Ferrari Purosangue

2003 sprach Luca di Montezemolo in einem Interview: „Wir werden niemals einen Viertürer bauen.“ 14 Jahre später ergänzte er: „Ich bin der Ansicht, wir sollten keinen SUV bauen.“ Wenn der inzwischen 75-jährige Italiener von „wir“ spricht, dann meint er seine Marke, dann redet er über Ferrari. Von 1991 bis 2014 war er als Verwaltungsratsvorsitzender für die Geschicke des Sportwagenbauers verantwortlich. Damit folgte er direkt auf den Markengründer Enzo Ferrari. Dieser hatte ihn Anfang der 1970er Jahre nach einem Streitgespräch im Radio, bei dem sich Montezemolo leidenschaftlich für Ferrari eingesetzt hatte, vom Fleck weg engagiert. Vom persönlichen Assistenten wechselte LdM zum Posten des Leiters der Rennsportabteilung Scuderia Ferrari. Nach einer kurzen Zeit bei Fiat und ITEDI kehrte er 1991 zu Ferrari zurück und machte die Marke in allen Belangen erfolgreicher. Nun kehrt sich die aktuelle Geschäftsführung jedoch endgültig gegen die Aussagen ihres ehemaligen Starmanagers. Bereits seit einigen Jahren war klar, dass Ferrari hinter den Kulissen am ersten hauseigenen SUV arbeitet. Auch der Modellname wurde ungewöhnlich früh bekannt gemacht und lautet „Purosangue“, was übersetzt soviel wie „reines Blut“ oder „Vollblut“ bedeutet.

Ferrari Purosangue – Quelle: Ferrari
Ferrari Purosangue – Quelle: Ferrari

Zum ersten Mal in der Markengeschichte von Ferrari wird es ein Serienfahrzeug mit vier Türen und vier vollwertigen Sitzplätzen geben. Selbst die Modellreihen FF und GTC4Lusso galten intern als 2+2-Sitzer. Von diesen weltweit erfolgreichen indirekten Vorgängern übernimmt der Purosangue indes ein wichtiges Konstruktionsmerkmal: Den hinter der Vorderachse angeordneten Motor und damit die bestmögliche Konfiguration für ein fahraktives GT-Fahrzeug. Um die Gewichtsverteilung zu verbessern, wanderte das Getriebe an die Hinterachse, erzeugt damit also eine Transaxle-Bauweise. Trotzdem verfügt der Purosangue über einen permanenten Allradantrieb. Zudem steigt er mit hoher Leistung ins Wettbewerbsumfeld ein. Beim Triebwerk unter der Haube handelt es sich um den ikonischen V12-Saugmotor mit 6,5 Litern Hubraum, Direkteinspritzung und Trockensumpfschmierung, der hier 533 kW/725 PS leisten darf. Das maximale Drehmoment beträgt 716 Newtonmeter. Ein Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe sorgt für die Kraftübertragung auf den Allradantrieb. Dies ermöglicht den Spurt auf Tempo 100 in 3,3 und den auf Tempo 200 in 10,6 Sekunden. Diverse Details des V12 wurden im Vergleich zu anderen Ferrari-Modellreihen modifiziert, die Zylinderköpfe entstammen hingegen unverändert dem 812 Competizione. Beim Blick auf die Bedeutung der Abkürzung SUV kann man Ferrari also attestieren, dass man viel Wert auf Sport und nur im ausreichenden Maß Wert auf Utility gelegt hat.

Ferrari Purosangue – Quelle: Ferrari
Ferrari Purosangue – Quelle: Ferrari
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Neben der hohen Motorleistung stand auch aerodynamische Effizienz weit oben im Lastenheft der Entwicklungsingenieure. Hierfür gestalteten sie nicht nur die Karosserie, sondern auch den Unterboden und den Diffusor in langen Windkanalsitzungen so gut wie möglich. Durch Kanäle im vorderen Stoßfänger und der Radlaufverkleidung entsteht ein Luftvorhang rund um die Vorderräder, der turbulente Querströmungen wirksam verhindert. Zudem sorgen Frontspoiler, Seitenschweller, Diffusor und Dachspoiler für Anpressdruck bei hohen Geschwindigkeiten. Das Dach besteht serienmäßig aus Carbon, ist jedoch auch in einer Panoramaglas-Variante erhältlich. Hinten gehen die Türen gegenläufig zu den vorderen Portalen auf, um Ein- und Ausstieg zu erleichtern. Sie öffnen elektrisch in einem Winkel von 79 Grad. Auch die Heckklappe erhält einen elektrischen Öffnungsmechanismus. Für den unteren Bereich des Fahrgestells kommt eine hochfeste Aluminiumlegierung zum Einsatz. Strangpressprofile mit einer Gitterstruktur aus Aluminium und Stahl bilden die Grundlage für die obere Karosserie. Darüber sind Aluminium- und Carbonteile verbaut, um das Fahrzeuggewicht gering zu halten.

