So langsam naht der Jahresabschluss und mit ihm auch die letzten Automobilveranstaltungen vor der Winterpause. Eine davon ist seit 2017 die Interclassics in Brüssel als Ableger der schon deutlich länger veranstalteten Messe in Maastricht, mit der im Januar die Oldtimer-Saison in Europa losgeht. Seit 2023 hören beide Messen auf den Zusatznamen „Classic Car Show“, vermutlich um zufällig vorbeikommenden Passanten und Betrachtern von Werbeplakaten noch schneller klar zu machen, um was es hier geht. Für uns ging es also an einem Freitag in der Frühe auf in Richtung belgische Hauptstadt. Dabei bewies sich eine These eines Freundes erneut als wahr: „Wenn man nach Belgien fährt regnet es oder es gibt Stau oder beides.“ In unserem Fall entschied das Schicksal für „beides“. Glücklicherweise entpuppte sich der Stau schnell als typischer Berufsverkehr, der uns nicht allzulange aufhielt und auch das Wetter besserte sich bis Brüssel soweit, dass wir die Jacken im Auto lassen konnten.
Die altehrwürdigen Messehallen in Brüssel stammen zum Teil aus der Zeit der Weltausstellung Expo 1935. Dies sieht man vor allem dem Prunkstück, der Halle 5, bis heute weithin an. Sie dient der Classic Car Show als Haupthalle. Bis zur nächsten Weltausstellung 1958 entstanden weitere Hallen sowie das in unmittelbarer Nähe stehende Wahrzeichen Atomium. Für uns ging es jedoch hinein in die Messe und dort – für einen chronologisch-korrekten Rundgang – direkt in Halle 4. Diese bot diesmal vor allem zahlreichen Marken- und Modellreihenclubs Platz für ihre Exponate. So fanden sich der Peugeot Club mit einem Display zu 40 Jahren 205, der Lancia Club mit einem Stratos HF oder auch der Volkswagen Club, der 75 Jahre VW in Belgien feierte. Hinzu kamen Verkaufsflächen für private Anbieter, die manche Rarität feilboten.
40 Jahre Peugeot 205 – vorn ein 205 T16
Lancia Stratos HF
75 Jahre Volkswagen in Belgien – vorn ein VW XL1
Samio Spyder – Kitcar auf Basis Triumph Spitfire
Buick Skylark
Ferrari Testarossa
Weiter ging es anschließend in der bereits angesprochenen Halle 5, in der viele professionelle Klassikerhändler sowie mit d’Ieteren auch der belgische Importeur für alle Marken des VW-Konzerns ausstellten. In Deutschland ist von dieser Unternehmensgruppe am ehesten der Zweig namens Carglass bekannt. Zur Classic Car Show buchte d’Ieteren vier große Standflächen im hinteren Hallenteil. Den Löwenanteil nahmen Fahrzeuge von Porsche ein, wobei nicht wenige davon eher junge Gebrauchtwagen als namhafte Klassiker waren. Ähnlich verhielt es sich auf der Ausstellungsfläche, die man für Bentley vorgesehen hatte. Den verbliebenen Anteil des Areals teilten sich Lamborghini und Bugatti, wobei für die Luxusmarke aus dem Elsass nur ein Platz für einen frühen Vorkriegsklassiker blieb, während Lamborghini acht Autos präsentierte.
Porsche 911 SC RS
Porsche 911 Carrera RS (964)
Porsche 911 Sport Classic (997)
Lamborghini Countach 25th Anniversary Edition
Die verbleibende Halle bot zahlreiche Highlights, die zum Großteil zum Verkauf standen. Wie immer galt hier, dass die Preise auf einer Oldtimermesse mit einer guten Portion Salz zu genießen sind. Offenbar glauben immer noch viele Verkäufer, dass gerade auf diesen Veranstaltungen viele Menschen herumlaufen, die sich vorher nicht informieren und stattdessen ihrem Kaufimpuls nachgeben und somit mehr bezahlen als bei ihnen im Showroom.
Porsche 356 A
Honda S800
Pegaso Z-102
Ferrari 250 GT Pinin Farina Cabriolet
Honda Prelude – im Hintergrund ein VW Polo Harlekin
Der belgische Händler Speed8 ist immer für einige Überraschungen gut. Besonders italienische Kleinserienhersteller haben es ihm offenbar angetan, was den Iso Kleinlastwagen als Stilmittel mitten auf dem Stand ebenso erklärt, wie den roten De Tomaso Pantera SI direkt davor. Doch auch absolute Exoten wie den Gillet Vertigo, der in den 1990er Jahren in diversen europäischen Rennserien auftauchte, bot man in Brüssel an. Hinzu kam ein sehenswerter Bugatti Veyron Grand Sport.
