Beim Begriff ‚Fahrbericht‘ denken die meisten Leser grundsätzlich an neue und aktuelle Fahrzeuge. Natürlich kann man genauso auch klassische Autos fahren und anschließend darüber texten – machen zahlreiche Oldtimer-Zeitschriften ja vor. Mitten in der Zeit von Lockdowns und Pandemie, im Herbst 2020, erhielt ich die Chance, einen 50 Jahre alten Toyota zu fahren. Mit dem Sportcoupé Celica hatten die Japaner über viele Jahre und einige Generationen hinweg einen Dauerbrenner im Modellprogramm. Das Erstlingswerk kann auch heute noch begeistern, wie ich beim Selbstversuch herausfand. Den Link zum ursprünglichen Fahrbericht auf Secret Classics gibt es am Ende des Textes.
Vor exakt 50 Jahren, im Oktober 1970, begann bei Toyota die Modellgeschichte eines sportlichen Coupés namens Celica. Zu diesem Zeitpunkt hatte die japanische Automarke gerade erst mit dem Export der hauseigenen kleinen Modellpalette nach Deutschland begonnen. Daher dauerte es bis zur Ankunft erster Celica-Exemplare auch noch rund ein Jahr. Derweil sorgten Motorsportler andernorts bereits für erste Erfolge auf der Rundstrecke und auf Rallyepisten. Einer von ihnen war Ove Andersson aus Schweden, der sein eigenes Rallyeteam schließlich auf der gegenüberliegenden Straßenseite von Toyota Deutschland in Köln ansiedelte und auf ‚Toyota Team Europe‘ (TTE) umfirmierte. Die erste Celica-Generation begründete den guten Ruf dieses späteren Werksrennteams, das erst auf ‚Toyota Motorsport GmbH‘ und in diesem Jahr auf ‚Gazoo Racing Team‘ umbenannt wurde. Zugleich war es aber auch dieses sportliche Coupé, mit dem Toyota weltweit ein neues Image erhielt, das neben Zuverlässigkeit und kostengünstigen Produkten nun auch Sportlichkeit umfasste. Insgesamt entstanden in sieben Modellgenerationen über 4,1 Millionen Exemplare der Celica, die insgesamt sechs Rallye-Weltmeistertitel erringen konnte.
Pünktlich zum 50-jährigen Jubiläum dieses Sportcoupés erhielt ich die Möglichkeit, das Urmodell (intern TA22) einmal eingehend kennenzulernen. Der Modellname Celica leitet sich vom spanischen ‚celestial‘ ab, was ‚himmlisch‘ oder ‚überirdisch‘ bedeutet. Beim Blick auf die technischen Daten des von der Toyota Collection in Köln zur Verfügung gestellten Klassikers stellt sich anfänglich daher die Frage, ob man in Japan einst nicht vielleicht ein klein wenig übertrieben hat. Die 1973er Celica ST in ihrem türkisfarbenen Lack holt aus vier Zylindern und 1,6 Litern Hubraum nämlich lediglich 63 kW/86 PS. Diese Leistung gelangte jedoch bereits serienmäßig über ein manuelles Fünfgang-Getriebe auf die Hinterräder, was damals keineswegs normal in der automobilen Welt war. Parallel dazu gab es die Celica LT mit 55 kW/75 PS (optional auch mit Dreigang-Automatik) sowie ab 1972 die Celica GT mit 74 kW/101 PS. Dank hoher Drehfreudigkeit und einem aufwändig entwickelten Fahrwerk mit Einzelradaufhängung, MacPherson-Federbeinen vorn und Vierlenker-Hinterachse in Verbindung mit einem Leergewicht zwischen 890 und 1.200 Kilogramm wusste die Celica auf der Straße absolut zu begeistern – und kann es bis heute.
