Bis gestern fand in Stuttgart die Retro Classics als eine der weltweit größten Oldtimermessen statt. Neben wirklichen Klassikern gab es wie jedes Jahr auch wieder zahlreiche Youngtimer und auch neuere Exoten zu bewundern. Für langjährige Besucher dieser Veranstaltung fiel erneut auf, dass seit der Corona-Pandemie immer noch nicht an die alte Größe angeknüpft werden kann, für die alle verfügbaren Messehallen des Geländes direkt am Stuttgarter Flughafen verwendet wurden. Immerhin gab es dieses Jahr keine Parallelveranstaltung in den verbliebenen Hallen. Im Zuge dessen, dass die Veranstaltergemeinschaft ab 2026 auch die jährliche Oldtimermesse in Essen ausrichten wird, könnte es zukünftig eventuell zu mehr Interesse unter potenziellen Ausstellern kommen. Dies bleibt zu hoffen, aber abzuwarten.
Direkt hinter dem Haupteingang der Messe (Eingang Ost) verbirgt sich das etwas tiefer gelegene Atrium. Hier befand sich in früheren Jahren stets eine mehr oder weniger sehenswerte Sonderausstellung. Ich erinnere mich an 2024 mit zahlreichen Fahrzeugen der Marke Bitter oder an 2020, als die ROFGO Collection aus Großbritannien eigens rund 25 Rennfahrzeuge in der berühmten Gulf-Livery nach Stuttgart brachte. Dieses Jahr vermietete die Messegesellschaft die Fläche im Atrium an den örtlichen Aston Martin-Händler. Man möge mich nicht falsch verstehen: auch diese Fahrzeuge sind sehenswert. Aber eine themenspezifische Sonderausstellung mit tollen Exponaten wäre mir persönlich lieber gewesen. Neben dem aktuellen Formel-1-Safety-Car stand immerhin die komplette aktuell erhältliche Modellpalette vom Vantage über den DB12 bis zum neuen Vanquish vor Ort.
In der großen Halle 1 führte mich mein Weg erst einmal zu jenem Stand, dessen Team mich unter der Woche mit Arbeit und Freude versorgt: das Porsche Museum. Hier feierte man drei Jubiläen und die Wiederbelebung eines relativ unbekannten Rennfahrzeugs. Fangen wir geschichtlich vorne an, so stand vor rund 60 Jahren der 911 Targa erstmals im Rampenlicht. Damals noch mit einem von Hand demontierbaren Dachteil über den Köpfen der vorderen Passagiere ausgestattet, zeigten die frühen Autos zudem auch noch eine versenkbare Heckscheibe aus Kunststoff. Auf diese Weise entstand unter den Sicherheitsdiskussionen der 1960er Jahre ein möglichst sicheres Vollcabriolet mit breitem Überrollbügel. Letzterer blieb am Platz, die Faltscheibe hinten wich jedoch recht bald einer Glasscheibe, die für mehr Torsionssteifigkeit der Karosserie sorgte – und zudem dichter war. Neben einem frühen ‚Soft Window‘-Targa stand in Stuttgart auch ein noch relativ aktuelles Sondermodell der Jetztzeit in Form des 911 Targa 4S Heritage Design Edition. 20 Jahre nach dem Targa und somit vor 40 Jahren debütierte der Supersportwagen 959 als rollendes Versuchslabor für neue Technologien wie Hohlspeichenfelgen mit integrierten Luftdrucksensoren, ABS oder Allradantrieb mit höhenverstellbarem Fahrwerk. 15 Jahre später rollte die erste Konzeptstudie des Nachfolgemodells Carrera GT durch das nächtliche Paris. Dieser Supersportwagen bezog sein V10-Triebwerk und Teile seines Carbon-Monocoques vom Rennwagenprojekt LMP 2000, das Ende 1999 nach nur einem fertig gestellten Prototypen und nur 78 Testkilometern vorzeitig beendet wurde. Der Grund war einfach: Porsche brauchte das Geld für die Entwicklung der ersten Cayenne-Generation. Im November 2024 röhrte der LMP 2000 erstmalig seit 25 Jahren wieder über die Versuchsstrecke von Porsche in Weissach. Auf der Retro Classics feierte er nun sein Publikumsdebüt.
Natürlich gab es in Halle 1 noch viele weitere Highlights zu entdecken. Naturgemäß – wir befanden uns in Stuttgart – war der Anteil von Klassikern der ortsansässigen Hersteller Mercedes-Benz und Porsche überdurchschnittlich groß. Daneben gab es aber auch zahlreiche Ferrari, BMWs, VWs und andere Old- und Youngtimer. Ein absoluter Exot stand in Form eines Italdesign Aztec zum Verkauf. Nach der Weltpremiere 1988 gab es eine Kleinserienfertigung dieses tatsächlich straßenzugelassenen Fantasieproduktes. Allein die zweigeteilte Öffnung der „Tür“ (sofern man von einer solchen sprechen kann) dürfte auf dem Parkplatz vor der nächsten Eisdiele für offene Münder sorgen. Auf der Galerie, die sich eine Etage höher einmal rund um die Halle 1 spannt, standen ebenfalls einige spannende Exponate. So zeigte der Ford Model T-Club die legendäre „Tin Lizzie“ im Arbeitseinsatz auf einer Farm. Genau gegenüber auf der anderen Hallenseite standen derweil einige Rallyefahrzeuge zum Verkauf.