De Tomaso Pantera SI
Gillet Vertigo
Bugatti Veyron Grand Sport
Manche Verkaufsstände boten neben Klassikern für Erwachsene auch gleich passende Nachbauten für den Nachwuchs an. Frühe Prägung kann ja bekanntlich hilfreich sein.
BMW 507 für klein…
…und groß
Viel Blech für’s Geld – amerikanische Klassiker
Alpine A106
Porsche Carrera 6 (906)
Fiat 1100 TV Ghia Coupé
Alfa Romeo Touring Disco Volante Spyder – Nummer 7 von 7 gebauten
Neben den bereits durchschrittenen Hallen 4 und 5 nutzte die Classic Car Show in diesem Jahr zwei weitere. Halle 6 schloss sich thematisch dicht an Halle 5 an, bot darüber hinaus jedoch auch einen Bereich für automobile Kunst. Zudem warb hier auch das in Brüssel ansässige Automuseum Autoworld um Besucher. Als absolute Überraschung stießen wir in dieser Halle auf den Aston Martin Victor. Dieser Supersportwagen entstand auf besonderen Wunsch eines VIP-Kunden auf der Basis eines One-77 Vorserienprototypen und existiert somit genau dieses eine Mal. Der Name soll an den ehemaligen Chef von Aston Martin, Victor Gauntlett, erinnern, der die Geschicke der Marke in den 1970er Jahren leitete.
Porsche 356 A als Werbung für die kommende Sonderausstellung „75 Jahre Porsche“ im Autoworld Museum Brüssel
Lamborghini Miura SV
klassische Bugatti Modelle
Volkswagen T1 im Scheunenfund-Look mit Tuning
Aston Martin Victor
Aston Martin Victor
Peerless GT
Zu guter Letzt kommen nun noch die Bilder aus der „Patio“ genannten Halle, die auf dem Brüsseler Messegelände eigentlich als Verteilpunkt alle Hallen miteinander verbindet. Hier stand in diesem Jahr die für die Interclassics typische Sonderausstellung und befasste sich mit dem Thema „100 Jahre Le Mans“. Tatsächlich gelang es den Organisatoren dabei, mehr als 20 Fahrzeuge zusammenzubringen, die tatsächlich am Langstreckenrennen in Nordwestfrankreich teilgenommen haben. Das Älteste, ein Vinot-Deguingand BP 10 HP, startete tatsächlich 1923 im Feld des allerersten 24 Stunden Rennens in Le Mans und erreichte das Ziel auf Rang 26. Weitere Exponate stammten von renommierten Marken wie Alfa Romeo, Porsche oder Dodge, aber auch von inzwischen quasi vergessenen Vertretern wie Howmet (mit Helikopter-Turbine als Antrieb!), René Bonnet, Matra oder Rondeau.
Vinot-Deguingand BP 10 HP (1923)
Alfa Romeo 8C 2300 Spider Lungo Le Mans (1932)
Jaguar D-Type (1957)
René Bonnet Aérodjet LM6 (1964)
Howmet TX (1968)
Porsche 917 KH (1970)
Matra-Simca MS660 (1971)
Rondeau M379 (1979)
Porsche 936 (1981)
Toyota 92C-V (1992)
Cadillac Northstar (2001)
Dodge Viper GTS-R (2002)
Audi R18 TDI Ultra (2012)
Toyota GR010 Hybrid (2022)
Zusammenfassend hat sich die Reise nach Brüssel auf jeden Fall gelohnt. Wir freuen uns bereits auf das kommende Jahr. Leider fällt die zweite, ebenfalls bisher immer sehenswerte Messe, der Auto Salon Brüssel, im Januar erstmalig geplant komplett aus. Während der Corona-Pandemie war der Ausfall klar, doch nun haben sich die Organisatoren bereits lange im Vorfeld zur Absage entschieden, da offenbar zu wenig Hersteller Interesse bekundet haben. Somit bleibt die 100ste Ausgabe in diesem Jahr voraussichtlich die finale Ausgabe dieser tollen Messe. Schade.
Fotos: Katrin Kierse, Matthias Kierse