Meistens sind es spontane Entscheidungen, die von Herzen kommen, die dazu führen, dass ein Erlebnis noch lange nachwirkt und in Erinnerung bleibt. So war es bei mir auch am letzten Wochenende. Eigentlich war ein Familienwochenende im Burgund anlässlich des 70. Geburtstages meines Arbeitgebers geplant. Nach einem Check von Instagram, bei dem sich herausstellte, dass der neue Bugatti W16 Mistral seine Europapremiere beim Chantilly Art & Elegance erlebt, wurde zunächst die Fahrtzeit nach Paris gecheckt. Anschließend gab es eine kurze familiäre Diskussion, bei welcher der Autofreak (ich) als Sieger hervorging. Noch schwups das Hotel im Burgund für die zweite Nacht storniert und ein Hotel bei Chantilly gebucht, und schon konnte es Samstag Mittag aus Dijon losgehen.
Bis auf den üblichen Stau rund um Paris waren wir wirklich gut in der Zeit und es ging noch am Abend für einen kurzen Abstecher ans Schloss, um schnell die Lage zu checken und einen Schlachtplan für den nächsten Tag zu entwerfen. Der erst leicht und dann immer stärker werdende Regen ließ den Wohlfühlfaktor am Samstag leider etwas sinken. Ein unglaublich schlechtes Abendessen tat sein übriges dazu, um die Laune zu senken. Sonntag früh sah die Welt aber ganz anders aus. Nach dem ersten Blinzeln staunte man nicht schlecht – blauer Himmel und Sonnenschein. Der Wettergott hatte also ein Einsehen. Schnell ging es zum Schloss und nachdem wir den durchaus als üppig zu betrachtenden Eintritt – 50 € für Erwachsene – gelöhnt hatten, ging es los. Aus der Aussage: „Ich will nur schnell den Bugatti Mistral sehen und danach können wir ruhiger weiter gehen“ wurde aber nicht wirklich etwas. Auf der Wiese am Eingang standen einige klassische Pretiosen, die ich jedoch nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen habe. Etwas weiter hinten jedoch strahlte etwas Gelbes mit der Sonne um die Wette. Dort stand ein Aston Martin Valkyrie im Sonnenschein neben einem Porsche Carrera GT. Die Laune stieg.
Um zu den Gärten zu gelangen, musste man auf eine kleine Anhöhe hinauflaufen, wo eine ganze Reihe klassischer Formel-Fahrzeuge vor einem Pferdedenkmal drapiert waren. Schnell ein Foto gemacht und weiter ging es zu einer Treppe, von der aus man den ganzen Park überblicken konnte. Erstmal tief durchatmen und dann die Lage checken: Auf der linken Seite war Bugatti, dahinter Aston Martin, rechts im Park Pagani. Die Laune stieg weiter. Als ich dann jedoch den Bugatti Mistral entdeckte, gab es kein Halten mehr. Schnellstmöglich gab es nun nur ein einziges Ziel: Den Mistral. Als ich endlich davor stand, war ich sprachlos. Bereits auf den Pressefotos hat mir dieses Fahrzeug unglaublich gut gefallen. Es nun aber real vor sich zu sehen war tatsächlich surreal. All die kleinen und feinen Details; das freistehende Bugatti Logo zum Beispiel oder die immer wieder sichtbaren Carbon-Akzente – wirklich ganz große Kunst. In diesem Augenblick war bereits klar, dass sich jede Entbehrung der Anreise gelohnt hatte. Im Pavillon neben Bugatti stand der Aston Martin DBR22. Auch bei diesem Auto dachte ich vor dieser Veranstaltung, dass ich es niemals live sehen würde.
Weiter ging es zunächst zur Bugatti Hospitality, welche rechts, links und davor von Bugattis umringt war. Man wusste gar nicht, wohin man zuerst blicken sollte. Bis auf einen Veyron Super Sport, Veyron Gran Sport, Centodieci und La Voiture Noire war jedes moderne Modell vorhanden. In einer Reihe standen so also ein Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse World Record Edition, ein Chiron Pur Sport, ein Divo, ein Chiron Sport und gleich zwei Chiron Super Sport zusammen. Auf der anderen Seite der Hospitality standen ein weiterer Chiron, ein Veyron und ein EB110. Gegenüber dann meine persönlichen Highlights: Ein Dauer EB110 Supersport, der Le Mans EB110, das Ice Speed Record Fahrzeug und noch ein weiterer silberner EB110 Supersport. Einfach nur wow! Zu erwähnen sind zudem noch die nicht unerhebliche Anzahl von Bugatti Baby II, die ebenfalls mit vor Ort standen.
