Besuch im Louwman Museum Den Haag

Private Autosammlungen zeichnen sich zumeist dadurch aus, dass nur wenige Auserwählte wissen, was in ihnen für Schätze stehen. Nicht so eine der ältesten privaten Autosammlungen der Welt. Familie Louwman aus den Niederlanden ist mit dem Thema Automobil eng verwoben. Kein Wunder, immerhin betrieb Pieter Louwman bereits vor dem Zweiten Weltkrieg einen Importbetrieb für die Marke Dodge (heute sind es Toyota, Lexus, Suzuki und Chrysler, die Louwman in die Niederlande holt). 1934 kaufte er einen damals 20 Jahre alten Gebrauchtwagen zurück, reparierte angefallene Schäden und stellte ihn zur Seite. Dies war der Start für die hauseigene Sammlung, die schon seit vielen Jahren sein Sohn Evert und dessen Kinder weiterführen. Inzwischen umfasst sie mehr als 275 Exponate, von denen viele aus der Zeit vor 1915 stammen. Bereits bis 1980 gab es ein erstes kleines Privatmuseum in Leidschendam. Es folgte ein zweites Museum in Raamsdonksveer, das 2009 seine Pforten schloss. Gemeinsam mit dem amerikanischen Architekten Michael Graves entstand ein großzügig angelegter Neubau in Den Haag, der seit 2010 für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Für mich wurde es nach 12 Jahren mal wieder Zeit für einen erneuten Besuch der Ausstellung. In dieser Zeit hat sich manches verändert.

Der Besuch beginnt erst einmal mit einem Blick auf die faszinierende Architektur des Museumsgebäudes sowie der interessant geschnittenen Hecken auf dem Außengelände. Man meint beim Anblick die eine oder andere Autosilhouette zu entdecken. Innen betritt man eine große Empfangshalle, die Zugang zur Austellung sowie zu den diversen Konferenzräumen und dem Theater ermöglichen, die im Louwman Museum integriert wurden. Der Theaterbereich ist wie ein altes Kino mit bequemen Sitzen in aufsteigender Anordnung ausgeführt und verfügt auf der Bühne über einen speziellen Aufzug, der auch Autos nach innen bringen kann. Doch darum ging es bei unserem Besuch nicht. Wir nahmen den Aufzug in die zweite Etage und begannen den Rundgang, der uns zur Einstimmung ans Ende des 18. Jahrhunderts zurückführt. Damals gab es bekanntlich noch keine Autos, aber bereits hochwertige Kutschen und zum Teil sogar noch Sänften. Vorbei an einer klassischen Wagenbau-Werkstatt geht es schließlich zu ganz frühen Automobilen, die zum Teil mit Benzin, zum Teil aber auch mit Dampf oder sogar elektrisch betrieben wurden. Die Sammlung des Louwman Museums ist hier besser bestückt als alle anderen Museen weltweit. Viele dieser sehr frühen Fahrzeuge stehen einzeln im Rampenlicht.

Gefühlt ein Jahrzehnt später, in der Realität aber nur wenige Schritte weiter, kommt man in farbenfrohere Gefilde. Auch die Pionierzeit des Automobils kannte bereits prächtige Lackfarben, zugleich aber auch interessante Aufbautypen. Anhand der ausgestellten Fahrzeuge kann man zum einen den Weg von kutschähnlichen Vehikeln hin zum Auto wie wir es kennen erkunden. Zum anderen fallen aber auch immer wieder Irrwege der Automobilgeschichte auf, die so aus diversen Gründen nicht weiterverfolgt wurden. Dazu zählt letztlich auch der Antrieb mittels Dampfkessel. Was auf der Schiene lange Zeit bestens funktionierte war für die Straße nur bedingt tauglich. Interessant ist hingegen, wie früh manche Hersteller bereits auf Elektromobilität und sogar Hybridantriebe setzten. Auch dem Thema Volksmobilisierung mittels Kleinwagen widmet das Museum einige Ausstellungsflächen. Zudem wird die Antriebstechnik direkt am Objekt erklärt.

