Immer wieder in der Automobilgeschichte gab es Fahrzeuge, die durch ihr Design betören konnten. Ein gutes Beispiel rollte von 1965 bis 1976 in Italien vom Band. Die Coupé-Version der Mittelklasselimousine Fulvia begeisterte nicht nur optisch, sondern fuhr auch in Rallyes Erfolge ein. Hierfür entstand eigens die HF-Variante mit anfangs 132 PS. Später stieg dieser Wert auf 158 PS an. 1972 gewann Lancia die International Championship for Manufacturers, den Vorläufer der Rallye-WM. Im Folgejahr übernahm der Stratos die Vorherrschaft im Werksteam. Dennoch fuhr die Fulvia bis 1974 weitere Erfolge ein. Einen wirklichen Nachfolger gab es erstaunlicherweise nicht. Erst auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) im Jahr 2003 erstrahlte ein neues Fulvia Coupé im Rampenlicht – leider nur als Konzeptstudie.
Im Angesicht der momentan stattfindenden Wiederbelebung von Lancia als globaler Automarke sollte man sich diese Studie jedoch meiner Meinung nach noch einmal vor Augen führen. Lange Jahre wurde der einst sehr innovative Autobauer vom Fiat- und Stellantis-Konzern sehr stiefmütterlich behandelt. Schließlich gab es Neufahrzeuge nur noch in Italien – und auch dort nur noch den längst in die Jahre gekommenen Kleinwagen Ypsilon. Seit Ende 2023 wandelt sich die Meinung und inzwischen steht der neu entwickelte Ypsilon auf Basis des Peugeot 208 in den Startlöchern. Optisch knüpft der Wagen jedoch wenig an der erfolgreichen Vergangenheit an, sondern probiert eher, die 208-Rohkarosserie mit wenigen Mitteln gekonnt zu vertuschen. Wäre es nicht sinnvoller, einige der klassischen Raritäten neu aufzulegen – möglicherweise sogar mit Elektroantrieb? Alfa Romeo macht es gerade mit dem 33 Stradale erfolgreich – wenn auch streng limitiert – vor.
2003 konnte die Fulvia Konzeptstudie optisch und technisch voll begeistern. Das zweisitzige Coupé kam mit einem 1,8 Liter großen 16-Ventiler-Vierzylindermotor mit 103 kW/140 PS und Vorderradantrieb. Klingt vielleicht nicht nach viel, ist für ein kompaktes Fahrzeug dieser Güte jedoch mehr als ausreichend und hätte laut Datenblatt für bis zu 213 km/h Höchstgeschwindigkeit gereicht. Die technische Basis unter der Karosserie stammte von der Fiat Barchetta. Und genau hier liegt der Grund dafür, dass die neue Fulvia nicht in Serie ging, denn die Barchetta-Produktion lief kurz danach, im Jahr 2005 planmäßig aus.
Als Lancia das Fulvia Concept vorstellte, war man eigentlich seiner Zeit schon wieder hinterher. Retrodesign gab es bereits seit kurz vor der Jahrtausendwende durch Fahrzeuge wie den Volkswagen New Beetle, Chrysler PT Cruiser, Ford Thunderbird und Mustang oder den von BMW neu aufgelegten Mini. Die aus Aluminium gefertigte Karosserie der Fulvia entsprach in vielen Details dem historischen Vorbild, brachte jedoch auch moderne Elemente wie die Xenon-Scheinwerfer und das Interieur mit integriertem Touchscreen-Display für das Infotainmentsystem mit. Wenn sich der Autor dieser Zeilen etwas vom Autogott wünschen dürfte, wäre es der erneute Anlauf, dieses schnittige Coupé in Serie zu bringen – wenn es sein muss sogar mit E-Antrieb, aber natürlich deutlich lieber mit einem schön hochdrehenden Vierzylinder-Saugmotor und manuellem Getriebe.
Bilder: Lancia