Ferrari Purosangue – Quelle: FerrariFerrari Purosangue – Quelle: Ferrari
Ferrari Purosangue – Quelle: Ferrari

Innen finden vier Erwachsene Personen mehr als genug Platz für sich und ihr Gepäck vor. Sie alle nehmen in beheizbaren Sportsitzen Platz. Zur Serienausstattung zählen ein hochwertiges Burmester-Audiosystem sowie Alcantara-Bezüge aus zertifiziertem recyceltem Polyester. Optisch orientiert sich das Cockpit hinter dem Lenkrad am SF90 Stradale. Auf der Beifahrerseite spiegelten die Designer den erhöhten Bereich fast eins zu eins. Dort sitzt ein 10,2 Zoll großes Display, das alle wichtigen Fahrzeuginformationen auch für den vorderen Beifahrer anzeigt. Hinten entsteht durch die Einzelsitze und die dazwischen angeordnete Mittelkonsole ebenfalls eine klare Trennung in zwei Bereiche. Auf dieser Konsole sitzt ein Drehknopf, der den Passagieren der zweiten Reihe ebenfalls Zugang zu Funktionen des Infotainmentsystem ermöglicht. Anstelle eines klassischen Navigationssystem bindet der Ferrari Purosangue über Apple CarPlay und Android Auto moderne Smartphones ein und nutzt deren Apps für die Navigation. Gegen Aufpreis gibt es Massage-Vordersitze mit zehn Luftkissen und fünf Massagearte in drei Intensitätsstufen, einen Luftqualitätssensor mit intelligenter Umluftsteuerung und diverse weitere Optionsumfänge. Für Exterieur und Interieur steht eine riesige Farbpalette zur Auswahl, die über das Tailor Made Programm beliebig erweitert werden kann.

Ferrari Purosangue – Quelle: Ferrari
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Natürlich sind beim neuen Ferrari Purosangue auch die neuesten fahrerdynamischen Kontrollsysteme mit an Bord. Hierzu gehören eine Allradlenkung, das ABS „evo“ von Bosch mit Sechswege-Fahrwerk-Dynamiksensor (6w-CDS) sowie ein neu entwickeltes aktives Federungssystem mit True Active Spool Valve (TASV) von Multimatic. Durch dieses kontrolliert der Wagen die Wankbewegungen in Kurven und die Reifenkontaktfläche bei dicht aufeinanderfolgenden Straßenunebenheiten. Von den Sportwagenmodellen übernimmt der Purosangue zudem das Side Slip Control (SSC) 8.0, das je nach gewähltem Modus mehr oder weniger Schlupf an den Hinterrädern für gezielte Driftwinkel zulässt. Auch in punkto Fahrerassistenzsysteme ist der Purosangue dank adaptiver Abstands- und Geschwindigkeitsregelung (ACC) automatischem Notbremsassistent (AEB), automatischem Abblendlicht/Fernlicht (HBA/HBAM), Spurhalteassistent (LDW), Spurverlassenswarnung (LKA), Totwinkelassistent (BSD), Querverkehrswarnung (RCTA), Verkehrszeichenerkennung (TSR), Müdigkeits- und Aufmerksamkeitsassistent (DDA) sowie Einparkkamera (NSW) auf der Höhe der Zeit. Erstmalig gibt es in einem Ferrari eine Hill Descent Control (HDC), also eine Bergabfahrhilfe, die an steilen Hängen automatisch die eingestellte Geschwindigkeit beibehält.

Ferrari Purosangue – Quelle: Ferrari
Ferrari Purosangue – Quelle: Ferrari