NSU Ro 80 – Die Geschichte des Wankelmotors

In einer Ära, in der die meisten Medien fast nur noch über Elektroautos berichten (möchten), erscheint es komisch, dass es mal eine Zeit gegeben hat, in der über andere Möglichkeiten des Verbrennungsmotors nachgedacht und entsprechend geforscht wurde. Eine federführende Entwicklung war dabei der Kreiskolbenrotationsmotor von Felix Wankel. Nachdem er die technischen Grundlagen weitestgehend erprobt und festgelegt hatte, suchte er nach einem starken Partner in der Industrie und fand diesen schließlich in der Marke NSU aus Neckarsulm. Dieser süddeutsche Hersteller hatte sich im Motorradgeschäft einen Namen gemacht und nach dem Zweiten Weltkrieg auch Kleinwagen ins Programm aufgenommen. Durch die Zusammenarbeit mit Felix Wankel erhoffte man sich den Aufstieg in größere Segmente. Dieter Korp zeigt in seinem wiederaufgelegten Buch (Ersterscheinung war 1993) die Entwicklungsgeschichte hinter einem bemerkenswerten Fahrzeug der deutschen Automobilgeschichte auf und beschreibt dank der zeitlichen Entfernung auch damals unbekannte Zusammenhänge, die dem NSU Ro 80 die Produktionszeit erschwerten.

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Der erste Serien-NSU mit Wankelmotor war 1964 nicht diese stolze Limousine, sondern ein offener Spider, dessen Karosserie vom Sport-Prinz übernommen wurde. Im Hintergrund liefen jedoch bereits die Erprobungsfahrten mit der neuen Mittelklasselimousine, die das Haus NSU in ganz neue Kundenbereiche bringen sollte. Doch zuvor beleuchtet das Buch „NSU Ro 80 – Die Geschichte des Wankelmotors“ die Entwicklungsgeschichte von Marke und Motorenbauer näher. Dabei kommen auch Seitenblicke auf andere Antriebsideen nicht zu kurz, die zeitgleich bei anderen Herstellern durchdacht wurden. Schließlich widmet sich das zweite Kapitel der Entstehung des Hauptprotagonisten, dessen interne Entwicklungsnummer die 80 war. Im Laufe der Erprobung stellte man ihr das Kürzel „Ro“ für Rotationskolbenmotor voran. Kleiner Seitenblick an dieser Stelle: Nach gleichem Prinzip verlief die Namensgebung beim K 70, bei dem das „K“ für Konventionalmotor steht, der aber nach der NSU-Übernahme durch VW und Audi schließlich als Wolfsburger Auto vom Band lief. Die Formgebung des Ro 80 verantwortete Claus Luthe.

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Kapitel drei widmet sich der Entstehung des Motors, bei der der Wankel-Spider eine wichtige Rolle einnahm. Er brachte das neue Antriebskonzept erstmals zu den Kunden und diente als Testträger für Weiterentwicklungen. Zudem sprachen bei NSU mehr und mehr andere Autohersteller vor, die vom Rotationskolbenmotor gehört hatten und nun Lizenzen erwerben wollten. Unter ihnen war Toyo Kogyo aus Japan, heute besser unter dem Namen Mazda bekannt. Sie verlangten den Nachweis eines straßentauglichen Autos, bevor sie die Lizenzgebühren überweisen würden. Aus diesem Grund entstand der Wankel-Spider als Ableger des Sport-Prinz. Im vierten Kapitel zeigt Dieter Korp die Entwicklung des Fahrwerks und den Fahrversuch der Prototypen auf. Noch bevor der Ro 80 auf der IAA 1967 debütiert, zeigt Mazda in Tokyo den Cosmo Sport 110 S als erstes Serienauto mit Zweischeiben-Wankelmotor.

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Was als hoffnungsvolles Projekt und mit viel Beachtung der Öffentlichkeit begann, entwickelt sich jedoch mit der Zeit in andere Richtungen. Die Dichtlippen der Rotationskolben erweisen sich als nicht langzeittauglich. Zudem gehen viele Motoren durch Überhitzung und Lagerschäden kaputt. Der Ruf des Mittelklassemodells leidet spürbar. Mitbewerber und Konkurrenten erfinden den „Ro-80-Gruß“, laut dem sich die Eigner der Limousine beim Entgegenkommen anhand der erhobenen Anzahl von Fingern über die Anzahl der bereits verbauten Ersatzmotoren informieren würden. Zudem ziehen sich außer Mazda nach und nach alle Lizenznehmer vom Wankel-Prinzip zurück. Nachdem zuerst Audi 1968 bei NSU eingestiegen war, übernahm ein Jahr später schließlich der Volkswagen-Konzern die Leitung. Wer damals damit rechnete, dass der anfällige Ro 80 direkt aus dem Programm fliegen würde, sah sich schnell mit der Realität konfrontiert: die Ingenieure suchten und fanden Problemlösungen und die Limousine blieb bis 1977 Bestandteil des Modellportfolios. Sogar maritime Ableger des Triebwerks wurden erdacht und in Booten erprobt. Nach 37.402 Exemplaren endet das Kapitel Ro 80 schließlich. Im Buch werden die einzelnen Produktionsjahre exakt aufgeschlüsselt. Für Fans der deutschen Limousine oder besonderer Klassiker im allgemeinen lohnt sich der Kauf dieses Werks also allemal. Es ist unter der ISBN 978-3-613-04648-1 zum Preis von 49,90 € im Buchhandel und online erhältlich.

Bilder: Matthias Kierse