Techno Classica Essen 2023

Inzwischen liegt diese Oldtimermesse bereits zwei Wochen zurück. Und doch möchte ich sie hier auf meinem Blog nicht unerwähnt lassen, immerhin handelt es sich um eine der größten derartigen Veranstaltungen in Deutschland. Die Rede ist natürlich von der Techno Classica in Essen, also nur rund 20 Minuten von meiner Wohnung entfernt. Meine Heimmesse also. Ein Ort, wo ich mich seit Jahren wohlfühle, da ich hier Gleichgesinnte treffe, die, wie ich, klassisches Blech und automobile Überraschungen lieben. Denn eines ist hier fast so sicher wie das Amen in der Kirche: In den zahlreichen Hallen des Essener Messegeländes verbirgt sich immer mindestens ein Fahrzeug, dass man nicht erwartet hätte. Und ohne hier in einen Spoileralarm zu verfallen: dieses ungeschriebene Gesetz wurde auch 2023 eingehalten.

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Ein wenig schade ist der spürbare Rückgang der Stände von großen Autoherstellern, die vor der Corona-Pandemie in Essen ihre Klassikerabteilungen präsentierten. Zwar waren erstmals seit 2019 Mercedes-Benz, Volkswagen, Volkswagen Nutzfahrzeuge, Audi, Škoda und die AutoStadt aus Wolfsburg wieder vertreten. Porsche, BMW, Mini, Rolls-Royce, Jaguar, Land Rover, Peugeot, Citroën, Fiat, Lancia, Alfa Romeo und Volvo suchte man jedoch erneut vergeblich – zumindest wenn man die Hersteller selbst meinte. Dies bedeutete jedoch zum Glück nicht, dass die Hallenflächen deshalb leer geblieben wären. Nachdem oben schon ein Überblick über Halle 3, die größte Fläche in Essen, zu sehen ist, beginnen wir unseren virtuellen Rundgang auch genau dort.

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Volkswagen Nutzfahrzeuge präsentierte unter anderem einen komplett nachgebauten Plattenwagen aus dem Jahr 1946. Diese Fahrzeuge dienten im VW-Werk in Wolfsburg als Transporter für Teile entlang der Produktionsstraße. Sie basierten auf dem Fahrgestell des Kübelwagens Typ 82, verlagerten den Fahrer jedoch hinter die Ladepritsche. Der Legende nach sah der niederländische VW-Importeur Ben Pon diese Plattenwagen bei einem Werksbesuch und wurde durch sie zu einem Entwurf für ein Nutzfahrzeug mit Käfer-Technik inspiriert – den späteren VW Bus T1. Ein solcher in besonderer Ausprägung stand ebenfalls in Essen. Der „Raupen-Fuchs“ entstand Anfang der 1960er Jahre in Österreich unter der Leitung von Kurt Kretzner für den alpinen Gebrauch. Hierfür erhielt der Wagen vier Achsen, von denen zwei mit Reifenketten verbunden wurden. Mehr als vier Jahre Arbeit flossen in das Projekt, das Kretzner eigentlich in Kleinserie in den Verkauf bringen wollte. Letztlich entstanden jedoch nur zwei fahrbereite „Raupen-Füchse“. Diesen hier restaurierte Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer ab Ende 2018 komplett.

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Direkt nebenan bei Audi standen zwei Themen im Mittelpunkt. Zum einen blickten die Ingolstädter auf den legendären quattro und die damit errungenen Rallye-Erfolge zurück. Hierfür brachten sie eigens zwei Erstlingswerke mit, nämlich jenen quattro, der 1980 als Vorwagen zwar unter Wettbewerbsbedingungen aber nicht in Wertung erstmals an einer Rallye teilnahm – und dabei bereits deutliche Bestzeiten setzte. Hinzu kam der allererste Sport quattro S1 E2. Als zweites Thema betrachtete Audi den TT, dessen Bauzeit in diesem Jahr – wohl endgültig – zu Ende geht.

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Auf dem Gemeinschaftsstand des Volkswagen Konzerns standen auch vier besondere Fahrzeuge von Škoda im Rampenlicht. Neben einem Fabia aus der Rallye-Weltmeisterschaft (WRC) waren dies ein 1928 in Lizenz gebauter Hispano-Suiza 25/100 PS in edlem Dunkelblau, ein golden lackierter Superb OHV sowie der kürzlich komplett restaurierte und dabei teilrekonstruierte 1100 OHC Coupé mit einer Aluminiumkarosserie über einem Gitterrohrrahmen.

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Volkswagen selbst feierte das 50-jährige Jubiläum des Passat und zeigte aus diesem Anlass den ältesten noch erhaltenen Wagen dieser Baureihe. Das Schrägheckmodell aus dem Jahr 1973 trägt die Fahrgestellendnummer 3. Aus der AutoStadt in Wolfsburg rollten einige besondere Meilensteine der Automobilgeschichte nach Essen, darunter ein früher Porsche 356.

