„Weißt du noch…? Von Käfern und Käseigeln“-Sonderausstellung im PS.Speicher Einbeck

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war vielerorts von Armut und Entbehrungen geprägt. Besonders die vier Militärzonen in Deutschland, aufgeteilt an die Sowjetunion, die USA, Großbritannien und Frankreich, litt anfänglich darunter. Allerdings beschlossen die siegreichen Länder sehr bald, der Bevölkerung wieder auf die (finanziellen) Beine zu helfen und so kam es schnell zu einem Zustand, den die Geschichtsbücher rückblickend als „Wirtschaftswunder“ bezeichnen. Der Arbeitsmarkt boomte und auch einfache Arbeiter konnten sich erst Zweiräder und schließlich richtige Autos leisten. Entsprechend verhielt es sich auch bei anderen Konsumgütern. Viele davon sind jedoch der heutigen jungen Generation gar nicht mehr bekannt, weil ihre Halbwertzeit ungefähr die Dauer vom Kauf im Geschäft bis zum heimischen Küchentisch betrug. Hieran erinnert die aktuelle Sonderausstellung „Weißt du noch…? Von Käfern und Käseigeln“ im PS.Speicher in Einbeck.

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Direkt nach Betreten der Sonderausstellung befindet man sich auf dem nachgebildeten Gelände einer typischen Tankstelle der 1950er Jahre. Und was war damals noch üblich? Richtig, es gab (mindestens) einen gelernten Tankwart, der die Betankung und einen Blick auf den restlichen Zustand des Autos für den Kunden vornahm. An einer der Zapfsäulen parkt ein Fahrzeug, das charakteristisch für die Ära ist und zugleich ebenfalls eine fast vergessene Episode im deutschen Automobilbau repräsentiert. Autos wie der zweisitzige Kleinschnittger dienten vielen Leuten als Einstieg in die vierrädrige Welt und hatten selten viel mehr Leistung als ein Motorrad. Nur wenige Meter weiter parken mit einem NSU Wankel-Spider und einem Auto Union 1000 SP gleich zwei wunderschöne Cabriolets, deren Hersteller jungen Leuten von heute ebenfalls unbekannt sein dürften. Hinzu kommt die Antriebstechnik, die beim einen Fahrzeug einen Kreiskolbenmotor und beim anderen einen Zweitakter vorsah.

Apropos Zweitakter: die Sonderausstellung bleibt nicht auf der westdeutschen Seite stehen, sondern befasst sich auch mit jenen Fahrzeugen, die hinter dem „antifaschistischen Schutzwall“ entstanden sind. Auch diese Grenzeinrichtung ist für viele Menschen heute glücklicherweise nur noch ein Bestandteil des Geschichtsunterrichts. Sie umgab als innerdeutsche Trennung das Gebiet der einst sowjetischen Zone in Deutschland, die ab dem 7. Oktober 1949 als Deutsche Demokratische Republik (DDR) zum eigenständigen Staat wurde. Während die westlichen Mächte die Demokratie einführten probierte es die DDR mit gelebtem Kommunismus und der Verstaatlichung diverser Industriebereiche. Auch der Automobilbau wurde in einem Volkseigenen Betrieb (VEB) gebündelt, aus dem schließlich einzig die beiden PKW-Modelle Trabant und Wartburg hervorrollten. Ganz zu Anfang der DDR gab es mit EMW (aus den einstigen BMW-Werken in Eisenach) und Horch aus Zwickau noch zwei bekannte Markennamen, die jedoch nach Klagen der Markenrechtsinhaber aus dem Westen eingestellt werden mussten. Dafür erhielt man aus den ebenfalls kommunistisch regierten sowjetischen Brüderstaaten wie der Sowjetunion, der Tschechoslowakei, Polen, Ungarn und weiteren ebenfalls Konsumgüter und Automobile, beispielsweise den ZAZ Zaporożec 968.

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Eine inzwischen leider fast völlig vergessene Automarke ist Borgward inklusive der Tochterfirmen Hansa und Goliath. Daran hat auch die missglückte Wiederbelebungsaktion mit einem Enkel des einstigen Firmengründers und chinesischem Geld nicht viel ändern können. In der PS.Speicher-Sonderausstellung stehen mit einer Borgward Hansa 2400 Limousine und einem Bus vom Typ B611 gleich zwei völlig unterschiedliche Fahrzeuge aus der Bremer Produktion. Fast ebenso in Vergessenheit geraten ist Glas, die Automarke aus Dingolfing, die einst mit dem Goggomobil in den Autobau einstieg und sich bis zu V8-Limousinen steigerte, bevor sie von BMW übernommen wurde. Natürlich kommen in Einbeck auch die beiden Namensgeber dieser speziellen Nebenausstellung nicht zu kurz. Sowohl ein VW Käfer als auch der legendäre Käseigel sind zu finden. Allerdings dürfen zumindest der Käfer und der auf ihm basierende Hausfrauensportwagen Karmann Ghia nicht als vergessene Automobile einsortiert werden. Dazu haben sie bis heute zuviele Fans in aller Welt.

Die Sonderausstellung „Weißt du noch…? Von Käfern und Käseigeln“ begann am 31. August diesen Jahres und ist erst einmal bis Ende August 2025 angesetzt. Wer die sehenswerte Hauptausstellung des PS.Speichers in Einbeck besucht, zahlt den Eintritt für diesen Bereich direkt mit.

Bilder: Matthias Kierse