Schon seit einigen Jahren stand ein Fahrzeugmuseum auf meiner To-do-Liste, das vielleicht auf den ersten Blick nicht meinem typischen Beuteschema entspricht. Normalerweise verorten mich Freunde und Verwandte in Museen mit hohem Sport- und Rennwagenanteil. Was genau will ich also ausgerechnet im offiziellen Museum eines Lastwagenherstellers wie DAF in Eindhoven? Nun, Kenner der Automobilgeschichte wissen, dass DAF zeitweise auch Autos baute und wenn man wirklich tief in der Materie steckt, kann man sich eventuell sogar an Rallye-Einsätze der kleinen niederländischen Autos erinnern. Soweit schonmal nicht falsch, aber auch nicht die vollständige Geschichte, wie sich vor Ort herausstellte. Doch beginnen wir von vorn.
Von außen deutet außer der Beschriftung wenig darauf hin, dass man hier vor dem Werksmuseum eines bedeutenden europäischen Herstellers steht. Allerdings ist der rechte Gebäudeteil tatsächlich historisch und der einstige Entstehungsort der Marke DAF. Hier begründete Hub van Doorne, der bereits im zarten Alter von elf Jahren bei seinem Vater in die Schmiedelehre gegangen war, 1928 seinen eigenen Schmiedebetrieb. Durch die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren stieg auch sein jüngerer Bruder Wim in das Unternehmen ein. Nachdem man anfänglich allerlei Schweißarbeiten für die Binnenschifffahrt und den in Eindhoven ansässigen Technikhersteller Philips erledigt hatte, begann man sich mehr und mehr auf den Aufbau von Omnibus-Sattelzugauflieger zu spezialisieren. Hinzu kamen recht bald diverse weitere Lastwagenanhänger, wodurch die Firma schließlich zur „Van Doorne’s Aanhangwagen Fabriek N.V.“ umfirmierte, kurz: DAF. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs stellte das Werk im Militärauftrag auch erstmals eigene Zugmaschinen her. Diese blieben in ziviler Version nach dem Krieg im Programm und führten zur Umbenennung in „Van Doorne’s Automobiel Fabriek N.V.“ bei gleichem Kürzel. 1943 entstand ein erster Prototyp eines spartanischen Kleinstwagens für nur eine Person. Unter dem Spitznamen „Rijdende Regenjas“ (fahrende Regenjacke) gingen die beiden gebauten Prototypen in die Geschichte ein. Während ein Exemplar als verschollen gilt, diente das andere lange Jahre den Clowns Rits und Rats als Zirkusattraktion. Schließlich konnte es von Enthusiasten erworben und liebevoll restauriert werden, bevor es als Schenkung im DAF Museum landete. Dort ziert es heute den Eingangsbereich.
Dahinter geht es in die „DAFfeteria“ und zum Treppenhaus, in dem man sich entscheiden kann, mit welchem Teil der Markengeschichte man beim Rundgang beginnen möchte. Wir entschieden uns für das Untergeschoss und damit tatsächlich für den Bereich, der die Frühgeschichte bis hin zum heutigen LKW-Bau abbildet. Hier findet sich auch die einstige Schmiede der beiden Firmengründer sowie das frühere Büro vom Sohn von Hub van Doorne, Martien, der die Firma von seinem Vater übernahm.
Ein schön gestalteter Dorfplatz dient als Überleitung in den LKW-Bereich, in dem ich mich zugegebenermaßen wenig auskenne. Es sei mir also hoffentlich verziehen, wenn ich an dieser Stelle keine Auflistung der einzelnen gezeigten Lastwagen und Omnibusse abliefere oder gar versuche, diese zeitlich einzusortieren. Auffällig ist, dass DAF bereits früh das Prinzip der sogenannten Frontlenker verfolgte, bei denen der Fahrer auf anstatt hinter dem Motor sitzt. Zudem ist das Unternehmen durchaus auch durch Motorsportaktivitäten beim Truck Grand Prix oder der Rallye Dakar bekannt.
Am bereits beschriebenen angedeuteten Dorfplatz stehen einige besondere Highlights der Autohistorie. Eine nachgebildete Werkstatt zeigt einen Mechaniker auf der Suche nach dem Fehler eines DAF 33 Kleintransporters. Besonders im wahren Wortsinn ist hingegen das Strandmobil, das Michelotti für das niederländische Königshaus aufbaute und das nur leihweise außerhalb der königlichen Garage parkt. Übrigens nicht das einzige Auto mit königlichem Hintergrund in diesem Museum. Und während der Strandwagen eigentlich ein Unikat bleiben sollte, steht zwei Etagen höher noch ein weiteres Exemplar aus prominentem Vorbesitz.
In einer Zwischenetage ist Platz für Sonderausstellungen. Aktuell stehen hier besonders ungewöhnliche Fahrzeuge wie beispielsweise das „zweiköpfige Monster“, mit dem DAF einst bei der Paris-Dakar-Rallye antrat. Auch ein früher DAF 600 aus Familienbesitz steht hier aktuell leihweise im Museum, bevor er demnächst wieder an die Familie zurückgeht.
