Nachdem im letzten Jahr das Schwesterhaus in Sinsheim Teil meiner Museen-Reihe war, besuchte ich nun das Technik Museum Speyer. Beide Einrichtungen arbeiten eng zusammen und verstehen sich als Einheit – immerhin liegen auch nur rund 40 Kilometer zwischen ihnen. Seit Anfang der 1990er Jahr dient das Gelände rund um die historische Liller Halle (die einst tatsächlich in der Nähe von Lille in Frankreich stand) als Erweiterung für das Areal in Sinsheim, wo seinerzeit nicht mehr erweitert werden konnte. In Speyer gibt es in Sichtweite des berühmten Doms viel zu sehen, was das Herz von Technikfans höher schlagen lässt. Im Gegensatz zu Sinsheim gibt es dabei eine geringere Konzentration auf Militärgerät und dafür die europaweit größte Ausstellung zum Thema „bemannte Raumfahrt“. Dazu gesellen sich Flugzeuge, Hubschrauber, Schiffe, Lastkraftwagen, Autos, Motorräder sowie Tanz- und Konzertorgeln. Ein IMAX-Kino mit einer kuppelförmigen Leinwand, die 24 Meter Durchmesser aufweist, zeigt verschiedene Filme. Im benachbarten Wilhelmsbau, der früher die Verwaltung der Pfalz-Flugwerke beheimatete, gibt es zudem epochenkorrekte Themenräume mit zeitgenössischer Einrichtung, Kleidung und vielem mehr aus den letzten zwei Jahrhunderten.
Wenn man den Technik Museen in Sinsheim und Speyer irgendetwas vorwerfen kann, dann eigentlich nur, dass sie stellenweise zuviel auf einmal zeigen. Dies wird in Speyer direkt im Eingangsbereich deutlich, wo ein Formel-1-Rennwagen, eine Stretchlimousine, ein Flugzeugcockpit und diverse Flugzeuge unter der Hallendecke auf den Tickettresen, den Shop und den Eingangsbereich zum Museum und dem IMAX-Kino treffen. Auch in der 1911 in Lesquin bei Lille gebauten Haupthalle, die 1913 von der deutschen Armee demontiert und in Speyer neu errichtet wurde, stehen die Exponate bunt gemischt.
Klassische Autos und Busse sind hier Nachbarn von Dampflokomotiven, einem Karussell, Dampfmaschinen, Feuerwehrfahrzeugen und zahlreichen Flugzeugen. Dazu gibt es Dragster, eine kleine Sonderausstellung zur Marke Heinkel mit Motorrollern und einem Kabinenroller sowie einen vierrad-angetriebenen Mercedes-Benz Geländewagen mit Allradlenkung.
Einige Bereiche der Liller Halle sind nach Themenschwerpunkten sortiert. So gibt es beispielsweise eine Reihe mit fünf klassischen Fahrzeugen von BMW, zwei US-Klassiker vom Schlage Cadillac Eldorado und Chevrolet Corvette sowie Themeninseln zu Traktoren und Feuerwehrwagen.
Auch Luxuskarossen von Rolls-Royce oder europäische Sportwagen kommen vor. Die großen Tanzorgeln können durch den Einwurf von Euro-Münzen in Betrieb genommen werden. Eigentlich schade, dass diese Musikinstrumente heute sonst kaum noch bekannt sind. Es handelt sich um mechanische Meisterwerke, bei denen durch komplizierte Hebel und Techniken sowie die Einbindung von Lochkarten verschiedene Instrumente angesteuert und bespielt werden.
In einem Nebenraum steht Mavis. Wer bei diesem Namen an etwas typisch Weibliches denkt, sieht sich nicht bestätigt. Mavis ist etwas für echte Kerle – ob diese nun Frau oder Mann sind ist ihr völlig egal. Es handelt sich technisch betrachtet um ein Bentley-Chassis, dem ein 42 Liter großer und kompressoraufgeladener Packard-Motor aus einem US-Patrouillen-Torpedoboot aufgesetzt wurde. Rund 1.500 PS Spitzenleistung und 2.700 Newtonmetern Drehmoment steht ein Durchschnittsverbrauch von 15 Litern Kraftstoff gegenüber – pro Minute.