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Abgesehen vom VW-Konzern waren keine weiteren Herstellerstände in Halle 3 aufgebaut. Stattdessen fanden sich hier Zulieferer und Dienstleister wie Versicherungen oder Lackhersteller sowie Oldtimerhändler. Neben Ferrari Eberlein aus Kassel und Saturski aus Frankfurt am Main, deren Standflächen seit Jahren an gleicher Stelle im Hallenplan eingetragen werden, gab es auch einige Neuzugänge in der Ausstellerliste. So entstand kürzlich im niederländischen Druiten das Oldtimerzentrum Metropole, für das mit einer überdimensionalen Matchbox-Display geworben wurde. Auch klassische Japaner kommen auf der Techno Classica immer mehr zur Geltung. Beispielsweise präsentierte die RTL-2-Autosendung Grip einen klassischen Toyota Land Cruiser neben einem Celica Cabriolet.

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Der schwedische Exotenhändler Motikon konnte erneut mit besonderen Exponaten überzeugen. Von Klassikern wie einem Aston Martin DB4 GT reichte das Angebot bis hin zu zwei Nissan Skyline GT-R Rennfahrzeugen aus der JGTC, einem BMW M3 GT, einem Jaguar XJ220 sowie einem Porsche Carrera GT. Letzterer gehörte bis vor kurzer Zeit noch einem Sammler aus Solingen. Es war also fast eine Heimkehr.

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In der Galeria, jener großzügig verglasten Verbindungshalle zwischen den eigentlichen Ausstellungshallen, standen neben dem Alfa Romeo Club auch einige Veranstalter von Oldtimer-Events wie dem Oldtimer Grand Prix oder größeren Ausfahrten. Sie machten mit besonderen Klassikern als Eye-Catchern auf sich aufmerksam.

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Halle 4 (früher, vor der Umstellung der Hallennummerierung in Essen, als Halle 7 bekannt) war einmal die Heimat der großen Stände des VW-Konzerns. Dann kam Corona und alles wurde anders. Inzwischen ist hier während der Techno Classica ein privater Indoor-Automarkt beheimatet. Zusätzlich brachten die Veranstalter dieses Jahr einige VW Clubs in dieser Halle unter, wodurch speziell der legendäre Käfer zur Geltung kam. Neben einer absoluten Rarität, die in den 1950er Jahren für die Polizei gebaut wurde, wies der Club der Ultimá Edicion auf das inzwischen 20 Jahre zurückliegende Produktionsende des freundlichen Krabbeltiers hin.

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Die Hallen 5 und 6 erhielten vor einigen Jahren eine umfangreiche Renovierung und Erweiterung. Seither haben hier während der Techno Classica hochwertige Händler ihren Platz. Zudem stellt die SIHA als Ausstellervereinigung und Ausrichter der Messe jährlich eine schöne Sonderausstellung zusammen. Bei den Händlern finden sich Fahrzeuge aus allen Jahrzehnten der Automobilgeschichte. Neben feinen und inzwischen wertvollen Bugatti gab es diesmal beispielsweise auch eine Rarität aus Spanien, nämlich den Pegaso Z-102. Tatsächlich sogar gleich zwei Exemplare, nämlich einmal einen grünen Vorserienwagen und zudem ein weißes Coupé mit Karosserie von Touring, zu dem wir gleich noch kommen.

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Zuvor werfen wir einen kurzen Blick auf die diesjährige Sonderausstellung. Diese widmete sich dem 60-jährigen Markenjubiläum von Lamborghini und zeigte aus diesem Anlass sechs Klassiker aus Sant’Agata. Vergleicht man dies mit vorherigen Ausgaben der Techno Classica und den entsprechenden SIHA-Sonderausstellungen, ist dies jedoch fast eine kleine Enttäuschung. An gleicher Stelle standen nämlich auch schonmal mehr als 20 Exponate. Vielleicht entwickelt sich dieser Bereich in den kommenden Jahren wieder zu alter Größe.

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Neben dem bereits erwähnten zweiten Pegaso Z-102 gab es auch weitere Sportwagenklassiker der 1940er und 50er Jahre zu entdecken. Und das war wörtlich gemeint, denn der niederländische Oldtimerhändler Gallery Aaldering erhielt vor kurzem Zugang zu einer seit Jahrzehnten unter Verschluss gehaltenen Sammlung, deren Inhalte nun durch Staub und Dreck wie Scheunenfunde anmuten. Demnächst werden diese Autos öffentlich versteigert.

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Eingangs sprach ich bereits über absolute Überraschungen. Hier sehen wir eine davon. Zagato erstellte vor rund zehn Jahren den Mostro auf Basis von Technikkomponenten von Maserati. Kürzlich entstand als Abrundung dieses Programms auch eine Spider-Variante ohne Verdeck, die nun auf der Techno Classica auftauchte. In edlem Dunkelblau mit zweifarbiger Lederausstattung sieht dieser Sportwagen gar nicht so monströs aus, wie es der Name verlauten lässt.

