Fünf Bugatti-Klassiker in Molsheim

Das Örtchen Molsheim im Elsass spielt für die Markengeschichte von Bugatti eine wichtige Rolle. Hierhin zog Firmengründer Ettore Bugatti 1909 nach seiner Zeit bei Deutz in Köln, um eigenständige Fahrzeuge zu konstruieren und zu bauen. Bis zum Ersten Weltkrieg gehörte das Elsass noch zu Deutschland, erst hernach wurde es wieder Frankreich zugesprochen. Bis zum Zweiten Weltkrieg entstanden hier herausragende Automobile sowie einige weitere Konstruktionen, die bis heute unter Kennern geschätzt sind. Nach dem Krieg konnte Bugatti nicht an die glorreichen Vorkriegszeiten anknüpfen und musste alsbald die Pforten schließen. Nach einer kurzen Neuauflage in Italien zwischen Ende der 1980er und Mitte der 1990er Jahre, kehrte die Marke schließlich ab dem Jahr 2000 nach Molsheim zurück. Dort entstand nahe des Château Saint Jean, das Ettore Bugatti einst zur Begrüßung wichtiger Kunden nutzte, eine neue Manufaktur. Hierhin kehrten kürzlich fünf besondere Klassiker aus der Vorkriegszeit zurück.

Fünf Bugatti-Klassiker am Château Saint Jean – Quelle: Bugatti
Fünf Bugatti-Klassiker und Chiron Super Sport am Château Saint Jean – Quelle: Bugatti
Bugatti-Klassiker und Chiron Super Sport am Château Saint Jean – Quelle: Bugatti

Bei diesen sechs Fahrzeugen handelt es sich um unrestaurierte Bugatti aus der Sammlung des Schweizers Hans Matti. Er erwarb jedes einzelne Auto nach intensiver Recherche zur jeweiligen Geschichte. Diese Hintergrundinformationen vervollständigte er weiter, nachdem die Wagen bereits in seinem Haus parkten. Durch Originalfotografien, Zeitungsartikel, Werksmitteilungen, Bücher und weiteres Material konnte er fast jeden Kilometer, den seine Klassiker vor seinem Kauf zurückgelegt hatten, dokumentieren. Kein Wunder, dass er bei diesem Arbeitseifer zum offiziellen Archivar des Bugatti Club Suisse ernannt wurde. Darüber hinaus ist Hans Matti einer der kenntnisreichsten Experten auf dem Gebiet der Grand-Prix-Fahrzeuge von Bugatti aus den 1920er und 1930er Jahren. Über die vergangenen zweieinhalb Jahre hinweg fanden Verhandlungen mit einem neuen Besitzer statt, in die sich auch Caroline Bugatti, die Enkelin von Ettore Bugatti, mit einschaltete. Nun fand der Verkauf statt und die fünf Klassiker besuchten auf dem Weg zur neuen Sammlung ihren Entstehungsort in Molsheim.

Bugatti Typ 51 und Chiron Super Sport an der Bugatti Manufaktur – Quelle: Bugatti
Bugatti Chiron Super Sport und Typ 51 am Château Saint Jean – Quelle: Bugatti
Bugatti Typ 35B – Quelle: Bugatti
Bugatti Typ 51 – Quelle: Bugatti

Die Sammlung umfasst einen Typ 35A, einen Typ 35B, einen Typ 37A, einen Typ 49 Faux Cabriolet und einen Typ 51. Jedes dieser Fahrzeuge ist auf seine Weise einzigartig. So enthält der Typ 35A den einzigen erhalten gebliebenen Motor nebst Fahrgestell und die einzige noch bekannte Hinterachse eines Typ 36. Von diesem Modell entstanden nur zwei Exemplare in unterschiedlicher Ausführung speziell für Rennen auf dem unebenen aber zugleich ultraschnellen Rennkurs von Montlhéry nahe Paris. Beide Fahrzeuge wurden später zerstört, übrig blieben nur die oben genannten Komponenten, die vom Werk in diesen Typ 35A montiert wurden. Der Typ 35B aus der Sammlung hat einen engen Bezug zum ebenfalls dazugehörenden Typ 51. Letzterer begann seine Existenz als einer der letztgebauten Typ 35B und wurde unter anderem vom Werksrennfahrer Louis Chiron in einigen Rennen bewegt. Da Bugatti die Fahrzeuge stets weiterentwickelte, entstand aus dem Typ 35B der neue Typ 51 mit neuem Motor, der nun zwei obenliegende Nockenwellen erhielt. Motor Nummer eins gelangte in dieses Fahrgestell und diente damit Achille Varzi und anderen Rennfahrern in Monaco, Monza oder bei der Targa Florio als Einsatzgerät. Der ursprünglich verbaute Motor landete in einem anderen Typ 35B, den Bugatti als Neuwagen an einen Privatkunden verkaufte. Man ahnt es bereits: es ist genau jener Typ 35B, der Teil dieser Sammlung ist.

Bugatti Typ 49 Faux Cabriolet – Quelle: Bugatti
Bugatti Typ 37A – Quelle: Bugatti
Bugatti Typ 35A mit Teilen vom Typ 36 – Quelle: Bugatti

Auch der Typ 37A ist ein Rennfahrzeug. Diese Modellreihe übernahm die beim zweiten Typ 36 eingeführte Kompressoraufladung und nahm erfolgreich an diversen Rennen teil. Insgesamt entstanden 76 Exemplare. Die individuelle Geschichte inklusive aller Renneinsätze von diesem speziellen Fahrzeug ist bis zurück zum Erstbesitzer im Jahr 1929 zurückverfolgbar. Bleibt noch der Typ 49, der hier mit einer sogenannten Faux Cabriolet Karosserie ausgestattet ist. Dieses Fahrzeug gehörte ursprünglich Jean Bugatti, dem Sohn von Ettore Bugatti, der zusammen mit seinem Vater diverse Modellreihen und Motoren entwickelte. Seine Initialen JB finden sich bis heute auf den Türen. Hans Matti konnte nachweisen, dass dieser Typ 49 einst gemeinsam mit dem Typ 51 aus der gleichen Sammlung vom Werk zu den ersten privaten Besitzern transportiert wurde. Alle fünf Autos bleiben in ihrem heutigen, unrestaurierten Zustand erhalten. Der neue Besitzer erlaubt zudem Bugatti immer mal wieder einen Blick auf die Raritäten, um für neue Projekte Inspirationen zu sammeln.