Ferrari Testarossa Pininfarina Spider

Fans von Computer-Rennspielen erinnern sich beim Anblick dieses Autos vermutlich an die 1980er Jahre und den Klassiker „Out Run“. Ab 1986 gab es dieses Arcade-Spiel zuerst an stationären Spielstationen, später auch auf dem Commodore C-64 und weiteren Computern. Bis heute hat es weltweit viele Fans. Auf dem Cover und im Ladebildschirm tauchte dabei ein Fahrzeug auf, dass es so nicht ab Werk zu kaufen gab: Ein Ferrari Testarossa als offener Spider. Mit ihm durchfuhr man die Rennen, die aus heutiger Sicht einer riesigen Pixelschlacht gleichen. Kein Wunder, hat sich die Rennspielszene doch immer wieder an neue Computertechnologien angepasst und die Grafiken entsprechend verbessert. Offiziell war es übrigens im ersten Teil von Out Run kein Ferrari, denn eine Lizenz mit dem italienischen Sportwagenhersteller hatte der Spieleprogrammierer nicht.

Ferrari Testarossa Pininfarina Spider – Quelle: RM Sotheby’s
Ferrari Testarossa Pininfarina Spider – Quelle: RM Sotheby’s
Ferrari Testarossa Pininfarina Spider – Quelle: RM Sotheby’s

Das passt ja gut, denn schließlich gab es ja auch keinen Testarossa Spider. Oder doch? Ja, denn Fiat-Boss Gianni Agnelli erhielt von Ferrari ganz offiziell einen silbernen Testarossa mit blauem Leder-Interieur und ohne festes Coupé-Dach. Auf den Bildern hier ist aber doch deutlich ein solches Fahrzeug im Farbton Rosso Corsa zu sehen? Hierzu müssen wir gedanklich einen kurzen Exkurs nach Südostasien machen. Dort, auf der Insel Borneo, liegt der Zwergstaat Brunei mit einer Fläche von lediglich 5.765 Quadratkilometern (etwa doppelt so groß wie das Saarland). Dank reicher Erdöl- und Erdgasvorkommen stieg dieses Sultanat ab den späten 1960er Jahren zu einem der reichsten Länder der Welt auf. Während der überwiegende Teil der Sultansfamilie ihren Reichtum nur zu bestimmten Anlässen zur Schau stellt, sorgte der Bruder des Sultans, Prinz Jefri, in den 1980er und 1990er Jahren für den Aufbau der wohl größten Autosammlung weltweit. Genaue Zahlen gibt es nicht, da der Prinz aufgrund der hohen Ausgaben, die er für Sonderkarosserien, Garagen, Yachten und anderen Luxus wie den britischen Juwelier Asprey, das Palace Hotel in New York, das Plaza Athénée in Paris oder das Hotel Bel-Air in Los Angeles anfallen ließ, in Ungnade fiel. Als amtierender Finanzminister machten sich die rund 14,8 Milliarden US-Dollar, die er aus dem Staatsvermögen ausgegeben hatte, nicht so gut in seiner Vita. Daher übergab er all seinen persönlichen Besitz im Jahr 2000 dem Staat Brunei, um einer Strafverfolgung zu entgehen und weiterhin in Brunei leben zu dürfen. Die in den Garagen arbeitetenden Mechaniker und Techniker der unterschiedlichen Automarken wurden daraufhin nach Hause geschickt.

Ferrari Testarossa Pininfarina Spider – Quelle: RM Sotheby’s
Ferrari Testarossa Pininfarina Spider – Quelle: RM Sotheby’s

Fakt ist auf jeden Fall, dass die Sonderaufträge aus Brunei über rund ein Jahrzehnt hinweg die Marken Aston Martin, Rolls-Royce und Bentley sowie das Designhaus Pininfarina und zu Teilen auch Porsche und Ferrari am Leben erhielten. Diverse Einzelstücke und Kleinstserien entstanden ausschließlich für die klimatisierten Garagen in Südostasien – manche davon sind sogar bis heute unbekannt geblieben. Ob Prinz Jefri in seiner Freizeit das Computerspiel Out Run nutzte, um im Ferrari Testarossa Spider durch die Gegend zu heizen, ist unbekannt. Tatsächlich bestellte er jedoch bei Pininfarina entsprechende Umbauten des eigentlich nur als Coupé erhältlichen Sportwagens. Wenn Geld keine Rolle spielt, sind plötzlich auch Sonderaufbauten möglich, die normalerweise niemand erhält. In diesem Fall waren es offenbar sieben identische Testarossa Spider, wobei zu vermuten ist, dass sie sich in der Farbgebung unterschieden. Prinz Jefri ist für seine Vorliebe für extrovertierte Farben bekannt. Eine seiner Garagen enthielt einen Raum voller gelb lackierter Autos, während ein anderer Raum schwarzen Fahrzeugen vorbehalten war. Aber auch rote und grüne Lackfarben sind von Bildern seiner Sammlung bekannt.

Ferrari Testarossa Pininfarina Spider – Quelle: RM Sotheby’s
Ferrari Testarossa Pininfarina Spider – Quelle: RM Sotheby’s
Ferrari Testarossa Pininfarina Spider – Quelle: RM Sotheby’s

Abweichend vom weltweiten Gebot, 17-stellige Fahrgestellnummern zu verwenden, erhielten die Testarossa Spider von Pininfarina eigenständige Chassisnummern. Das hier gezeigte Auto ist beispielsweise „EFG092“. Neben den sieben nach Brunei ausgelieferten Wagen gab es dem Vernehmen nach noch wenige weitere Exemplare, die für besondere VIP-Kunden unter der Hand produziert wurden. EFG092 sollte ursprünglich nach Brunei gehen, landete jedoch beim ausliefernden Händler in Singapur im Lager und stand dort bis 2021 nahezu unbewegt herum. Somit erklärt sich auch, dass auf dem Tacho bisher lediglich 413 Kilometer stehen. Vom aktuellen Besitzer wurde der Spider nach Italien verschifft, wo Pininfarina für eine Neulackierung und eine Reparatur des Stoffverdecks sowie eine Auffrischung des Interieurs sorgte. Anschließend kümmerte sich die Firma Carrozzeria Zanasi in Maranello um alle technischen Komponenten. Alle Arbeiten zusammen kosteten rund 177.000 €. Morgen kommt der Ferrari Testarossa Pininfarina Spider bei RM Sotheby’s in London unter den Hammer. Experten des Auktionshauses erwarten dabei einen Zuschlagspreis im Bereich zwischen £ 1.400.000 und £ 1.800.000. Einen alten Arcade-Rennsimulator mit dem Spiel Out Run gibt es vermutlich deutlich günstiger.

Ferrari Testarossa Pininfarina Spider – Quelle: RM Sotheby’s
Ferrari Testarossa Pininfarina Spider – Quelle: RM Sotheby’s
Ferrari Testarossa Pininfarina Spider – Quelle: RM Sotheby’s