Manchmal hätte alles so schön sein können, wenn nicht irgendetwas dazwischen gekommen wäre. So auch beim Audi R8. Der Mittelmotorsportwagen wird seit 2006 angeboten und läuft seit 2015 in der zweiten Modellgeneration vom Band. Neben dem Coupé und dem Spyder für die Straße gibt es die sehr erfolgreiche GT3-Rennversion. Als für das Jahr 2020 eine neue GT2-Kategorie ausgeschrieben wurde, die sich ausschließlich an Kundenteams und Privatfahrer richten sollte, sprang Audi Sport auf diesen Zug auf und entwickelte eine entsprechende Variante des R8. Doch kurz nach der Weltpremiere geschah etwas, das niemand vorhersehen konnte: die weltweite Corona-Pandemie legte so gut wie jede Rennsportveranstaltung des Jahres lahm. Erst ein Jahr später konnte die Organisatorengruppe SRO die neue GT2 European Series an den Start gehen lassen. Das Interesse solventer Kunden hält sich jedoch bis heute in Grenzen. In der Saison 2023 standen immerhin 27 Autos am Start, die sich aber auf sechs Automarken aufteilten.
Mit anderen Worten: bei Audi standen ungenutzte Chassis für den R8 LMS GT2 herum, während zeitgleich das Produktionsende der Baureihe immer näher rückt. Was also tun? Manchmal braucht man in solchen Situationen Ideen von externen Leuten. Bereits vor mehr als zwei Jahren trat der Tuner ABT an Audi heran und legte Pläne für eine straßenzugelassene Variante des Rennwagens vor. Es dauerte einige Monate und diverse interne Abstimmungsschleifen, bevor alle nötigen Zusagen und Unterschriften vorhanden waren. ABT erhält neben einigen Chassis für Prototypen insgesamt 99 rollfähige Fahrzeuge, die zum ABT XGT aufgebaut werden und an Kunden verkauft werden sollen.
Während die GT3-Variante auf dem Coupé basiert, entwickelte Audi den R8 LMS GT2 auf Basis des Spyder mit einem fest verschraubten Carbon-Hardtop inklusive Lufthutze. Diese Dachkonstruktion ist um einige Kilogramm leichter als die des Coupés und hilft damit, den Schwerpunkt zu senken. Auch andere Karosserieteile wie die vordere Haube oder die komplett abnehmbare Motorabdeckung bestehen aus Kohlefaser. Eine große Frontspoilerlippe, seitlich an der Frontschürze angebrachte Aeroflics, die weit heruntergezogenen Seitenschweller, der an zwei Schwanenhalshaltern aufgehängte Heckflügel und der große Diffusor sorgen für reichlich Anpressdruck.
ABT entwickelte den XGT gemeinsam mit Scherer Sport am Nürburgring. Über den Sommer 2023 hinweg konnten dort, speziell auf der Nordschleife, auch immer wieder Prototypen des Supersportwagens gesichtet werden, die im Internet interessanterweise häufig fälschlich als Straßenversion des GT3-Rennwagens bezeichnet wurden. Offenbar ist der R8 LMS GT2 nicht bekannt genug. Hinter den beiden Passagieren, die in Sportschalensitzen mittels Sechspunktgurten am Platz gehalten werden, werkelt der bekannte V10-Saugmotor von Audi. Im XGT darf er zeigen, was in ihm steckt, was zu einer Leistungsentfaltung von 470 kW/640 PS führt. Diese treffen auf lediglich 1.400 Kilogramm Leergewicht. Damit bringt der ABT XGT 170 Kilogramm weniger auf die Waage als der Audi R8 GT RWD, den die Ingolstädter als (vermutlich) letztes limitiertes Sondermodell der Baureihe anbieten. Wie dieser verfügt auch der XGT nur über Hinterradantrieb. Neben vier Serienfarben und der Möglichkeit, eine Heritage-Farbgebung im Stil der 1980er Jahre zu bestellen, können interessierte Kunden ihren Wagen auch in jeder beliebigen Sonderfarbe ordern. Der Grundpreis liegt bei 598.000 € (inkl. MwSt.).
Bilder: ABT