Nach diesen Highlights gingen wir etwas ruhiger weiter und schauten uns die weiteren Pretiosen im Schlosspark an. Neben einer recht großen Anzahl klassischer Rennwagen von Alpine war auch eine Sonderausstellung zu den 24 Stunden von Le Mans mit einigen Fahrzeugen vor Ort zu sehen. Weiter ging es mit den Modellen der Carozzerie Touring Superleggera, denen ein eigener Bereich des Parkes gewidmet war. Neben den Klassikern waren auch die modernen Modelle, beispielsweise der Maserati Quattroporte Bellagio, der Alfa Romeo Disco Volante als Coupe und Spyder, der Maserati Sciadipersia oder eben auch die aktuellste Kreation, der Arese RH95, vor Ort. Direkt daneben stand der De Tomaso P72, der zudem extra für die Besucher komplett geöffnet war, um sowohl einen Blick in den Innenraum als auch auf den Motor zu haben.
Auch Pagani war vor Ort und man hatte aus San Cesario sul Panaro den Zonda F, einen gelben Zonda S Roadster und einen Huayra 760VR mitgebracht. Warum man den Utopia zuhause gelassen hatte, war indes nicht nachvollziehbar. Lotus stellte ebenfalls auf Schloss Chantilly aus. Man konnte einen ersten Blick auf den neuen SUV namens Eletre werfen. Zugegeben, der Blick hätte intensiver ausfallen können. Anscheinend weckte das Modell großes Interesse und war stets von einer nicht unerheblichen Menge an Menschen umringt. Spannender war die Gegenseite des Lotus Pavillons, wo der Evija ausgestellt wurde. Wer noch einen möcht: Noch sind sieben Fahrzeuge verfügbar.
Nun ging es also langsam zum Schloss zurück. Dort waren weitere Pavillons aufgebaut, die ich zuvor noch nicht so richtig wahrgenommen hatte. De Tomaso hatte einen weiteren P72 dort ausgestellt. Daneben war ein Delage D12 zu bewundern und einen Pavillon weiter der Renault R5 Turbo 3E. Zugegebenermaßen alle sehr beeindruckende Fahrzeuge. Speziell der Delage hat wirklich Charme und die Ambitionen der Mannschaft aus Nevers sind wirklich beeindruckend, möchte man doch nichts anderes als den Rundenrekord für straßenzugelassene Fahrzeuge auf dem Nürburgring holen. Vermutlich werden die 30 geplanten Fahrzeuge recht schnell verkauft sein. Auch der Renault R5 Turbo 3E ist eine beeindruckende Studie. Die Karosserie zitiert an allen Ecken und Enden den legendären R5 Turbo aus der Vergangenheit. Betrachtet man das Fahrzeug allerdings etwas genauer wird man doch stutzig. So macht, zumindest in meinen Augen, der E-Antrieb das Fahrzeug „kaputt“. Dank konsequentem Leichbau erreicht man ein Gewicht von 980 Kilogramm – wow! Aber ohne Batterien. Hier muss man erneut 480 Kilogramm dazurechnen. Per se sicher immer noch nicht schlecht, aber es zerstört doch etwas den Leichtbaugedanken. Wirklich schade. Aber vermutlich wird der Renault R5 Turbo 3E eh nichts weiter als eine Studie bleiben. Ob „zum Glück“ oder „leider“ bleibt dem Betrachter überlassen.
Langsam ging es wieder zu unserem Auto zurück, nicht ohne dabei noch nach einem weiteren besonderen Fahrzeug zu suchen. Dank Instagram war bekannt, das der Bugatti Chiron L’Ebe vor Ort war, jedoch nicht auf dem Gelände. Der Zufall half nach und wir fanden dieses spezielle Sondermodell zum Ende der Chiron-Produktionszeit. Was bleibt nun also als Fazit zu sagen? Nun, ich gehe davon aus, dass die Begeisterung in diesem Bericht nicht verborgen geblieben ist und sofern es möglich ist, geht es für mich auch nächstes Jahr wieder nach Paris. Viele Marken, wegen denen man früher die Anreise zum Genfer Automobilsalon auf sich genommen hatte, waren vor Ort vertreten. Die Autos zudem unter freiem Himmel vor dem beeindruckenden Schloss zu sehen, war wirklich einmalig. Die Veranstaltung erinnert etwas an die Schloss Dyck Classic Days in Verbindung mit dem Genfer Autosalon. Und sind wir mal ehrlich zu uns: Es gibt sicherlich schlechtere Mischungen im Leben.
Bilder: Oliver Kühlein