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Historische Rennfahrzeuge gibt es auf der Techno Classica traditionell auch immer wieder zu sehen. Zwei Beispiele der 2023er Ausgabe waren dieser Lancia Stratos HF sowie der BMW 320 Turbo aus der legendären Gruppe 5. Hinzu kamen einige Formel-Rennwagen sowie klassische Touren- und Rennsportautos diverser Jahrzehnte.

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Auf den Freigeländen befindet sich während der Techno Classica üblicherweise die (mehr oder weniger) private Fahrzeugbörse für Old- und Youngtimer aller Art. Wetterbedingt war ich in diesem Jahr jedoch nur kurz draußen unterwegs, konnte dabei aber immerhin einen auf den ersten Blick sehr gut erhaltenen Ford Granada vor die Linse nehmen.

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Wieder drinnen angekommen ging es noch in die Hallen 7 und 8, um den östlichen Teil der Techno Classica gesehen zu haben. Während Halle 8 inzwischen rein den Marken- und Modellclubs vorbehalten ist, geht es in Halle 7 ebenso wie in den Hallen 5 und 6 rein um den Handel mit Klassikern und Exoten. Zwei herausragende Exponate waren dabei aus meiner Sicht der gelbe Porsche 917 K81, der 1981 (also volle elf Jahre nach dem ersten Porsche-Gesamtsieg in Le Mans mit diesem Wagentyp) vom Kölner Kremer Racing Team aus Ersatzteilen neu aufgebaut wurde. Einsätze bei den 24 Stunden von Le Mans und den 1000 Kilometern von Brands Hatch blieben zwar ohne Erfolg, markieren jedoch zugleich die letzten beiden Rennen, an denen ein 917 außerhalb des historischen Motorsports teilnahm. Beim Oldtimerhändler Thiesen gab es derweil einen von nur 100 gebauten Morgan Aeromaxx zu kaufen.

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Ein kurzer Blick zu den Clubs bestätigte einen Eindruck, der sich bereits im vergangenen Jahr eingestellt hatte: Wirklich interessant gestaltete Displays gab es erneut nur in geringer Zahl. Das aus meiner Sicht witzigste fand sich in Halle 2 beim Club der Opel Kadett und Commodore B Freunde. Hier gingen die Autos im Rahmen einer Poolparty baden.

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Blieb zur Abrundung des Rundgangs noch der Abstecher in Halle 1. Neben den großen Auktionshäusern RM Sotheby’s und Broad Arrow, die hier jeweils demnächst zur Versteigerung anstehende Autos ausstellten (beispielsweise einen seltenen Toyota 2000GT), fiel vor allem das Display des Schweizer Oldtimerhändlers Lukas Hüni ins Auge. Hier reihten sich Klassiker aus dem Hause Ferrari aneinander und ergaben einen Gesamtwert, bei dem manchem Versicherungsvertreter vermutlich kurzzeitig schwarz vor Augen wird.

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Auch deutsche Klassiker gab es natürlich zu sehen. Neben Myriaden an Porsche 911 fielen drei BMW 507 (zwei davon am Stand von Axel Schuette) sowie ein Audi 200 aus der amerikanischen IMSA-Rennserie besonders ins Auge.

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Zur großen Freude vieler Fans war Mercedes-Benz wieder mit einem Werksstand auf der Techno Classica vertreten. Dieser fiel zudem sogar größer aus als auf der Heimatmesse Retro Classics in Stuttgart. Neben dem letzten je gebauten 600 aus der Baureihe W100, dem legendären Auto der Kaiser, Könige und Regierungschefs zwischen 1964 und 1981, gab es auch einen Blick auf den 300 SL Roadster sowie eine absolute Rarität. Zwischen 1998 und 2002 entstanden bei der HWA AG insgesamt 28 Exemplare des CLK GTR, der als Rennfahrzeug in der GT1-Kategorie an den Start gegangen war. Neben 2 Coupé-Prototypen und 20 Serienautos gab es zuletzt den offenen Roadster, der völlig ohne Wetterschutz zu den Kunden rollte. Hiervon entstanden sechs Fahrzeuge für Kunden in aller Welt sowie ein Vorserienauto, das erst in Werkshand verblieb und inzwischen zur Sammlung Loh gehört. Zu guter letzt zeige ich noch eins meiner absoluten Highlights der diesjährigen Techno Classica. Es handelt sich um Ferrari-Modellautos im Maßstab 1/87, also der klassischen H0-Baugröße von Spielzeugeisenbahnen. Allerdings verfügten die auf der Messe von einem Sammler präsentierten Modelle über derartig viele Details, dass sich die Radmuttern abschrauben und die Hauben öffnen ließen. Fast meinte man, mit einem Tröpfchen Öl und Benzin die Triebwerke in Gang setzen zu können.

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Bilder: Katrin und Matthias Kierse