Fahrbericht: Mercedes-Benz C 55 AMG Renntaxi

Beim Blick in die Kategorie ‚Fahrberichte‘ hier auf der Seite gelangt man schnell zur Einsicht, dass ich schnelle und seltene Autos mag – vermutlich auch über die restlichen Artikel, die ich so schreibe. Wirklich rar war auf jeden Fall das Fahrzeug, das ich in den Jahren 2010 bis 2012 immer mal wieder pilotieren durfte. Mein Ausbildungsbetrieb hatte zeitweise sogar zwei Exemplare, was erst dann zu einer krassen Aussage wird, wenn man weiß, dass damit 50 Prozent der Gesamtproduktion auf wenigen Quadratmetern zusammenstanden. Um was geht es? Mercedes-Benz stieg bekanntlich Mitte der 1990er Jahre wieder in die Formel 1 ein und war ab 1997 gemeinsam mit McLaren sehr erfolgreich. Hinzu kam die Rückkehr in die DTM. Bei Veranstaltungen beider Rennklassen wollte man gerne wichtige Kunden auf der Rennstrecke am besonderen Fahrgefühl teilhaben lassen, weshalb auf Basis der C-Klasse Baureihe W 203 exakt vier Fahrzeuge als Renntaxi aufgebaut wurden. Dass dabei nicht der 200er Vierzylinder unter der Haube werkelte, versteht sich von alleine. Stattdessen entstanden auf Rohkarosserien des C 240 ohne Schiebedach ganz besondere Exemplare des C 55 AMG. Den Link zu meinem Originalbericht aus dem Jahr 2011 gibt es am Textende.

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Ich kannte dieses Auto bereits seit Ende 2006, als ich erstmals die Hallen meines späteren Arbeitgebers besichtigen durfte. In den Folgejahren erlebte ich diesen besonderen C 55 AMG mehrfach auf der Nürburgring Nordschleife. Der Satz: „Mit Leuten im Auto fahre ich eher langsam!“ hat seitdem für mich eine etwas andere Bedeutung. Die Aussage: „Wenn ich Mercedes fahren will, rufe ich mir ein Taxi“, ergänze ich um die Silbe ‚Renn-‚ vor ‚Taxi‘ und bin zufrieden. AMG selbst hat eines der vier gebauten Exemplare auf dem kleinen Kurs des Hockenheimrings mit 1:16,1 Minuten gemessen, auf der Nordschleife waren es 8:14,0 Minuten. Noch Fragen? Na also.

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Anhand der Bildergalerien kann man sehen, dass ich für diesen Bericht meine Bilderarchive durchgegangen bin und das Fahrzeug immer mal wieder die Folierung gewechselt hat. Wo einst große AMG-Buchstaben standen, rückte irgendwann der Name meines Ausbildungsbetriebes in den Mittelpunkt. An der Performance des Fahrzeugs änderte dies nichts. Unter der Haube rumorte ein 5,5 Liter großer V8-Saugmotor mit 285 kW/388 PS und einem maximalen Drehmoment in Höhe von 535 Newtonmetern. In Kombination mit der Fünfgang-Automatik ging es bei Bedarf in 4,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, in 16,8 Sekunden auf Tempo 200 und weiter bis zur elektronisch begrenzten Höchstgeschwindigkeit bei 290 km/h. Theoretisch wäre wohl noch ein wenig mehr möglich. Die Automatik verfügt über einen manuellen Schaltmodus, bei dem die Gänge durch Wippen hinter dem Lenkrad angewählt werden können. Auf unbegrenzten Autobahnabschnitten pendelte sich die Reisegeschwindigkeit gern oberhalb von 200 km/h ein. Die vier ovalen Abgasendrohre, die Spoilerlippe auf der Heckklappe und die Schwellerverkleidungen entsprachen dabei den Bauteilen des normalen C 55 AMG. Ungewöhnlich war hingegen die Frontschürze mit zusätzlichen Luftauslässen vor den Vorderrädern. Dieses Bauteil entstand bei AMG vermutlich nur rund zehnmal. Viermal für die vier Performance Cars (Renntaxis) und sonst noch für Medical und Safety Cars in Formel 1 und DTM.

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Spätestens der Blick ins Interieur ließ dann auch den letzten selbsterklärten Experten verstummen. Vorn sorgen Sportschalensitze mit Vierpunktgurten dafür, dass sich Fahrer und Beifahrer nach dem Angurten nur noch im Millimeterbereich bewegen können. Und auch in Reihe zwei gibt es für zwei weitere Mitfahrer Vierpunktgurte. Drumherum schlängelt sich ein durch Schaumstoff rudimentär gepufferter Überrollkäfig, der den Ein- und Ausstieg ein wenig schwieriger macht. Gleichzeitig versteift er jedoch spürbar die Karosserie und erklärt auch, warum man bei AMG bewusst auf ein Schiebedach verzichten wollte. Silbern eingefärbtes Sichtcarbon sorgt an den Dekorleisten für ungewohnte Ansichten – speziell für ein Auto aus den frühen 2000ern. Übrigens wiegt die Fuhre leer ohne Fahrer, aber mit vollem Benzintank lediglich 1.565 Kilogramm.

