Austro-Daimler ADS R bei der Targa Florio 1922

Schon eine ganze Weile habe ich überlegt, was ich wohl als 100. Artikel hier in meinem Blog bringen werde. Heute wurde mir die Entscheidung abgenommen, indem Porsche einen tollen Pressetext nebst schönen Bildern zu einem sehr interessanten Fahrzeug veröffentlicht hat. Auf dem Typenschild taucht zwar der Markenname Porsche nirgendwo auf, dennoch hat der Austro-Daimler ADS R, der bereits zur Präsentation den Spitznamen „Sascha“ erhielt, engen Bezug zum Hause. Dieser ist darin zu begründen, dass Ferdinand Porsche als leitender Entwickler hinter diesem Rennfahrzeug steckte. Damit startete die Ahnenreihe leichter und erfolgreicher Sportwagen. Doch am besten beginnt man bei dieser Story wie so oft ganz am Anfang.

Austro-Daimler ADS R „Sascha“ – Quelle: Porsche
Austro-Daimler ADS R „Sascha“ – Quelle: Porsche
Austro-Daimler ADS R „Sascha“ – Quelle: Porsche
Austro-Daimler ADS R „Sascha“ – Quelle: Porsche

Als Ferdinand Porsche 45 Jahre alt war, lernte er Alexander Joseph Graf Kolowrat-Krakowsky kennen, der sich unter Freunden schlicht „Sascha“ rufen ließ. Der Graf war ein großer Rennsportfan und sprach den bereits als Auto-Entwickler bekannten Ferdinand Porsche auf einen Herzenswunsch an. Er wollte einen Kleinwagen in großer Stückzahl bauen, den sich möglichst viele Kunden leisten können sollten. Diese Idee kommt eventuell einigen Autofans unter den Lesern sehr bekannt vor. Sie kam einige Jahre später erneut auf und traf erneut mit dem Entwicklungsgenie Ferdinand Porsche zusammen – das Ergebnis kennt man als Volkswagen Käfer. Im Jahr 1921, als Graf Sascha diesen Gedanken äußerte, waren Automobile noch das Spielzeug der Schönen und Reichen. Ferdinand Porsche arbeitete als Entwicklungsleiter bei Austro-Daimler in Österreich und musste dort erst einmal den Vorstand von dieser für damalige Zeiten mehr als ungewöhnlichen Idee überzeugen. Als Porsche einwarf, dass Rennerfolge des leichten Fahrzeugs positive Effekte auf das Kaufverhalten der Kundschaft haben könnten, tauten die Herren langsam auf. Neben dem Serien-Viersitzer entstand auch die zweisitzige Rennvariante namens ADS R, die ab Werk den Beinamen „Sascha“ erhielt. Graf Sascha, der als Filmproduzent und Industriemagnat erfolgreich war, sicherte die komplette Finanzierung dieses Projekts zu.

Austro-Daimler ADS R „Sascha“ – Quelle: Porsche
Austro-Daimler ADS R „Sascha“ – Quelle: Porsche
Austro-Daimler ADS R „Sascha“ – Quelle: Porsche
Austro-Daimler ADS R „Sascha“ – Quelle: Porsche

Der ADS R „Sascha“ kam auf lediglich 598 Kilogramm Leergewicht. Unter der Motorhaube steckte ein neu entwickelter Vierzylindermotor mit 1,1 Litern Hubraum, 50 PS und zwei obenliegenden Nockenwellen. Dieser saß im Rennfahrzeug deutlich hinter die Vorderachse versetzt vor dem Cockpit. Damals noch sehr üblich war die Auslegung als Zweisitzer, um bei den Rennen einen Mechaniker mitnehmen zu können. Dieser war während der Fahrt für die Überprüfung des Ölstands und bei den Stopps für Reifenwechsel, Reparaturen und Betankungsvorgänge zuständig. Zwei Ersatzräder sitzen links und rechts vor dem Cockpit außen an der Karosserie. Insgesamt entstanden vier Exemplare des ADS R, die erst kurz vor der geplanten Rennteilnahme an der Targa Florio 1922 auf Sizilien fertig gestellt wurden. Auf der Zugfahrt nach Süditalien lackierten die Mechaniker des Austro-Daimler-Teams die Wagen in Rot, der italienischen Rennfarbe. Auf diese Weise wollte man verhindern, dass sie sofort als ausländische Modelle erkannt und möglicherweise gestohlen werden. Um sie aus der Entfernung heraus besser unterscheiden zu können, ließ Graf Sascha vorn und seitlich die Motive von Spielkarten auflackieren. Sein Auto erhält Herzen, das des späteren Mercedes-Benz-Rennleiters Alfred Neubauer Karos, das von Fritz Kuhn erhielt das Pik und der vierte Wagen von Lambert Pöcher Kreuze.

