2018 debütierte im Rahmen des Goodwood Festival of Speed ein fast unglaubliches Automobil. Bereits die Vorgeschichte des Grundfahrzeugs mutet ungewöhnlich an, lässt sich jedoch letztlich noch mit einigen unsinnigen EU-Gesetzen erklären. Doch wir sollten vielleicht wirklich ganz am Anfang loslegen, um niemanden zu verwirren. Im März 2011 zeigte Aston Martin auf dem Genfer Autosalon den Kleinwagen Cygnet mit knapp über drei Metern Außenlänge. Dieses Gefährt wirkte von Anfang an ein wenig als Fremdkörper im Modellportfolio, was wohl auch an der sichtbaren Basis lag. Anstatt selbst ein solches Auto zu entwickeln kaufte sich Aston Martin bei Toyota ein und ließ den japanischen iQ mittels neuer Frontschürze, Belüftungsöffnungen in der Motorhaube und anderer Heckpartie an das Design der Sportwagenmodelle anpassen. Interessenten konnten aus der kompletten Farbpalette der Briten auswählen und erhielten im Interieur feinstes Leder. Als Grund für diesen gewagten Schritt in ein völlig neues Segment gab Aston Martin die gesetzlichen Flottenverbräuche an, bei denen man mit den Sportwagen weit oben rangierte. Die 116 Gramm Kohlendioxid auf 100 Kilometern, die der Cygnet mit Schaltgetriebe erreichte, waren somit ein gern genommenes Argument, um den Durchschnittswert zu senken.
Beim Blick auf die Bilder fällt direkt ins Auge, dass dieser dunkelgrüne Cygnet irgendwie aus dem Rahmen fällt. Deutliche Verbreiterungen an den Radläufen sind ein erstes Indiz dafür, dass hier irgendwas anders ist als normal. Am Heck lugen zwei Auspuffendrohre ins Freie, die nicht so richtig zum 1,3-Liter-Vierzylindermotor passen wollen, der sowohl den iQ als auch den Cygnet antrieb. Tatsächlich bestellte Ende 2017 ein Autosammler bei Aston Martin einen ‚Super Cygnet‘. Zu diesem Zeitpunkt war die Produktion des edlen Kleinwagens bereits seit vier Jahren eingestellt, da die Nachfrage nicht den Erwartungen entsprochen hatte. Anstelle von bis zu 4.000 Fahrzeugen pro Jahr waren in knapp zweieinhalb Jahren lediglich 593 Exemplare abgesetzt worden. Der ‚Super Cygnet‘ basierte also auf einem Bestandsfahrzeug, das vom Kunden in der Individualisierungsabteilung Q by Aston Martin eingeliefert wurde.
Hinter dem Wunsch nach einem ‚Super Cygnet‘ verbirgt sich etwas, was man normalerweise nicht ahnen würde. Der Kunde fragte ernsthaft an, ob sich der Kleinwagen von Front- auf Heckantrieb und im gleichen Zuge von vier auf acht Zylinder umbauen ließe. Anstatt von Gelächter erntete er interessiertes Schweigen kombiniert mit der Fragestellung: Warum eigentlich nicht? Um den 4,7 Liter großen V8-Motor aus dem damaligen V8 Vantage unterbringen zu können, musste das komplette Chassis des Cygnet durch die Verwendung des vorderen und hinteren Hilfsrahmens inklusive Achsen aus dem V8 Vantage verändert werden. Dies bedingte auch tiefe Eingriffe ins Interieur, das ursprünglich mit vier Sitzen ausgestattet war. Da der Motor weit in den Innenraum hineinragt und somit das Armaturenbrett entsprechend weit hineinschiebt, wanderten die Vordersitze ebenfalls weiter nach hinten. Auf die Rückbank wurde zugunsten eines Überrollkäfigs verzichtet.
Ob man 430 PS in einem Kleinwagen wie dem Cygnet wirklich braucht, ist eine unsinnige Frage. Natürlich (nicht)! Für die Kraftübertragung auf die Hinterräder ist das sequenzielle Siebengang-Getriebe aus dem späten V8 Vantage an Bord. Mittels Wippen am Lenkrad kann geschaltet werden. Aufgrund des ultrakurzen Radstandes dürfte das Fahrverhalten jedoch außergewöhnlich giftig sein. Ob der Erstbesitzer jemals ausprobiert hat, ob die im Datenblatt hinterlegte Spurtzeit von 4,3 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 oder die Höchstgeschwindigkeit von rund 273 km/h wirklich möglich sind, ist nicht überliefert. Er erhielt den Wagen nach dem dynamischen Debüt in Goodwood und legte insgesamt lediglich rund 2.900 Meilen damit zurück. Nun steht das Unikat beim auf seltene Aston Martin-Modelle spezialisierten Händler Nicholas Mee nördlich von London zum Verkauf. Laut Verkaufsanzeige hat sich eventuell bereits ein neuer Besitzer gefunden, denn sie ist mit dem Hinweis „reserved“ versehen.
Bilder: Nicholas Mee