Seit rund einem Monat bereichert eine neue Einrichtung die große Landschaft der Automuseen in Deutschland. Friedhelm Loh, Sohn des Gründers des Schaltschrankherstellers Rittal und CEO der Friedhelm Loh Group, machte seine riesige private Autosammlung in Teilen der Öffentlichkeit zugängig, indem er in den letzten Jahren in seiner hessischen Heimat Dietzhölztal ein mehr als sehenswertes Museum bauen ließ. Teilweise nutzt es bereits vorhandene Hallen eines ehemaligen Kesselbauers. Neben dem offiziellen Eingang, über dem in einem Glaskasten bereits ein erstes Exponat aus der jeweils aktuellen Sonderausstellung zu sehen ist, gibt es auch einen Innenhof mit zwei Bronze-Statuen, der für besondere Anlässe und enge Freunde als Parkplatz und Einlass dient.
Friedhelm Loh und seinem Team ist es wichtig, dass in diesem Museum nicht einfach nur irgendwelche Autos ausgestellt stehen. Es geht um den Bildungsauftrag, den eine solche Einrichtung stets erfüllen sollte. Daher verknüpfte man den Standort mit der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen und dient ab sofort als Hochschulcampus der Fakultät Wirtschaft und Recht. Darüber hinaus integrierte man die Geschichtswerkstatt Neuhütte Dietzhölztal e.V., in der auf die mehr als 2.500 Jahre andauernde Geschichte des umliegenden Gebiets als „Eisenland“ zurückgeschaut wird. Es geht in einem vierminütigen Film auf Großleinwand um die Entwicklung vom Eisen bis zum Auto, wodurch sich der Kreis zum Museum sehr gut schließt. In der eigentlichen Ausstellung geht es mit der Frühgeschichte der Automobile los. Neben der Replika eines Benz Patent-Motorwagens stehen auch ein originaler Benz Victoria Phaeton von 1895 und ein Lohner Elektro-Feuerwehrwagen mit Radnabenmotoren aus der Hand von Ferdinand Porsche.
Lohner Elektro Feuerwehrwagen
Galerie der Vorkriegs-Luxusfahrzeuge
Talbot-Lago T26 Grand Sport
Bucciali TAV8-32
Weiter geht es durch einen Bereich mit Luxusfahrzeugen der 1920er und 1930er Jahre. Große Namen wie Bentley, Maybach, Mercedes-Benz, Duesenberg oder Talbot-Lago kommen hier zur Geltung. Aber auch ein extrem seltener Bucciali mit sehr niedriger Karosserie (speziell für die damalige Zeit) steht hier im Rampenlicht. Zudem zeigen die Bereiche rundherum unter anderem den Eingang zu einer alten Werkstatt oder auch das alte Kinogebäude der Region, in dem große Filmklassiker gezeigt wurden. Heute kann man hier in Kurzfilmen einige Exponate kennenlernen. Diese lassen sich auch durch eine eigene Smartphone-App besser entdecken. Über museumseigenes WLAN können die Besucher sich einloggen und nach dem Eintritt in die Ausstellung per Scan des QR-Codes auf dem Ticket einige Zusatzfunktionen der App aktivieren. Vor den Autos sind ebenfalls QR-Codes auf den Schildern hinterlegt, die Zugriff auf diverse Informationen und Bilder ermöglichen. Für Besucher ohne eigenes Smartphone gibt es am Eingang Leih-Tablets. Selbstverständlich ist fast die gesamte Ausstellung zudem barrierefrei für Rollstuhlfahrer zu erkunden.
Der „Marktplatz“ – komplett in der Hand der Kleinsten
Fahrzeuge für die breite Bevölkerung
Nur wenige Meter hinter dem klassischen Kino öffnet sich der Raum in die Haupthalle. Auf einem Areal, das im Museumsführer als „Marktplatz“ ausgeschildert ist, stehen diverse Klein- und Kompaktfahrzeuge, hauptsächlich aus den 1950ern. Direkt dahinter schließt sich eine Steilkurve an, auf der von links nach rechts in halbwegs chronologischer Anordnung wichtige automobile Entwicklungen stehen. Dies umfasst Fahrzeuge wie den Rolls-Royce Silver Ghost, den Bugatti Typ 57, einen Tatra oder auch einen Volkswagen Käfer. Hinzu kommen zahlreiche seltene Sportwagen, wobei Friedhelm Loh hier großes Interesse an Fahrzeugen mit prominenten Vorbesitzern oder sehr früh gebauten Wagen bis hin zu Vorserienprototypen hat.
Bugatti Typ 57 Atalante
Porsche 356 Speedster
Jaguar XK-SS
AC Cobra, Ferrari 250 GT SWB und Facel Vega Facel II
Neben Jaguar XK-SS, AC Cobra, Lamborghini Miura SV oder Ferrari 512 BB taucht auch ein DeLorean DMC-12 auf, was bei den Fahrleistungen dieses Flügeltüren-Coupés eher erstaunt. Rasant wie in „Zurück in die Zukunft“ war die gebürstete Edelstahlkarosserie ab Werk leider nie.
