Mercedes-Benz Auto 2000

Wenn Sie nicht erst kürzlich ins führerscheinfähige Alter gekommen sind, erinnern Sie sich vermutlich noch an die Wellen, die das bevorstehende Millennium Ende der 1990er Jahre auslöste. Die Rede war von schweren Computer- und Serverausfällen bis hin zum Untergang der Welt. Nichts davon ist vor 25 Jahren eingetreten. Denken wir nun noch einmal weitere 20 bis 30 Jahre zurück, so gab es zahlreiche Überlegungen, wie sich die Technik und das Leben der Menschen in den westlichen Wohlstandsstaaten wohl entwickeln würde. Unter anderem gab das Bundesministerium für Forschung und Technik Ende der 1970er Jahre eine Initiative in Auftrag, die sich mit dem „Auto des Jahres 2000“ befassen sollte. Dabei ging es besonders um zukunftsweisende Fahrzeugkonzepte, die den Anforderungen des neuen Jahrtausends gerecht würden – auch in Bezug auf die Antriebstechnik. Zahlreiche Hersteller und Zulieferer beteiligten sich, darunter auch Mercedes-Benz. Kürzlich stand ich bei einem Besuch des Mercedes-Benz Museums in Stuttgart wieder einmal vor dem damaligen Ergebnis, einem Forschungsfahrzeug, das als „Auto 2000“ auf der IAA in Frankfurt 1981 der Weltöffentlichkeit vorgestellt wurde.

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Als Basisfahrzeug wählte man in Stuttgart die damals aktuelle S-Klasse der Baureihe W 126. Dies erkennt man nicht nur an der Länge des Wagens, sondern auch an diversen Designdetails – obwohl die komplette Karosserie ein eigenständiger, aerodynamisch optimierter Entwurf ist. Hierfür kam damals auch anstelle des sonst üblichen Stufenhecks eine Schräghecklösung zum Einsatz, bei der der Fahrtwind deutlich länger an der Karosserie entlang geführt werden kann. Eine in die Panoramaheckscheibe integrierte Abrisskante sorgt für den sogenannten Kamm-Effekt (benannt nach dem Aerodynamikpionier Wunibald Kamm), bei dem durch gezielte Wirbelbildung am Heck der Luftwiderstand gesenkt werden kann. Die vordere Schürze wurde so gestaltet, dass sie im Falle eines Unfalls mit einem Fußgänger diesen besser schützen sollte.

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Das „Auto 2000“ war zeitweise als rollendes Testlabor für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen und spulte so mehrere tausend Kilometer unter Realbedingungen ab. Hierfür kam wohl nur eines von insgesamt drei erdachten Triebwerken unter der zur Fahrerseite hin öffnenden Haube zum Einsatz. Auf der IAA 1981 philosophierte Mercedes-Benz nämlich nicht nur über den verbauten Benzinmotor und einen leistungsstarken Turbodiesel, sondern als dritte Alternative auch über den Einsatz einer Gasturbine. Diese Turbinenform kann eine Vielzahl unterschiedlicher Kraftstoffe verbrennen und zeichnet sich dabei für geringe Schadstoffemissionen und eine kompakte Bauweise aus. Allerdings stellten nicht nur die Techniker bei Mercedes-Benz schnell fest, dass Gasturbinen im Teillastbereich einen sehr hohen Verbrauch haben. Diese Erkenntnis gab es bereits zuvor und auch im Anschluss auch bei anderen Autoherstellern, die sich um alternative Antriebskonzepte bemühten. Im „Auto 2000“ blieb es also bei einem konventionellen V8-Benzinmotor mit 3,8 Litern Hubraum. Neu war hingegen, dass dieses Triebwerk bereits über eine heute übliche Zylinderabschaltung verfügte. Auch der alternativ angedachte Sechszylinder-Turbodiesel mit 3,3 Litern Hubraum und doppelter Aufladung durch sequenziell geschaltete, ungleich große Lader wurde bis zur Serienreife entwickelt.

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Im Interieur legten die Ingenieure und Designer größtmöglichen Wert auf Komfort und Sicherheit. So erhielt das „Auto 2000“ sogenannte Integralsitze, bei denen sowohl der Sicherheitsgurt als auch das Gurtschloss direkt am Sitz befestigt waren. Hinter dem Lenkrad saß erstmals in der Markengeschichte ein volldigitales Display. Dieses unterscheidet sich natürlich noch stark von heutigen Modellen, da es lediglich mit grünen Digitalziffern und -zahlen arbeitete. Von heutigen 3D-Ansichten und Millionen verschiedener Farben konnte man damals vermutlich nicht einmal träumen. Auch das verbaute Navigationssystem mit schriftlichen Routenanweisungen wirkt aus heutiger Sicht eher rustikal. Im Fond gab es spezielle Rückhaltesysteme für Kinder verschiedener Altersstufen.

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Hat das „Auto 2000“ von Mercedes-Benz nun die Zukunft vorhergesehen? In einigen Bereichen tatsächlich. Der Wechsel von analogen zu digitalen Instrumentendisplays hat zwar noch nicht direkt zum Jahr 2000 eingesetzt, scheint aber aktuell kaum noch aufzuhalten sein – was ich als Fan schöner analoger Rundinstrumente sehr bedauere. Ebenso zogen Navigationssysteme in alle Fahrzeugklassen ein, dies aber zum Teil bereits vor dem Jahrtausendwechsel. Leistungsstarke Turbodieselmotoren und Zylinderabschaltung gehören ebenfalls überall zum guten Ton, auch wenn die Selbstzündertechnik immer noch unter ihrem Rufverlust durch den VW-Dieselskandal leidet. Gasturbinenantriebe und aerodynamisch ausgefeilte Fließheckmodelle in der Luxusklasse haben sich hingegen nicht durchgesetzt. Wie das obige Bild beweist, ist Mercedes-Benz der Suche nach dem Auto und den Technologien der Zukunft jedoch treu geblieben. Und dabei sind die gezeigten Fahrzeuge allesamt bereits älter als 20 Jahre. Kinder, wie die Zeit vergeht…

Bilder aus dem Museum: Matthias Kierse
Restliche Bilder: Mercedes-Benz