Das Stuttgarter Messegelände ist durch einen breiten Innenhof aufgeteilt zwischen den Hallen mit ungeraden und geraden Nummern. Unser Rundgang führte erst einmal durch die ungeraden Nummerierungen und anschließend auf die andere Seite herüber. Daher folgt an dieser Stelle – nach einem Blick auf zwei sehenswerte Vorkriegsklassiker von Mercedes-Benz auf dem Gang vor Halle 1 – der Weg in die Halle 3. Dort gab es unter dem Motto „RareSphere“ einige sehenswerte Varianten des Porsche 911 zu sehen. Unter anderem stellte das Porsche Museum einen 911 Carrera RSR Turbo 2.1 zur Verfügung und das Traumwerk von Hans-Peter Porsche einen von nur 77 gebauten 935 aus dem Jahr 2019. Freunde amerikanischer Klassiker wurden im hinteren Teil der Halle fündig und trafen dabei sowohl auf die typischen Straßenkreuzer als auch auf sportliche Fahrzeuge von Corvette bis zu Ford GT. Letzterer erreicht zwar auf Auktionen Gebote jenseits des Neupreises, kommt jedoch damit nicht an den neuen HWA Evo heran, der beim Fahrwerksspezialisten KW als rollfähiges Chassis gezeigt wurde. Mit diesem Auto möchte man an den legendären Mercedes-Benz 190 E Evo II erinnern, allerdings in deutlich aufgewerteter Form mit Carbon-Karosserie und viel mehr Leistung. Direkt daneben stand mit dem Kaege Retro Turbo ein Restomod-Projekt auf Basis des Porsche 911 Turbo (964), das vor einigen Jahren auf dieser Messe ebenfalls als Prototyp debütierte und nun käuflich zu erwerben ist.
Weiter in Halle 5 ging es in die Welt der Marken- und Modellclubs. Ein besonderes Highlight aus meiner Sicht war ein hervorragend restaurierter Alfa Romeo Romeo 2 (ja, der heißt wirklich so). Dass die Mailänder Marke einst auch Nutzfahrzeuge baute, ist heute fast in Vergessenheit geraten. Beim Citroën Club ging es hauptsächlich um das 70-jährige Jubiläum der legendären Göttin, also der Modellreihen ID und DS. Amerikaner hätten sich beim Anblick des Yugo Clubs vermutlich auf die Schenkel gehauen. Gerade in den USA sind Treppenwitze über den Yugo 45 als vermeintlich schlechtestes Auto aller Zeiten ähnlich in Mode, wie es hierzulande lange Zeit Manta-Witze waren. Interessanterweise standen die Mercedes-Benz Clubs diesmal allein in Halle 5, während der werkseigene Stand von Mercedes-Benz Classic in Halle 1 zu finden war.
Die lebendige Club-Landschaft der deutschen und europäischen Oldtimerszene setzte sich auch in Halle 7 weiter fort. Hier standen beispielsweise britische, italienische und japanische Klassiker im Rampenlicht. Eine Sonderausstellung zeigte die Geschichte des Opel Manta. Passend dazu brachte Irmscher die Ende der 1980er erstellte Studie Opium mit, die aufzeigen sollte, wie mit relativ geringen Mitteln eine dritte Generation des Manta hätte realisiert werden können. Zudem ist in Halle 7 auch traditionell der Werksstand von BMW beheimatet, der sich den Platz mit den angeschlossenen Modellclubs teilt. In diesem Jahr brachten die Münchener zwei besondere Exponate der 3er Serie mit nach Stuttgart. Zum einen konnte man einen Blick auf den einzigartigen M3 Touring der Baureihe E46 werfen, der in den frühen 2000er Jahren leider nicht in Serie ging. Andererseits zeigte die Classic-Abteilung den Karmann K2, der einst gemeinsam mit der Osnabrücker Karosseriebaufirma als eigenständiges Blechdachcabriolet auf Basis des 3er Compact (E36) entstand. Allerdings fand der außergewöhnliche Dachaufbau offenbar keinen Segen beim damaligen BMW-Vorstand und es blieb bei der fahrfähigen Studie.
Bilder aus Halle 9 entfallen an dieser Stelle, da dort ausschließlich Ersatzteile, Automobilia und Literatur angeboten wurden. Wir begeben uns also virtuell auf die andere Seite des Innenhofes und dort in die Halle 4, wo der private Fahrzeugmarkt und die Modellautobörse untergebracht sind. Wie immer gab es im Rahmen der Messe wenige wahre Schnäppchen. Die meisten Anbieter scheinen den Anlass zu nutzen, um ihre Preisschilder ein wenig nach oben zu korrigieren. Ob dann im Rahmen von Verkaufsverhandlungen realistische Preise erzielt werden können, entzieht sich unserer Kenntnis. Auf jeden Fall gab es neben Allerweltsklassikern auch wahre Exoten zu sehen. Wann haben Sie beispielsweise zuletzt einen Honda Quintet aus erster Hand in gutem Zustand gesehen?
Bleibt noch der Blick in Halle 6. Hier begrüßte die Besucher direkt am Eingang ein Flugzeug der Marke Junkers. Ein relativ ungewöhnlicher Anblick auf einer Automesse. Auch der Rest der Halle war eher großen Fahrzeugen gewidmet, da hier die klassischen Lastwagen und Omnibusse gezeigt wurden. Dazu zählen auch Feuerwehr- und THW-Wagen. Für Fans historischer Landmaschinen gab es bereits in Halle 7 viel zu sehen. Mangels eigenem Interesse habe ich diesen Bereich jedoch ausgelassen.
Bilder: Matthias Kierse