Im Obergeschoss geht es ausschließlich um die kurze Geschichte von DAF als Automobilbauer. 1958 debütierte der 600 auf der AutoRAI in Amsterdam. Wie alle PKW-Modelle der Marke verfügte er über ein stufenloses CVT-Getriebe mit Fliehkraftkupplung und Riemenantrieb der Hinterräder, Variomatic genannt. Der Fahrer kann über einen Wählhebel lediglich bestimmen, ob es vorwärts oder rückwärts gehen soll. Da die DAF-Fahrzeuge daher in beide Richtungen technische gesehen gleich schnell fahren können, führte dies in späteren Jahren zu Quatsch-Motorsport-Veranstaltungen, in denen viele klassische DAF-PKW bei Rückwärtsrennen verschrottet wurden. Hier, im Museum, stehen alle Baureihen nebeneinander und zeigen somit sowohl den technischen als auch den optischen Fortschritt auf. Ab dem Modell 33 widmete sich der italienische Designer Giovanni Michelotti der Formgestaltung. Mitte der 1970er Jahre erfolgte jedoch der Verkauf der PKW-Sparte an Volvo. Der zuvor serienreif entwickelte DAF 77 ging als Volvo 300er Reihe in Produktion und lief bis 1991 in den Niederlanden vom Band.
Das Museum wäre nicht vollständig, wenn man nicht auch Prototypen zeigen würde, die es nicht in die Serie geschafft haben. Neben dem rundlichen P 300 aus den 1960ern fällt vor allem die viertürige Limousine P 500 ins Auge. Sie hätte DAF in die Mittelklasse gebracht. Zudem gestaltete Michelotti diverse sportliche Einzelstücke mit DAF-Technik wie den Siluro oder den P-40 GT. Obwohl beide durchaus rassige Formen zeigten, fanden sie nicht den Segen der Firmenleitung. In einer Ecke parkt der bereits beschriebene zweite Strandbuggy auf DAF-Basis, den ebenfalls Michelotti aufbaute. Diesmal hießen die Vorbesitzer Aristoteles Onassis und Jackie Kennedy. Onassis war ein bedeutender griechischer Reeder und zeitweise Besitzer des Casinos in Monte Carlo sowie diverser Villen und Häuser des Fürstentums. Zudem gehörte ihm die griechische Insel Skorpios und zeitweise mehr als 900 Schiffe, darunter hauptsächlich Öltanker. Jackie Kennedy, die Frau des ermordeten US-Präsidenten, lernte er bei einer Party auf einer seiner Yachten kennen und heiratete sie 1968. Den DAF fuhr das Paar, das sich ansonsten wohl nur selten einig war, besonders gern auf Skorpios. Weitere Einzelstücke und Prototypen wie der DAF-Porter mit ungewöhnlichem Allradantrieb oder ein leichter Transport-Pickup für die USA sind ebenso ausgestellt wie ein von Moretti gebauter Edel-DAF mit vier Türen, Rolls-Royce-Kühlergrill und Lederausstattung.
Und damit kommen wir zu den Motorsportaktivitäten der Marke DAF. Mit einigen Modellen traute man sich auf die Rallyepisten Europas und der Welt. Dabei nahm man auch an berühmten Rennveranstaltungen wie der Marathon de la Route oder der Rallye Monte Carlo teil. Noch im originalen Dreck präsentiert sich ein DAF 55, der die Marathonrallye von London nach Sydney unter die Räder nahm. Besonders ungewöhnlich wirkt hingegen ein keilförmiger, offener Sportwagenprototyp in der gelben Farbe eines Zigarettenherstellers. Im Heck werkelt sichtbar das von DAF bekannte Variomatic-Getriebe, das hier die Kraft eines Cosworth-BDA-2-Liter-Motors übertragen durfte. Rund 245 PS reichten für bis zu 270 km/h Höchstgeschwindigkeit aus. Das Auto nahm 1971 und 1972 an Rennen in Belgien und Frankreich teil. Auch im Formel-Sport gab es Fahrzeuge mit CVT-Getriebe und sogar mit Motoren von DAF. Drei davon stehen in einer angedeuteten Steilkurve. Nicht gezeigt wurde hingegen der Prototyp eines Williams-Formel-1-Autos von 1992, das ebenfalls mit dem stufenlosen Getriebe getestet wurde. Allerdings ging der Wagen so nie in der Weltmeisterschaft an den Start. Als wir das Museum verlassen wollten, erwartete uns vor der Tür eines der berühmtesten Rallye-Autos der Markengeschichte. „01-55-HD“, so benannt wegen seinem Kennzeichen, nahm mehrfach an der Marathonrallye von London nach Sydney teil und wurde von einigen Mitarbeitern des Museums freudig begrüßt.
Wer DAF für langweilig hält oder meint, mit Lastwagen nichts anfangen zu können, der wird vermutlich nie nach Eindhoven ins DAF Museum fahren – und damit eine sehenswerte Einrichtung verpassen. Besonders gefallen hat uns die Einbindung von Elementen, die von Kindern entdeckt werden dürfen und die Erklärung von technischen Details. Zudem ist es erstaunlich, dass man in diversen Exponaten selbst Platz nehmen darf. Ich werde sicherlich eines Tages wiederkommen, um mich erneut von den kleinen und großen Fahrzeugen aus Eindhoven verzaubern zu lassen.
Bilder: Katrin Kierse, Matthias Kierse