Essen Motorshow 2023

Ende November oder Anfang Dezember ist es Jahr für Jahr soweit: die Essen Motorshow öffnet ihre Pforten für Autoliebhaber aus nah und fern, um das automobile Jahr abzuschließen. Was als Jochen Rindt Show mit reichlich Motorsportprominenz begann und zeitweise zum Schaulaufen aller Hersteller mit Rang und Namen avancierte, die in der Ruhrmetropole in der Adventszeit noch einmal alle Jahreshighlights auffuhren, ist inzwischen zum Tuning-Mekka geworden. 2023 ist tatsächlich kein einziger Autohersteller mehr mit einem eigenen Stand vor Ort (einzig Brabus wagt sich noch auf einen Gemeinschaftsstand in Halle 7). Wo sind sie geblieben, die großen Namen von einst? Offenbar gilt in den Marketingabteilungen inzwischen überall das Credo, dass Automessen out sind. Komischerweise sprechen die Besucherzahlen oftmals eine andere Sprache. Und auch die Hallenflächen der Essen Motorshow sind erneut recht gut gefüllt, was bedeutet, dass es durchaus andernorts weiterhin Interesse an diesen Veranstaltungen gibt.

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In den Hallen 1 und 2 geht es laut Ausstellungsplan um Old- und Youngtimer. Tatsächlich findet vor Ort seit Jahren eine immer größere Durchmengung der Standflächen mit Anbietern und Ausstellern statt, die offenbar in den anderen Hallen keinen Platz mehr gefunden haben. Natürlich gab es auch in den 1960er und 1970er Jahren bereits Tuning an Automobilen. Wenn man dazu jedoch Leichtmetallräder aus den aktuellen Programmen diverser Radhersteller sowie Anbauteile neuesten Datums sieht, passt das nicht zum Anspruch eines „Classic Salons“ innerhalb der Motorshow. Ebenso fraglich ist die Integration des „Ratten“-Tunings, bei dem Autos von ihren Besitzern bewusst hässlich gemacht werden. Durchaus schön war hingegen der Blick auf die diesjährige Sonderausstellung der SIHA (Organisatoren der Techno Classica), die sich dem Thema Jägermeister Racing widmete. Geradezu grausam für das geschulte Auge war der Anblick einer Replica des legendären McLaren F1 LM. Das Original entstand sechsmal und hat inzwischen locker einen Wert im achtstelligen Euro-Bereich.

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Nebenan in Halle 3 stehen weiterhin einige der noch verbliebenen großen Zuliefererbetriebe wie BBS oder Sandtler, aber auch der ADAC. Bei KW fand tatsächlich eine Deutschlandpremiere statt (früher gab es auf der Essen Motorshow sogar durchaus Europa- oder sogar Weltpremieren zu feiern…). Der Lamborghini SC63, mit dem die Italiener im kommenden Jahr in der LMDh-Kategorie an den Start gehen werden, schmückte den Stand des Fahrwerkbauers. Durch das wie üblich reichhaltige Display des ADAC und einige Eye-Catcher auf anderen Ständen kam beinahe das Motorsport-Feeling vergangener Jahrzehnte auf. Chrome Cars aus Jena brachte zahlreiche Schmuckstücke aus der hauseigenen Sammlung mit, darunter wertvolle japanische Youngtimer, aber auch Rennwagen in John Player Special-Lackierung (schwarz und gold). Ein deutscher Autosammler ließ es sich nicht nehmen, sieben seiner Raritäten ins Rampenlicht der Motorshow zu rücken. Dank Pagani Huayra BC Roadster, Aston Martin V12 Vantage Roadster, Ford GT oder Aston Martin Valkyrie zog ein wenig automobiler Glamour durch Halle 3. Diesen versprühte vor rund 40 Jahren wohl auch der Mercedes-Benz SEC am Stand der „Men in Benz“ – immerhin erhielt der Wagen bereits damals einen aufwändigen Umbau zum Flügeltürer. Die Organisatoren der Essen Motorshow widmeten sich in ihrer jährlichen Sonderausstellung dem in Europa eher außergewöhnlichen Thema „75 Jahre Nascar“.

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Halle 4 ist für mich persönlich eigentlich seit Jahren wenig erwähnenswert. Schon zu Zeiten, als das Essener Messegelände noch einige Hallen im zweiten Stock hatte und die Nummerierung ein wenig konfus von Halle 7.0 kündete, befand sich hier eine riesige Driftfläche, die ein Publikum anzog, die mehr auf laut und chaotisch stehen, als auf gediegen und edel. Im vergangenen Jahr gab es testweise an gleicher Stelle eine Indoor-Kartbahn mit Action-Charakter, indem man versuchte an ein bekanntes Nintendo-Kartspiel anzuknüpfen. In der aktuellen Ausführung fällt diese Fläche deutlich kleiner aus und soll offenbar nur der reinen Demonstration verschiedener Rennklassen und -fahrzeuge dienen. Entsprechend blieb in Halle 4 jedoch auch Platz für ein paar weitere Stände und damit auch für eine kleine Überraschung – zumindest aus meiner Sicht: einen Ferrari 812 Competizione hatte ich hier nicht erwartet.