Neben der von uns gefahrenen Variante mit angedeutetem Stufenheck gab es die Celica ab 1976 auch mit einem ‚Liftback‘ getauften Schrägheck. Bei der Urversion ließen sich die vorderen und hinteren Seitenscheiben komplett herunterkurbeln, wobei die B-Säulen ebenfalls verschwanden. So kam man dem ‚himmlischen‘ Teil des Modellnamens bei gutem Wetter schon sehr nahe. Dieser Genuss entging Liftback-Fahrern durch fest verbaute hintere Scheiben. Durch die an den vorderen Ecken platzierten Blinker, die vier runden Scheinwerfer und die verchromten Stoßstangen erinnerte die erste Celica Generation klar an amerikanische Pony Cars. Damit passte das Fahrzeug bestens in den damaligen Markt, der ansonsten durch Modelle wie beispielsweise den Capri oder den Mustang von Ford, den GT und den Manta von Opel, den Fiat 124 Sport oder den Datsun 240Z geprägt war. Trotz ihrer relativ kleinen Triebwerke kam die Celica auch in den USA bestens an.
Doch genug zu äußerer Optik und Technik. Es wird Zeit, im Fahrzeug Platz zu nehmen und einen Blick auf das Interieur zu werfen. Direkt hinter dem dreispeichigen Lenkrad mit sechs kleinen Hupknöpfen und Holzimitat am Kranz finden sich drei große Rundinstrumente, neben denen drei etwas kleinere zentral im Armaturenbrett angeordnet sind. Etwas ungewohnt ist aus der heutigen Zeit heraus betrachtet hingegen die Bedienung von Scheinwerfern und Scheibenwischern mittels Zug-Drehschaltern zwischen den Instrumenten. Alle anderen Knöpfe und Schalter stellen den Fahrer hingegen vor keinerlei Rätsel und so kann die Fahrt endlich losgehen. Trotz Herbstwetters genossen wir die Ausfahrt, die uns von Köln Marsdorf bis ins südwestliche Sauerland und zurück führte. Unterwegs konnte die Celica ihre Qualitäten auf engen Pfaden, Landstraßen und einigen Kilometern Autobahn bestens unter Beweis stellen. Dabei wurde schnell klar, dass die 86 Pferdestärken kombiniert mit 970 Kilogramm Gewicht auch im heutigen Verkehr locker zum Mitschwimmen ausreichen und sich das Auto dabei niemals schwachbrüstig anfühlt.
Erst wenn man den Wagen zwischen modernen Autos parkt und aussteigt, fällt der Fortschritt bewusst ins Auge. Wobei man sich direkt die Frage stellt, warum man mehr als die gebotenen 4,17 Meter Länge, 1,6 Meter Breite und 1,3 Meter Höhe der Celica brauchen sollte. Natürlich ergeben sich durch den Radstand von nur 2,4 Metern und die niedrige Dachlinie im Fond keine Raumwunder. Aber das war noch nie das Entwicklungsziel bei Sportcoupés und ist auch bei heutigen Vertretern dieser Gattung nicht anders. Vorn haben zwei Passagiere hingegen genug Platz und gelangen dank der großen Türen leicht ins Auto hinein und wieder heraus. Auch der Kofferraum ist bestens für Ausflüge oder den Wocheneinkauf dimensioniert, was eine Celica TA22 sogar heutzutage noch alltagstauglich macht.
Nach insgesamt rund 300 Kilometern kam schließlich der Zeitpunkt, den wir während des Tages bereits gefürchtet hatten: Die Celica stand trocken unter einem Carport der Toyota Collection und der Schlüssel musste wieder an der Pforte von Toyota Deutschland abgegeben werden. Seit dieser ausgiebigen Testfahrt ertappt sich der Autor dieser Zeilen immer wieder beim Stöbern in den typischen Autobörsen, um nach gut erhaltenen Celicas Ausschau zu halten. ‚Die Himmlische‘ macht also auch mit lediglich 86 PS soviel Fahrspaß, dass man das Sportcoupé auch 50 Jahre nach dem Debüt noch für überirdisch hält.

Bilder: Jack Kulcke, Matthias Kierse
Text ursprünglich erschienen auf Secret Classics: LINK