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Wer genau hingesehen hat, entdeckte in den Bildergalerien bereits Bilder eines zweiten, mattschwarz folierten Autos. Tatsächlich hatte mein ehemaliger Arbeitgeber zeitweise zwei der vier gebauten Performance Cars zeitgleich im Showroom stehen. Wenn diese beiden Autos hätten reden können, wären die Geschichten von Ausflügen auf Rennstrecken wie Spa-Francorchamps, Paul Ricard, Hockenheimring oder Nürburgring bestimmt spannend gewesen – nicht zuletzt wegen der VIPs, die dabei auf den Sitzen Platz genommen haben. Fans von Sportwagen können sich sicherlich vorstellen, dass auch ich mich ein klein wenig wichtig fühlte, als ich am Steuer dieser Limousine so manchen Kilometer zurücklegte.

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Vom Gefühl her folgt den Kats bei diesem Fahrzeug nur noch ein leeres Rohr bis zum Heck. Da der Wagen regelmäßig alle TÜV-Abnahmen inklusive Abgastests bestanden hat, wird es wohl nicht ganz so drastisch sein. Aber der Soundtrack des Achtzylindertriebwerks ist schlicht fantastisch. Allerdings hat man irgendwann tatsächlich ein wenig Mitleid mit dem Anlasser, speziell beim Kaltstart. Als ich das Auto für meinen Fahrbericht mitnehmen durfte, stand es bereits einige Tage im Tiefparkdeck des Autohauses mit dem Heck zur Wand. Fast meinte man, dass der Anlasser kurz um Gnade winselte, dann aber doch losging, um die Bestie zu wecken. Das anschließende Getöse erlebte ich noch einige Male – stets mit breitem Grinsen im Gesicht. Allerdings kann man nicht kleinreden, dass es auch in jenen Jahren bereits ein paar Passanten gab, deren Reaktion klarmachte, dass sie nicht viel von derartigen ‚Bollerwagen‘ hielten.

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Meine Fahrten mit dem C 55 führten mich nicht nur zum Nürburgring, sondern tatsächlich als allererstes zum Wochenendeinkauf. Warum auch nicht? Der Kofferraum des Performance Cars entspricht exakt dem der normalen C-Klasse, ist also voll nutzbar. Einzig die Kletteraktionen, um auf dem Parkplatz angekommen aus dem Überrollkäfig herauszukommen und nach dem Einkauf wieder in selbigen einzufädeln, sollte man lieber nicht mit der Kamera aufnehmen. Auch den Kaltstart am frühen Samstag Morgen haben mir meine damaligen Nachbarn nur schwerlich verziehen. Die Reise zum Nürburgring funktionierte hingegen Mercedes-like problemlos. Auch mit Sportfahrwerk und großen Leichtmetallrädern fährt so ein C 55 eben immer noch sehr komfortabel und fühlt sich auf Langstrecken wohl. Am Ring angekommen nahm der Wagen hingegen eine Statistenrolle ein, da ich für Fotos anderer Autos angereist war. Immerhin erkannten ein paar Passanten jedoch, dass es sich hier um ein besonderes Auto handelte.

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Auf den schönen Landstraßen rund um die Nordschleife konnte der C 55 sein Talent einwandfrei unter Beweis stellen. Die riesige Bremsanlage verzögert den Wagen jederzeit bestmöglich und Leistung gibt es eh im Überfluss. Einzig die teils relativ langsame Automatik muss sich vom Fahrer manchmal Verwünschungen anhören. In den Radhäusern sorgen derweil Pneus vom Typ Pirelli P Zero Corsa in 235/35 R 19 (vorn) und 265/30 R 19 (hinten) für den Kontakt zur Straße.

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Für lange Zeit galt für dieses Auto ein klares Credo: „Fahrspaß: unbeschreiblich, Preis: unverkäuflich!“ Doch manchmal ändern sich Dinge. Als sich die Wege zwischen meinem Ex-Arbeitgeber und der Marke mit dem Stern trennten, trennte man sich auch von diesem (fast) einzigartigen Automobil. Wo es sich heute befindet, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich denke jedoch immer mal wieder gern an meine Touren zurück, rufe mir den V8-Klang in Erinnerung und lache innerlich über die verdutzten Gesichter mancher Verkehrsteilnehmer, die mit ihren tiefergelegten Kompaktfahrzeugen versuchten, mit dem C 55 Schritt zu halten.

Bilder: Matthias Kierse

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