Wer größere Fahrzeuge liebt, kommt in Den Haag ebenfalls nicht zu kurz. Neben Straßenkreuzern aus den USA gibt es zahlreiche große Repräsentationslimousinen der 1920er Jahre. Hinzu kommen Autos aus prominentem Vorbesitz (Elvis, Winston Churchill oder Steve McQueen sind hier nur mal beispielhaft genannt) sowie Wagen mit Filmgeschichte. Zudem zeigen einige Bereiche berühmte Motorsportfahrzeuge aus diversen Kategorien. Neben Le Mans, der Formel 1, Nascar und Indy Car gibt es auch Modelle, die an der Targa Florio, der Prinz Heinrich Fahrt oder im Rallyesport teilgenommen haben.

Haben Sie schon einmal einen Doppeldeckerbus von 1912 gesehen? Falls nein lohnt die Fahrt nach Den Haag. Ob ich mit diesem Bus allerdings gern mitgefahren wäre – speziell im oberen Bereich – wage ich doch sehr zu bezweifeln. Auch drei klassische Feuerwehr-Fahrzeuge haben Einzug ins Museum gehalten. Beim Radstand des Leiterwagens wurde klar, warum die Hinterachse von einem eigenen Fahrer gelenkt werden konnte. Etwas ganz Besonderes ist die Anzahl historischer Spyker Modelle im Louwman Museum. Aus der ersten Ära dieser Marke im Automobilbereich sind nach aktuellem Stand nur noch rund 15 Autos weltweit bekannt. Neun davon stehen hier in Den Haag. Hinzu kommt ein rollfähiges Chassis und der Nachbau eines Flugzeugs mit Spyker-Motor.

Evert Louwman ist in der automobilen Welt dafür bekannt, besondere Einzelstücke zu lieben. Diese zeigt er gern weltweit auf Concours-Veranstaltungen. Zudem kauft er immer wieder neue Unikate auf den großen Auktionen zu. So kommt es, dass im Vergleich zu meinem ersten Besuch 2010 bereits wieder diverse neue Exponate zu entdecken waren und andere vermutlich im Museumsdepot auf ihre nächste Ausstellung warten. Wobei auch immer wieder Fahrzeuge an andere Museen ausgeliehen werden. So steht beispielsweise ein einzigartiger Pegaso aktuell im Guggenheim Museum im spanischen Bilbao. Zu sehen waren hingegen ein Rolls-Royce Unikat des Karosseriebauers Barker, der im Kundenauftrag Zebrafelle auf den Sitzen und Elfenbein am Armaturenbrett erhalten hatte, der weltweit am originalsten erhaltene Mercedes-Benz SSK sowie der älteste noch bekannte Toyota. Dieses Model AA entdeckten Mitarbeiter des Museums 2008 zufällig mitten in Russland und konnten es schließlich käuflich erwerben. Selbst das Toyota Museum in Japan besitzt von diesem ersten Serienfahrzeug der Markengeschichte lediglich eine Replika. Vorbei an Autos der Art-Deco-Ära und wunderschönen Bugattis landet man schließlich in einer nachgebildeten Häuserschlucht und auf einem Dorfplatz, wie er in den Niederlanden der 1920er Jahre hätte existieren können. In einer Ecke findet sich angedeutet der Showroom von Pieter Louwman, mit dem einst alles begann.

Falls Sie jetzt auch über einen Besuch des Louwman Museums nachdenken: Es ist dienstags bis sonntags in der Zeit von 10:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Erwachsene zahlen 17,50 € für den Eintritt, ein Audio-Guide ist kostenlos zum Download auf jedes Smartphone erhältlich. Zudem verfügt das Museum (neben den weiter oben angesprochenen Räumlichkeiten) über einen Restaurantbereich auf dem Dorfplatz und über einen kleinen Shop für Souvenirs.

Bilder: Matthias Kierse