Lamborghini Miura SV
DeLorean DMC-12, Lamborghini Countach LP400 und Ferrari 512 BB
DeLorean DMC-12
Mercedes-Benz 190 E 2.5-16 Evolution II
Die moderne Zeit repräsentieren ein Bugatti Veyron, ein Mercedes-Benz SLR McLaren Stirling Moss sowie ein extrem seltener Mercedes-Benz CLK GTR Roadster. Ihnen gegenüber stehen auf zwei Podesten und dazwischen auf dem Hallenboden weitere moderne Sportwagen und Luxusfahrzeuge. Passend zum Roadster besitzt die Loh Collection auch ein CLK GTR Coupé – ebenfalls ein Vorserienauto.
Mercedes-Benz SLR McLaren Stirling Moss, Bugatti Veyron und Mercedes-Benz CLK GTR Roadster
Mercedes-Benz CLK GTR Roadster, Bugatti Veyron und Mercedes-Benz SLR McLaren Stirling Moss
Mercedes-Benz CLK GTR, Mercedes-AMG One, Bugatti Veyron Super Sport und Ford GT40
Hinzu kommen ein Bugatti Veyron Super Sport, ein nagelneuer Mercedes-AMG One, ein klassischer Ford GT40 sowie sein moderner Nachfolger Ford GT von 2017, ein Maybach Xenatec Coupé und der einzigartige Maybach Exelero.
Bugatti Veyron Super Sport
Mercedes-AMG One und Mercedes-Benz CLK GTR
Maybach Exelero
Hinter der Steilkurve stehen diverse Rennfahrzeuge mit speziellem Schwerpunkt auf der DTM. In einem speziellen Hochregal sind weitere Sport- und Rennwagen untergebracht. Rund 90 Prozent der ausgestellten Autos im Museum sind innerhalb weniger Minuten fahrbereit. Daher kann es auch immer wieder sein, dass ausgestellte Exponate gegen Fahrzeuge aus dem Depot ausgetauscht werden. Auf diese Weise „lebt“ das Museum. Neben den rund 150 Auto-Exponaten im Museum gibt es noch diverse weitere, die „auf Abruf“ auch für kommende Sonderausstellungen herangezogen werden können.
Mercedes-Benz 190 E Klasse 1 Tourenwagen (DTM)
Mercedes-AMG C Coupé DTM
Ferrari 312 B3, Tyrrell Ford 012, McLaren Honda MP4/5 und McLaren Mercedes-Benz MP4/14
Neben den DTM-Rennwagen gibt es auch einige Formel-1-Boliden, darunter vier Ferrari, zwei McLaren und den Tyrrell, mit dem Stefan Bellof 1984 beinahe den Großen Preis von Monaco gewonnen hätte. Um Technik sichtbar und somit begreifbar zu machen, gibt es hinter dem „Marktplatz“ zudem eine Motorengalerie. Hier stehen vom Zweitakter bis zum Elektroantrieb aus dem Rimac Nevera diverse interessante Einheiten. Darunter auch der Fünfzylinder-Turbomotor mit Doppelkupplungsgetriebe aus dem Audi Sport quattro S1 E2 oder der gewaltige W16-Motor aus dem Bugatti Chiron.
Motor und Getriebe aus dem Audi Sport quattro S1 E2
Motor und Getriebe aus dem Bugatti Chiron
Neben der Dauerausstellung gibt es direkt im vorderen Bereich des Museums eine Sonderausstellungsfläche. Den Anfang macht noch bis Februar 2024 das Thema „24 Stunden von Le Mans“. Aufmerksame Leser wird es nicht erstaunen, dass die hier gezeigten 21 Fahrzeuge fast alle ebenfalls der Loh Collection gehören. Vom Bentley 4.5 Litre reicht die Spanne über einen Porsche 550 Spyder und einem Aston Martin DB4 GT Zagato bis hin zum Ferrari 365 GTB/4 „Daytona“ Competizione.
Bentley 4.5 Litre
Ferrari 250 S
Porsche 904 Carrera GTS und Porsche 550 A Spyder
Aston Martin DB4 GT Zagato und Ferrari 365 GTB/4 „Daytona“ Competizione
Aber auch weniger erfolgreiche Vertreter wie ein Ford Capri RS sind vertreten. Porsche 917 K und Sauber Mercedes-Benz C9 sowie zwei Versionen des Audi R8 sind ebenfalls vorhanden. Selbst der Bentley EXP Speed 8 und der Audi R18 finden sich.
Ferrari 330 P3/412P
Ford Capri RS
Porsche 917 K
Mercedes-Benz CLR und Sauber Mercedes-Benz C9
Audi R8C
Audi R8
Wenn Ihr jetzt Interesse an einem Besuch des Nationalen Automuseum – The Loh Collection haben, solltet Ihr folgendes beachten: Die Hauptausstellung geht Ende Oktober bis Ende März in die Winterpause. Die riesige Halle lässt sich nicht kostengünstig beheizen. Für Gruppenführungen gibt es jedoch Möglichkeiten, Termine abzustimmen. Derweil bleibt die Le Mans-Sonderausstellung noch bis Ende Februar offen. Möglicherweise folgt ab April das Thema „Ferrari“.
Bilder: Matthias Kierse