2010 präsentierte McLaren mit dem MP4-12C den ersten Straßensportwagen seit dem legendären F1. Nachdem ich der Deutschlandpremiere in Düsseldorf beiwohnen durfte, folgten rund zweieinhalb Jahre Ruhe, ehe eine Einladung zu einer eintägigen Testfahrt-Aktion rund um München im E-Mail-Fach landete. Im Mai 2013 erfolgte also meine Taufe im McLaren – und das gleich doppelt, da neben dem Coupé des inzwischen nur noch 12C genannten Mittelmotorsportwagens auch die Spider-Version bereitstand. Den Link zum ursprünglichen Artikel auf Carpassion.com gibt es am Ende des Textes.
625 PS standen damals bereits im Datenblatt des 12C. Mit soviel Leistung durch den Tag – danach braucht man doch vermutlich einen Orthopäden? Dies galt es auszuloten. Ebenso weitere Details, denn die Einladung gab erst einmal nicht viel her. Außer Ort und Datum enthielt sie nicht viel. Am entsprechenden Ziel zur entsprechenden Zeit erfolgte dann die Frage, ob ich erst offen oder geschlossen fahren wolle. Aha, es gibt also beide Karosserievarianten für die Testfahrt. Für den Start in den Tag wählte ich einen Spider im Farbton ‚Volcano Orange Metallic‘. Zur Wahl standen zudem ein weiterer Spider in ‚Volcano Red Metallic‘ sowie zwei Coupés im klassichen ‚McLaren Orange‘.
Allerdings ließen Wetter und Temperaturen eine Fahrt mit offenem Verdeck nicht zu. McLaren hat jedoch mitgedacht und das Klappverdeck mit einer einzeln versenkbaren Heckscheibe ausgestattet. Bei offenem Verdeck dient sie zudem als Windschott. Nun verhalf sie zu mehr Soundtrack vom doppelt turboaufgeladenen V8-Triebwerk und den Schaltmanövern des Doppelkupplungsgetriebes im Cockpit. Insgesamt ging die vorgegebene Route über rund 250 Kilometer, wobei Landstraßen, Autobahnen und Nebenstrecken ebenso vorkamen, wie einige Ortsdurchfahrten. Etwa zur Halbzeit erfolgte ein Fahrzeugwechsel, durch den ich auch das Coupé näher kennenlernen konnte.
Wer die Fotos näher ansieht stellt schnell fest, dass die vier zur Verfügung gestellten Autos (zwei Coupés, zwei Spider) zwar linksgelenkt, aber in Großbritannien zugelassen waren. Diese Praxis verfolgt McLaren bis heute: die Pressefahrzeuge sind alle auf das Werk in Woking zugelassen. Natürlich sind sie in den allermeisten Fällen auch bestmöglich ausgestattet, um möglichst viele Optionen aufzeigen zu können. Besonders die Sichtcarbon-Teile innen und außen kosten normale Kunden reichlich Aufpreis. Aber Carbon gibt es beim 12C sowieso in Hülle und Fülle, da er bereits auf einer Monozelle aus dem Leichtbaumaterial besteht. Um aus dem Coupé einen Spider zu machen, waren an diesem Monocoque keinerlei Veränderungen nötig. Die rund 40 Kilogramm Mehrgewicht des offenen Zweisitzers stammen vom Mechanismus des Klappverdecks. Wenn das Dach geschlossen ist, kann der Verdeckkasten als zusätzlicher Kofferraum genutzt werden.
Im Cockpit stellt sich in doppelter Hinsicht die Frage: „Normal, Sport oder Track?“ Zwei Drehschalter zeigen diese unterschiedlichen Einstellungen – einmal für Motor und Getriebe und einmal für die elektrohydraulischen Feder-Dämpfer-Einheiten. Nachdem man die Schalter in die gewünschte Position gebracht hat, werden die Einstellungen erst durch den Druck auf die Taste ‚Active‘ aktiviert. Zwei weitere Knöpfe stellen den Heckflügel aufrechter in den Fahrtwind und sorgen für die Verstellung des Getriebes in die Modi automatisch oder manuell.
Über den Startknopf neben dem Lenkrad belebt man das V8-Triebwerk direkt hinter den Sitzlehnen. Doch solange Motor und Getriebe noch kalt sind und man sich eh im Stadtverkehr befindet, sind die automatisierten Modi eh die beste Wahl. Schnell wird dabei deutlich, dass der 12C das Kapitel Alltagstauglichkeit deutlich besser beherrscht als viele Mitbewerber. Nach wenigen Kilometern sind alle Betriebsmittel auf Temperatur. Nun führt die Route für einige Kilometer auf die Autobahn.
Egal ob Spider oder Coupé, der Zweisitzer schießt seine Besatzung zum Horizont und noch viel weiter. Daran ist natürlich das Drehmoment beteiligt, das in einem Bereich zwischen 3.000 und 7.000 U/min dauerhaft bei 600 Newtonmetern liegt. Beschleunigungsmanöver an Ampeln können auf Knopfdruck durch eine Launch Control unterstützt werden. Unter Idealbedingungen geht es in 3,1 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit liegt deutlich über 310 km/h. Bei einem kleinen Ausflug auf einen stillgelegten Flughafen konnte ich diese Werte auf der Start- und Landebahn zwar nicht ganz erreichen, war von der Beschleunigung dennoch mehr als positiv begeistert. Auch die Verzögerungswerte der Carbon-Keramik-Anlage konnten überzeugen.
Beim Coupé fehlen im Cockpit natürlich die zusätzlichen Soundeindrücke, die der Spider mit offener Heckscheibe bieten kann. Fahrdynamische Unterschiede konnte ich persönlich im öffentlichen Verkehr nicht herausfahren. Ob mein fahrerisches Können auf einer abgesperrten Rennstrecke tatsächlich zu langsameren Rundenzeiten im Spider geführt hätten, wage ich nicht zu beurteilen. Beide Varianten vermitteln auf kurvigen Landstraßen ein unfassbar hohes Maß an Agilität und Spurtreue – ohne dabei den eingangs erwähnten Orthopäden durch übermäßige Fahrwerkshärte nötig zu machen. Welchen der beiden 12C ich wählen würde? Verdammt gute Frage. Aus heutiger Sicht (2025) würde es vermutlich eher der direkte Nachfolger 650S als Spider – oder, wenn noch etwas mehr Kleingeld bereitliegen würde, der 675LT als ultimative Form dieses Erstlingswerks der britischen Sportwagenmarke.
Fotografen: Michael Müller, Matthias Kierse
Text ursprünglich erschienen in Carpassion.com: LINK