Totgesagte leben bekanntlich länger. An die Wiedergeburt der Marke De Tomaso hatten zuletzt allerdings wirklich nur noch Wenige geglaubt. Nach mehreren Versuchen hatte sich der heutige asiatische Besitzer der Markenrechte mit der deutschen Firma Capricorn zusammengetan und den Supersportwagen P72 entwickelt. Als Basis diente dabei das Carbon-Monocoque des Apollo IE. Mit an der Entwicklung beteiligt waren zeitweise auch MAT in Italien und HWA in Süddeutschland. Drei fahrbare Prototypen umrundeten den Globus, um auf möglichst vielen Autoveranstaltungen gezeigt zu werden. Einer davon erhielt einen laut kreischenden V12-Saugmotor und begann sein automobiles Leben in rot metallic, bevor er erst grün und schließlich gelb umlackiert wurde. Die anderen beiden Autos wurden durch V8-Motoren angetrieben und wechselten ebenfalls mehrfach die Farbe. Irgendwann folgte das, was im Falle von Kleinserienherstellern am wenigsten gebraucht wird: Unstimmigkeiten zwischen den einzelnen Parteien. Da diese stellenweise unüberbrückbar erschienen, schrieben diverse Experten die Serienchancen des P72 endgültig ab. Nun werden sie eines besseren belehrt. Kaum sechs Jahre nach der Weltpremiere sollen Ende diesen Jahres erste Exemplare des auf 72 Stück limitierten Supersportwagens an Kunden ausgeliefert werden.
Optisch hat sich für die Serienversion im Vergleich zu den Prototypen nicht viel verändert. Hauptsächlich wuchsen die Außenspiegel auf ein Maß, das geradeso den Zulassungsvorschriften entspricht. Zudem gibt es nun einen Scheibenwischer. Das Design der Carbon-Karosserie orientiert sich sehr am De Tomaso P70, den Firmengründer Alejandro de Tomaso 1965 gemeinsam mit Carroll Shelby für US-Sportwagenrennen entwickelte – und der ein Einzelstück blieb. Interessanterweise zeigt sich der moderne P72 viel rundlicher als der doch eher kantige P70. Einige Designelemente könnten dem Betrachter auch vom Ferrari P3 oder anderen Rennsportwagen der 1960er Jahre bekannt vorkommen. Mir persönlich gefällt das Auto aus jeder Perspektive hervorragend. Das Vorserienfahrzeug, das De Tomaso zur Ankündigung der Serienproduktion ins Rampenlicht stellte, trägt zum weißen Lack rosegoldfarbene Streifen und Akzente. So sind auch die Unterteilungen des vorderen Lufteinlasses, die Außenspiegel, die Schweller, der Heckdiffusor und die speziell gestalteten Leichtmetallräder in rosegold gehalten. Ebenso der wohl am aufwändigsten gestaltete Deckel für Scheibenreinigungsflüssigkeit, den man jemals im Automobilbau gesehen hat. Ja, richtig geraten, es handelt sich um den runden Deckel zentral vor der Windschutzscheibe. Dieser Deckel macht aber auch eine Sache sehr deutlich: De Tomaso legt es nicht darauf an, das leichteste, schnellste, agilste Auto auf die Räder zu stellen. Stattdessen wendet man sich an Connoisseurs, die dem Kunsthandwerk viel abgewinnen können und zugleich die Formgebung der Karosserie lieben. Dass der P72 zugleich locker über 300 km/h erreichen wird, steht dabei für Niemanden im Vordergrund.

Innen setzen sich die rosegoldenen Akzente am Lenkrad, den Instrumenten, dem Schalthebel, den Belüftungsdüsen und den Türgriffen weiter fort. Dabei handelt es sich jeweils um aus dem Vollen gefräste Aluminiumteile. Diese erzeugen eine einzigartige Haptik und stammen vom gleichen Zulieferer wie die Instrumente im neuen Bugatti Tourbillon. Hinzu kommt Sichtcarbon im Bereich des Vollcarbon-Monocoques sowie am Mitteltunnel, dem Armaturenbrett und dem Lenkrad. Weißes, von Hand vernähtes Leder überzieht die fest im Monocoque verbauten Sitze, die Türverkleidungen und Griffbereiche des Steuers. Digitale Displays sucht man hingegen fast vergeblich – einzig der Innenspiegel ist ein Bildschirm für eine Rückfahrkamera, da es keinen direkten Blick aus dem Cockpit nach hinten hinaus gibt. Der P72 möchte bewusst ein analoger Supersportwagen sein. Über den Schlüssel rechts an der Lenksäule und den Startknopf an der Mittelkonsole lässt sich der fünf Liter große V8-Kompressormotor im Heck in Betrieb setzen. Dieser basiert auf einem Ford-Block, der vom amerikanischen Tuner Roush mit neuen Kolben, einer neuen Kurbelwelle und einem Kompressor auf über 700 PS gebracht wird. Ein manuelles Sechsgang-Getriebe überträgt die Kraft auf die Hinterachse. Auch wenn es einen Prototyp mit V12-Triebwerk gab, zeigt das Serienauto mit der Verbindung zu Ford klar auf, dass De Tomaso die Firmengeschichte aus den 1950er bis 1990er Jahren ehrt, in der alle gebauten Sportwagen abgesehen vom Erstlingswerk Vallelunga Achtzylindermotoren hatten.
Zum Preis und der eventuellen Verfügbarkeit letzter Exemplare aus der limitierten Auflage machte De Tomaso keine Angaben. Anderen Autojournalisten zu Folge, die mit den Machern hinter dem P72 reden konnten, wird der Grundpreis bei rund 1,6 Millionen Euro plus länderspezifischer Mehrwertsteuer liegen. Der P72 wird also für die meisten Autofans eines von vielen Traumfahrzeugen bleiben.
Bilder: De Tomaso