Manchmal fragen Freunde mich, welches Automuseum ich ihnen empfehlen kann. Da ich bei weitem noch nicht alle Museen weltweit, geschweige denn die in Deutschland, besucht habe, kann ich natürlich nur über die reden, in denen ich schon war. Und hier ragt eines weit hervor. Allerdings liegt es in einer Gegend, in die wohl nur wenige meiner Leser reisen. Weder München, noch Stuttgart oder gar Hamburg oder Berlin liegen in der Nähe. Einzig Leipzig (rund 80 km) und Dresden (rund 120 km) liegen im Umkreis. Die Rede ist vom August Horch Museum in Zwickau. Kaum zu glauben, aber genau hier und in diesen Hallen liefen erst Horch und später die Sachsenring-Trabant-Modelle vom Band. In der Nachbarschaft liegt zudem der Ursprung der Marke Audi.
Kurz zusammengefasst liest sich die Story so: August Horch begründete erst seine Marke Horch. Nach einigen Jahren geriet er mit der von ihm eingestellten Geschäftsführung aneinander und verließ die Firma. Unter seinem eigenen Namen durfte er jedoch keine neue Automarke gründen. Der Sohn eines Freundes brachte ihn darauf, dass sein Nachname auf Latein „Audi“ heißt und so kam es zur Neugründung unter diesem Namen. Fortan entstanden in Zwickau für eine Weile Fahrzeuge von zwei Marken. Im Juni 1932 sorgten einige Banken für einen Zusammenschluss von Audi, Horch, DKW und Wanderer zur Auto Union. Während alle vier Marken eigenständige Modelle entwickelten, erhielten die Rennfahrzeuge für die Grand-Prix-Klasse der 1930er Jahre den Konzernnamen. Hinter Opel war die Auto Union vor dem Zweiten Weltkrieg der zweitgrößte Autobauer in Deutschland.
Im August Horch Museum zeigen diverse Bereiche die gemeinsame Historie der vier Marken auf. So gibt es einen nachgestellten Messestand, wie er beispielsweise auf der IAA in Berlin hätte gezeigt werden können. Ebenso zeigt eine Ecke der Ausstellungsfläche einen Showroom eines Auto Union Händlers. Vor einem riesigen Markenemblem, den vier ineinander verschlungenen Ringen, steht zudem je ein Vertreter pro Marke. In den Zeiten des Zweiten Weltkrieges musste sich die Auto Union den Regeln des Dritten Reichs beugen und stellte Militärfahrzeuge her. Auch diese Ära wird im Museum nicht ausgespart, aber auch nicht glorifiziert. Genauso zeigt man in Zwickau auch die Kriegsfolgen und anschließend die weitere Geschichte der Automobil-Werke Zwickau (AWZ). Dazwischen gibt es jedoch einen Exkurs in die Welt des Motorsports vor dem Krieg. Außerdem erklären diverse Stationen technische Details.
Neben den legendären Silberpfeilen der Grand-Prix-Klasse stehen im August Horch Museum diverse weitere Rennwagen und Rennmotorräder im Rampenlicht. Dank einer engen Kooperation mit Audi Tradition beherbergt es unter anderem auch eine Replica des Wanderer W 25 Stromlinie. Die vier Originale zu diesem Fahrzeug entstanden 1938 für die Fernfahrt Lüttich-Rom-Lüttich im Folgejahr. Auf mehr als 5.000 Kilometern traten Straßenfahrzeuge gegeneinander an, wobei nur für Tankstopps angehalten werden durfte. Drei der vier gebauten Autos der Auto Union gingen an den Start und erreichten das Ziel. Allerdings gingen die Wagen im Krieg verloren. Vor rund 20 Jahren ließ Audi im nahen Zwönitz drei originalgetreue Repliken anfertigen, die allesamt auch fahrbereit sind und somit bei Klassikerveranstaltungen auch in Bewegung gezeigt werden.
In den Hallen der ehemaligen Horchwerke ging es nach dem Krieg weiter mit der Autoproduktion. Allerdings lag Zwickau nun in der sowjetischen Zone. Somit hatte die Firmenleitung der Auto Union, die nach Ingolstadt abgewandert war, keinerlei Kontrolle mehr über das Fabrikgelände. Stattdessen übernahm nach den Sowjets die Staatsregierung der neu begründeten DDR. Diese musste schnell einsehen, dass der Markenname Horch auch weiterhin der Auto Union gehörte und somit nicht mehr an PKW und LKW aus Zwickauer Fertigung angebracht werden durfte. Durch die schnell aufkommende Plan- und Mangelwirtschaft suchte man nach kostengünstigen Rohstoffen, um die Karosserien herstellen zu können. Tiefziehbleche standen auf der Embargo-Liste von Materialien, die nicht in die DDR exportiert werden durften. Man kam letztlich auf Duroplast, einen Kunststoff aus Baumwollkurzfasern und Phenolharz aus heimischer Braunkohle. Einzig das Gerippe für die Karosserieteile wurde aus Stahl hergestellt. Nach ersten Erfahrungen mit dem AWZ P70 lief schließlich die Fertigung des Sachsenring Trabant an. Auf den Urtyp P 50 folgten der P 60 (600) und schließlich der von 1964 bis 1990 fast unverändert gebaute P 601. Diesen finden Fans in diversen Varianten inklusive einem Filmfahrzeug aus „Go Trabi Go“ in der Ausstellung. Selbige endet mit einem Blick auf die heutige Zeit, in der Zwickau dem Volkswagen-Konzern als Produktionsstandort dient. Zudem befinden sich im Museum ein empfehlenswertes Restaurant und ein kleiner Shop. Erwachsene zahlen 11 € Eintritt.
Bilder: Matthias Kierse