Bugatti EB112

In der Geschichte des Automobils gibt es immer wieder Stellen, an denen die Frage „was wäre gewesen, wenn…?“ zu interessanten Gedankenreisen führen kann. Als Romano Artioli Ende der 1980er Jahre die Marke Bugatti wiederbelebt hatte und mit dem EB110 einen neuen Supersportwagen auf die Straße gebracht hatte, sollte dies nicht das einzige Modell bleiben. Im Hintergrund arbeiteten die Techniker an einer luxuriösen Sportlimousine, deren Karosserieform von Giorgetto Giugiaro bei Italdesign gestaltet wurde. Da der Wagen 1993 zum 112. Geburtstag von Ettore Bugatti debütieren sollte, erhielt er die Bezeichnung EB112. Die Weltpremiere fand auf dem Genfer Autosalon statt und führte zu diversen Vorbestellungen. Um es jedoch direkt vorwegzunehmen: Zu einer Serienproduktion des EB112 kam es nie, da die Marke bereits 1995 durch verschiedene Entwicklungen in Richtung Insolvenz schlitterte.

BugattiEB112_01BugattiEB112_02

Insgesamt entstanden lediglich fünf Exemplare dieser Limousine, davon zwei als rollbare Tonmodelle. Oben ist eines davon zu sehen, das eine klassische blaue Lackierung erhielt. Drei Fahrzeuge liefen als Vorserienautos vom Band und sind heute in Privatbesitz. Sie alle unterscheiden sich in diversen kleinen Details. So zeigen nur das erste Tonmodell und der rote Vorserienwagen die Rückleuchten in der Heckschürze. Einige Wagen verfügen zudem über einen festen oder ausfahrbaren Heckspoiler.

BugattiEB112_03BugattiEB112_04BugattiEB112_05

Wie bereits beim EB110 nutzte auch der EB112 ein Monocoque aus Kohlefaser. Dieses Konstruktionsprinzip war 1993 eine völlige Neuheit im Feld der Luxuslimousinen. Als Designmerkmale der Vergangenheit übernahm Giugiaro den hufeisenförmigen Kühlergrill und die Blechkante, die über die volle Länge des Autos von der Motorhaube bis zum Kofferraumdeckel läuft – und dabei das Heckfenster zweiteilt. Als Antrieb nutzt der EB112 einen sechs Liter großen V12-Motor mit 60 Ventilen, dessen Kraft über ein manuelles Sechsgang-Getriebe auf den permanenten Allradantrieb übertragen wird. Dabei gelangen 38 Prozent der Motorleistung auf die Vorder- und 62 Prozent auf die Hinterachse. Im Gegensatz zum EB110 kommt bei der Limousine keine Turboaufladung zum Einsatz, weshalb die Leistung 460 PS und das Drehmoment 590 Newtonmeter beträgt. Dennoch versprach Bugatti eine Beschleunigungszeit aus dem Stand auf Tempo 100 in 4,3 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h. Für eine möglichst gute Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse rückte das Triebwerk möglichst weit Richtung Fahrgastraum, was zugleich die Crashsicherheit erhöhte.

CREATOR: gd-jpeg v1.0 (using IJG JPEG v62), quality = 75

BugattiEB112_07BugattiEB112_08

Selbst aus heutiger Sicht wirkt das Design des EB112 noch modern. Wohl nur eingefleischte Markenkenner wissen auf Anhieb das Alter dieser Konstruktion. Einige Details wie der große Kühlergrill fanden in ähnlicher Form später beim Veyron und Chiron den Weg in die Serie. Als Volkswagen die Marke ab 1998 in die moderne Ära hob, diente der EB112 als Inspirationsquelle für die Konzeptstudien EB118 und EB218. Auch zukünftig werden die Designer vermutlich immer mal wieder in die Geschichte der Marke und damit auch auf diese Sportlimousine zurückblicken, wenn es um die Gestaltung neuer Modelle geht.

BugattiEB112_09BugattiEB112_10BugattiEB112_11

Übrigens sind die drei fahrbereiten Fahrzeuge des Bugatti EB112 auch heute noch in privatem Besitz und werden (teils mehr, teils weniger) oft im öffentlichen Straßenverkehr bewegt. Tatsächlich hatte ich bereits das Glück, vor einigen Jahren ein Exemplar in Genf live zu sehen.

BugattiEB112_12

Bilder: Bugatti, Italdesign Giugiaro