Seit 2008 gibt es eine zweite Ausstellungshalle, die vor allem für ein ganz besonderes Exponat errichtet wurde: Buran OK-GLI. Hierbei handelt es sich um das russische Pendant zum amerikanischen Space Shuttle. Im Vergleich hätte Buran sogar einige Funktionen gehabt, die beim US-Derivat nichtmal Teil der Planung waren – beispielsweise ein automatisches Landeprogramm. Dieses wurde auch erfolgreich getestet. Allerdings kam es nie zu Einsätzen der Buran in Richtung Raumstation MIR. Heute ist die OK-GLI die einzige Buran außerhalb Russlands und zugleich das größte Ausstellungsstück in der permanenten Raumfahrtausstellung in Speyer. Diese wurde bereits von vielen internationalen Astronauten, Kosmonauten und Weltraum-Ingenieuren besucht. Eine originale Sojus-Raumkapsel sowie nachgebildete Module der ISS oder eine Replika der Apollo-Mondlandefähre sind hier ebenfalls zu sehen.
Ein großer Teil der Halle wird zudem durch eine Motorradsammlung aufgefüllt. Unter der Decke hängen weitere Flugzeuge. Im linken Bereich ist zudem Platz für eine Sonderausstellungsfläche, die aktuell das Thema „Les Français – Menschen, Motoren und Architektur“ behandelt. Die dabei gezeigten Autos stammen aus der Zeit zwischen 1902 und 1984.
Direkt unterhalb der Buran versteckt sich ein wahrhaft königlicher Klassiker. Allerdings ist der silberne Mercedes-Benz 500 K in dieser Form eine Replik. Das Original mit dieser ausladenden Karosserie von Erdmann & Rossi ging 1935 an den irakischen König Ghazi. Nur wenige Meter entfernt zieht ein Lamborghini Miura alle Blicke auf sich. Im Rahmen einer geplanten Restaurierung entdeckte der Besitzer, dass im Lauf der Jahre zum Teil mehr als 20 unterschiedliche Lackschichten auf der Karosserie aufgetragen wurden. Er ließ die Blechpartien freilegen und zeigt den Lamborghini Sportwagen seither quasi als Kunstobjekt.
Neben den großen Ausstellungshallen lockt vor allem das riesige Freigelände Besucher nach Speyer. Über allem thront eine echte Boeing 747 auf einem Podest. Von hier aus können Mutige per Rutsche wieder auf das normale Level heruntergelangen. Alternativ bietet sich die Möglichkeit, die 747 von innen zu betrachten und auf der linken Tragfläche die Aussicht auf den Speyrer Dom zu genießen. Ähnlich beeindruckend zeigt sich der begehbare Laderaum der Antonov AN-22, dem größten propellerbetriebenen Flugzeug der Welt.
Sollten Flugzeuge und Helikopter nicht das Interessensgebiet treffen, sind vielleicht Schiffe interessanter? Neben einem Seenotkreuzer und dem Hausboot der Kelly Family kann auch das Innenleben des deutschen U-Boots U9 erkundet werden. Hinzu kommen im Außenbereich auch Lokomotiven, ein paar Schlafwaggons, ein riesiger Muldenkipper aus einem Steinbruch und diverse weitere Exponate. Im Maritimmuseum, das früher als Museumswerkstatt diente, stehen zahlreiche Schiffsmodelle. Und dann gibt es noch den benachbarten Wilhelmsbau, den ich oben bereits erwähnte. Insgesamt kann man im Technik Museum Speyer also locker mehr als einen halben Tag verbringen. Wenn man vor Ort noch das IMAX-Kino und/oder das Restaurant besucht, ist ein Tagesprogramm gut gefüllt.
Bilder: Matthias Kierse