzeuge. Hierfür baute die Entwicklungsabteilung eigens ein ganz spezielles Messfahrzeug auf, das über Kabel mit dem zu testenden Prototypen verbunden war. Die Aufzeichnungstechnik nahm den kompletten Kofferraum des Messwagens ein und ließ nur Platz für einen Techniker, der die Daten überwachte. Heute kaum zu glauben, wenn man sieht, was mittels Funktelemetrie beispielsweise im Motorsport pro Runde mitgezeichnet werden kann. Der sechste Mythos-Raum widmet sich thematisch dem Aufbruch hin zu neuen Technologien, Ideen und Formen.
Der normale Rundgang endet in einer riesigen Steilkurve, die einen schönen Querschnitt über die Motorsporthistorie von Mercedes-Benz, Benz und Daimler aufzeigt. Sportwagen, Formel-1-Renner, Tourenwagen und zwei Lastwagen sind hier zu bestaunen. Unter den Exponaten finden sich auch der 300 SL von 1952, dem bei der Carrera Panamericana ein Geier durch die Windschutzscheibe flog oder der 300 SLR, mit dem Sir Stirling Moss 1955 in Rekordzeit die Mille Miglia gewann. Die Steilkurve zieht sich einspurig auch nach dem Ausgangs-Drehkreuz weiter und zeigt hier einige Rekordfahrzeuge der Markengeschichte. Speziell in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg trat Mercedes-Benz regelmäßig gegen die Auto Union an. Der überdimensionale T 80, der vom Konstruktionsbüro von Ferdinand Porsche entwickelt wurde, kam jedoch nie zum Einsatz. Unter der ultraflachen Karosserie hätten drei Achsen und ein 44,5 Liter großer V12-Motor Platz gefunden. Mit rund 3.500 PS wollten die Schwaben einen neuen Rekord für Landfahrzeuge aufstellen. Allerdings kamen der tödliche Unfall von Bernd Rosemeyer bei Rekordfahrten 1938 und der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 den Plänen in die Quere. Rund um die Rolltreppe zurück hinab ins Foyer stehen einige Designstudien auf schwebenden Plateaus.
Doch stopp, stopp, stopp. Wenn man auf diese Weise das Museum durchquert hat, fehlt ein gutes Drittel der Ausstellung. Ab dem dritten Mythos-Raum kann man von der ersten Helix-Schleife abbiegen und in die fünf Collection-Räume gelangen. Diese zeigen thematisch sortiert die „Galerie der Reisen“, die „Galerie der Lasten“, die „Galerie der Helfer“, die „Galerie der Namen“ und die „Galerie der Helden“, wobei letztere auch als Räumlichkeit für thematische Sonderausstellungen dient. In diesen Bereichen zeigt Mercedes-Benz neben Autos und Lieferwagen auch Omnibusse und Lastwagen bis hin zu einem beladenen Autotransporter, der gerade so unter die Decke zu passen scheint. Auch Fahrzeuge aus berühmtem Vorbesitz wie das Papamobil von Papst Johannes Paul II oder die letzte Limousine von Kaiser Wilhelm II stehen hier. Wer sich selbst einen Eindruck vom Mercedes-Benz Museum verschaffen möchte, hat dazu dienstags bis sonntags zwischen 9:00 und 18:00 Uhr Gelegenheit. Ausnahmen bilden lediglich einige Feiertage, beispielsweise in der Weihnachtszeit. Erwachsene zahlen 12 € Eintritt. Über das Foyer gelangt man auch zum museumseigenen Shop, sowie in die benachbarte Mercedes-Benz Welt mit integrierter Verkaufsniederlassung.
Bilder: Matthias Kierse