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Seit die Messe Essen ihre Hallen neu gegliedert und die obere Etage abgerissen hat, befindet sich in Halle 5 während der Essen Motorshow das Mekka der privaten Tuner aus der Umgebung und weiterer Entfernung. Verschiedenste Projekte vom tiefergelegten Allerweltsauto bis hin zum veredelten Sportwagen stehen hier unter den Scheinwerfern. Allerdings fiel es nicht nur mir auf, dass in den vergangenen Jahren diverse Fahrzeuge immer und immer wieder hier auftauchten. Das soll keine Kritik an der Qualität der jeweiligen Umbauten sein, jedoch komme zumindest ich (und vermutlich viele andere) jährlich auf die Messe, um immer wieder andere Autos sehen zu können.

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Ab dem Übergang in Halle 6 befindet man sich im Reich der Tuningfirmen, die mit viel Aufwand und finanziellem Einsatz mehr oder weniger interessante Fahrzeuge auf die Räder stellen. Auch die unterschiedlichen Felgen- und Fahrwerkshersteller sorgen durch Eye-Catcher dafür, dass genug Publikum an ihren Ständen verweilt. Besonders auffällig für mich war neben dem Widebody-Kadett aus den 1980ern vor allem das Projekt G3 von JP Performance. Was von vorn wie ein umgebauter VW Golf III wirken mag, entpuppt sich bei genauem Hinsehen schnell als Silhouetten-Auto mit Gitterrohrrahmen und V10-Biturbo-Mittelmotor aus einem Audi R8. Noch befindet sich dieser Wagen im Aufbau, ab 2024 soll er sich auch erstmals in Bewegung setzen. Eine Straßenzulassung wird indes – zumindest in Deutschland – wohl eher nicht möglich sein.

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Obwohl an dieser Stelle noch die Hallen 7 und 8 im virtuellen Schnellrundgang fehlen, lasse ich Nummer 8 in der Bilderstrecke weg. Warum? Obwohl hierhin inzwischen alles ausgelagert wird, was rein dem Thema Motorsport zuzuschreiben ist, gab es aus meiner Sicht nicht viel zu sehen, das hier berichtenswert wäre. Kein Wunder, wenn alle privaten Motorsportler hier auf engstem Raum präsentieren müssen. In Halle 7 hingegen hatten die größeren Tuningfirmen mehr Platz zur Verfügung. Bei den Fahrwerksprofis von H&R gab es krasse Kontraste in Form des Opel Rocks e-xtreme, der direkt neben einem der meiner Meinung nach schönsten Autos der Messe stand. Die Firma Holyhall baute in Eigenregie einen Nachbau des legendären Zakspeed Turbo Capri, jedoch mit einigen künstlerischen Freiheiten. Diese tun der Form und Qualität dieses Fahrzeugs jedoch durchaus gut. Eher überraschend mutete ein grau-weißer Volkswagen T2C aus der 2013 in Brasilien gebauten Last Edition am Stand von MTM an. Bei genauem Hinsehen entpuppte sich dieser brave Transporter als absoluter Wolf im Schafspelz, denn unter der biederen Karosserie steckt dank Kundenauftrag ein Zwei-Liter-TFSI-Motor mit 400 PS und 500 Newtonmetern Drehmoment. So aufgerüstet erreicht der Bus eine elektronisch abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h. Da dürften sich einige Vielfahrer in ihren Vertreterkombis verdutzt die Augen reiben.

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Fazit: Aus meiner Sicht war es die schwächste Ausgabe der Essen Motorshow, die ich bisher besucht habe. Ja, es gab automobile Highlights, jedoch weit weniger als in früheren Jahren. Hersteller sind nun gar nicht mehr vertreten und auch die in den letzten Jahren mühsam etablierte Supersportwagenausstellung in Halle 1 gehört mangels zahlungskräftiger Kundschaft der Vergangenheit an – was mir ein an dieser Ausstellung bislang gut beteiligter Händler bereits Wochen vor der Messe ankündigte. Ich kann es gut verstehen, denn nur um ein paar Tuningjünger zu begeistern lohnen sich die Ausgaben nicht. Trotzdem werde ich auch 2024 voraussichtlich wieder auf die Essen Motorshow pilgern, da es für mich einfach der Jahresabschluss des Autojahres ist. Viel erwarten tue ich indes nicht mehr.

Bilder: Christopher Sehlbach, Matthias Kierse