Austro-Daimler ADS R „Sascha“ – Quelle: Porsche
Austro-Daimler ADS R „Sascha“ – Quelle: Porsche
Austro-Daimler ADS R „Sascha“ – Quelle: Porsche

Im Abstand von zwei Minuten gingen die Teilnehmer der Targa Florio auf die Piste. Dabei starteten die hubraumschwächsten Klassen zuerst. Austro-Daimler war in der Klasse bis 1,1 Liter gemeldet. Das Rennen ging für jeden Teilnehmer über vier Runden mit einer Rundenlänge von 108 Kilometern. Insgesamt also 432 Kilometer, 6.000 Kurven und Steigungen bis zu 12,5 Prozent. Am Ende lag der bestplatzierte ADS R auf Gesamtrang 19 – Klassensieg! Die Durchschnittsgeschwindigkeit über die volle Distanz war dabei nur acht km/h geringer als beim Gesamtsieger mit deutlich größerem Triebwerk. Trotz dieses Erfolgs und weiteren 42 Klassensiegen bei 52 weiteren Rennen konnte sich der Vorstand von Austro-Daimler nicht zur Serienumsetzung des ADS durchringen. Ferdinand Porsche verließ daraufhin den österreichischen Hersteller und ging zu Daimler in Stuttgart. 1924 kehrte er mit der deutschen Marke zur Targa Florio zurück und erhielt für den eigens entwickelten Wagen und weitere Fahrzeuge die Ehrendoktorwürde der Universität Stuttgart. Sein Sohn Ferry Porsche nahm nach dem Zweiten Weltkrieg den Faden wieder auf und ließ Rennfahrzeuge der eigenen Sportwagenmarke Porsche auf Sizilien antreten. Bis zum Verbot dieses Rennens kamen elf Gesamtsiege zusammen, womit Porsche bis heute der erfolgreichste Hersteller dort ist.

Austro-Daimler ADS R „Sascha“ – Quelle: Porsche
Austro-Daimler ADS R „Sascha“ – Quelle: Porsche
Austro-Daimler ADS R „Sascha“ – Quelle: Porsche

Eines der vier Rennfahrzeuge von 1922 zählt seit den 1970er Jahren zur Werkssammlung von Porsche. Bereits in den 1950er Jahren rollte der ADS R offenbar für Reparaturen ins Porsche-Werk. Porsche reparierte das Fahrzeug zeitgemäß und gab es wieder an den Besitzer zurück. Anschließend stand der „Sascha“ offenbar jahrelang auf einem Bauernhof im Freien und wurde zum Teil ausgeschlachtet. In den 1970er Jahren übernahm Porsche das Auto für die hauseigene Sammlung. Eine kleine Metallplakette am Armaturenbrett verweist darauf, dass zuletzt 1975 eine Restaurierung durch die Lehrwerkstatt von Porsche stattgefunden hat. Danach stand es erst im alten und anschließend im neuen Museum in Zuffenhausen. Allerdings plagten das Auto diverse Standschäden. Nun nahm sich ein gemeinsames Team des Porsche Museums und von Porsche Heritage dem Wagen an. Schnell wurde dabei klar, dass der Motor komplett neu abgedichtet werden musste. Hinzu kamen Arbeiten an Fahrwerk und Bremsen. Etwas mehr als ein halbes Jahr später stand der Austro-Daimler ADS R „Sascha“ schließlich wieder fahrbereit auf seinen Rädern. Allerdings trägt er weiterhin die in den 70ern fälschlicherweise aufgetragene weiße Lackierung.