Mercedes-Benz 500 SEL 5.0 AMG Blueberry

Fahrzeuge aus der Frühzeit des heutigen Mercedes-Haustuners AMG werden in den letzten Jahren immer wertvoller. Besonders die großen Limousinen der E- und S-Klassen aus den 1980ern sind zu gesuchten Sammlerautos geworden. Wenn dann auch noch eine besondere Historie vorliegt, springen die Preise noch einmal ein Stück höher. RM Sotheby’s versteigert aktuell über die Sealed-Plattform der eigenen Webseite einen 500 SEL 5.0 AMG mit dem schönen Spitznamen ‚Blueberry‘, den die Limousine aufgrund der relativ umfassenden Lackierung in ‚Lapisblau metallic‘ trägt. AMG war damals dafür bekannt, auf Wunsch auch die sonst verchromten Zierleisten, die Scheibenwischerarme und die Felgen in Wagenfarbe zu lackieren. Diese Optionen finden sich bei ‚Blueberry‘ ebenfalls wieder. Das Auto stammt aus dem Erstbesitz des ehemaligen Gründers und CEO von AMG North America, Richard Buxbaum. Er und seine Ehefrau Robin erhielten den 500 SEL 1984 als Weihnachtsgeschenk von AMG-Mitbegründer Hans-Werner Aufrecht.

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Wie bereits beschrieben erhielt dieser 500 SEL 5.0 AMG die blaue Karosseriefarbe auch auf diversen Anbauteilen. So zeigen sich der Kühlergrill, die Scheibenwischerarme an Windschutzscheibe und Scheinwerfern, die Spoilerlippen an Frontschürze und Kofferraumklappe, die Schwellerverkleidungen und die Innensterne der Leichtmetallräder in Wagenfarbe. Ebenso verhält es sich mit dem vorderen Mercedes-Stern und den hinteren Modellschriftzügen. Mit diesen Umfängen traf AMG in den 1980ern voll den Nerv der damaligen wohlhabenden Kundschaft, die möglichst wenig Chrom an ihren Fahrzeugen wünschte. Zugleich konzentrierte man sich in Affalterbach auch auf die Technik unter der Motorhaube. Ab Werk hatte der fünf Liter große V8-Motor eine Leistung von 230 PS. AMG verbaute eine Sportabgasanlage inklusive neuem Schalldämpfer, handgefertigte Ansaugrohre sowie ein Sperrdifferenzial an der Hinterachse.

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Ab 1981 stieg die Nachfrage nach AMG-Produkten in den USA sprunghaft an. Dies führte in Affalterbach dazu, dass man nach einem geeigneten Mann für eine US-Dependance suchte und diesen in der Person von Richard Buxbaum fand. Buxbaum führte zuvor den Autohandel Classic Motors in Westmont, Illinois, und baute diesen nach einem Treffen mit Hans-Werner Aufrecht zu AMG North America aus. Im Frühjahr 1984 beschwerte sich Buxbaum darüber, dass es schwierig sei, S-Klasse-Fahrzeuge in schönen Farben zu finden. Er importierte von AMG in ganz Europa aufgekaufte Mercedes-Fahrzeuge in die USA, um diese dort mit AMG-Teilen zu veredeln und zu verkaufen. Gerade die Limousinen der S-Klasse waren jedoch häufig in gedeckten Farbtönen lackiert und nicht in auffallenden, frischen Farben, die von der Kundschaft angefragt wurden. Umlackierungen waren zwar möglich, aber teuer und aufwändig. Hans-Werner Aufrecht gelang es, im Juli 1984 diesen 500 SEL in Lapisblau metallic beim Autohaus Karl Russ ausfindig zu machen und kaufte ihn auf der Stelle. Sein Plan war es, den Wagen exklusiv für Buxbaum umzubauen und ihn dann zusammen mit einem Schwung weiterer Autos im Frühjahr 1985 zu ihm in die USA zu exportieren, wobei Buxbaum nur gesagt wurde, dass ein 500 SEL in seltener Lackfarbe bei der Lieferung dabei sei. Vom Umbau erfuhren er und seine Frau erst, als das Auto in den USA angekommen war. Als Richard und seine Frau Robin im Dezember 1984 zu einem ihrer vielen Besuche in Affalterbach waren, wurde „Blueberry“ gut versteckt, da der Umbau noch nicht fertig war und die „Enthüllung“ bewusst nicht live, sondern per Fax geschehen sollte. Da Hans-Werner Aufrecht den Buxbaums weder zuvor noch nach diesem Fahrzeug jemals mehr als ein Paar Socken geschenkt hatte, war die Überraschung im Januar 1985 natürlich umso größer, als ein erklärendes Fax in den USA einging. Der Wagen folgte auf dem Seeweg im März des gleichen Jahres.

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Neben den bereits erwähnten Modifikationen an der Karosserie und dem Motorumbau erhielt dieser 500 SEL auch ein Upgrade im Interieur. Hellgraues Leder ersetzte hier die eigentliche Velours-Ausstattung. Hierzu zählt auch das inzwischen gesuchte Vierspeichen-AMG-Lenkrad. Für die speziellen Türverkleidungen wandte sich AMG damals an den in Leonberg beheimateten Tuner Gemballa. Robin und Richard Buxbaum konnten den Wagen im April 1985 endlich offiziell zulassen und genossen ihn in den kommenden 15 Monaten auf etwas mehr als 15.000 Meilen. Dabei diente er sowohl als Schulbus für ihre drei Kinder als auch als Kundenshuttle vom Flughafen O’Hare zu AMG North America. Im Juni 1986 erhielt Buxbaum vom amerikanischen Milliardär Rick Cohen eine Anfrage nach einer S-Klasse in außergewöhnlicher Farbe, woraufhin er ihm „Blueberry“ anbot und direkt eine Zusage erhielt. Cohen nutzte den 500 SEL 5.0 AMG in den folgenden fünf Jahren als Dienstwagen. Anschließend tauschte er das Auto bei Buxbaum gegen einen nagelneuen 500 SEL 6.0 AMG aus. Nur wenig später stand sein Haus- und Hofmechaniker John Quay in Buxbaums Showroom, um den blauen SEL seines Kunden zu erwerben und die 900 Meilen nach Vermont zurückzufahren. Bis 2007 bewegte er das Fahrzeug hauptsächlich bei schönem Wetter am Wochenende und legte so nur rund 12.000 weitere Meilen damit zurück. Von 2007 bis 2022 stand das Auto fast unbewegt in einer trockenen Garage auf seinem Grundstück. Dann fand es seinen Weg zurück in den Besitz von Richard Buxbaum, der „Blueberry“ nie vergessen hatte und bei Quay jedes Jahr angerufen und nach dem Auto gefragt hatte. Er restaurierte die Limousine zurück in den Auslieferungszustand von 1985. Rund 120.000 US-Dollar und eine Neulackierung der unteren Fahrzeughälfte später steht das Auto nun bei RM Sotheby’s bereit, um einen neuen Besitzer zu finden. Die Experten des Auktionshauses bemessen den Wert dabei zwischen 150.000 und 200.000 US-Dollar.

Bilder: Jeremy Cliff für RM Sotheby’s