Lamborghini Revuelto

Manchmal ist es gar nicht so schlecht, für diesen Blog nur noch ab und an Zeit zu haben und nicht tagesaktuell über die neuesten Neuigkeiten schreiben zu müssen. Auf diese Weise haben manche Fahrzeuge die nötige Zeit, um vor dem geistigen Auge reifen zu können. Dabei ist es jedoch nicht so, dass mir hernach alle Designspielarten uneingeschränkt gefallen, aber es gibt die Möglichkeit, neue Entwicklungen wirken zu lassen. Beispielsweise beim neuen Lamborghini Revuelto war dies für mich nötig. Und nein, gefallen tut er mir trotzdem nicht. Im folgenden möchte ich gern erläutern warum – und bleibe dabei betont subjektiv, denn es ist meine persönliche Meinung (und mein Blog, auf dem ich hier schreibe). Damit will ich niemanden überzeugen oder gar von einer möglicherweise bereits getroffenen Kaufentscheidung abhalten. Im Gegenteil: Ich gönne jedem künftigen Besitzer tolle Fahreindrücke und ein breites Grinsen im Gesicht, wenn er oder sie im Revuelto Platz nimmt. Nur mein Geld wird Lamborghini mit diesem Auto eben nicht bekommen.

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Leute, die mich zu kennen meinen, könnten nun argumentieren: „Ja, ist ja auch ein Hybridauto, die magst du ja nicht. Also klar, dass du dem Revuelto keine Chance gibst.“ Ganz so einfach ist es aber nicht, denn dem gegenüber steht meine Liebe zum McLaren P1 und Porsche 918 Spyder – und beide sind, „shocking“, Hybrid-Sportwagen. Sogar ein Rimac Nevera kann mich begeistern, trotz reinem Elektroantrieb. Also das ist es schonmal nicht, was ich am neuen Lamborghini bemängel. Aber wenn wir schon einmal im Technikkapitel sind, können hier ja mal die nackten Zahlen für sich sprechen. Hinter den Passagieren steckt ein komplett neu entwickelter V12-Saugmotor mit 6,5 Litern Hubraum. Unterstützung erhält dieses Triebwerk durch drei Elektromotoren, von denen je einer an jeder Achse und der dritte am querliegenden Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe verbaut ist. Den breiten Getriebetunnel, den Lamborghini-Fans seit dem Countach kennen, stecken die Akkupakete mit insgesamt 3,8 kWh Kapazität. Allein aus dem V12 strömen 825 PS und 725 Newtonmeter Drehmoment in Richtung Getriebe, die E-Motoren steuern weitere 190 PS dazu. Zudem bringt es jeder Elektromotor auf 350 Newtonmeter Drehmoment, die als zusätzliche Kraft in Beschleunigungsmanöver einfließen. Für die Beschleunigung aus dem Stand auf Tempo 100 gibt Lamborghini 2,5 Sekunden an, die Höchstgeschwindigkeit soll mehr als 350 km/h betragen.

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Also, rein von den angekündigten Fahrwerten her und auch technisch kann der Autor nichts einwenden. Was ist es dann, das ihm am Revuelto missfällt? Ganz klar gesprochen: Das Design. Lamborghini ist spätestens seit dem Countach für sehr radikale und keilförmige Sportwagen weltbekannt. An dieser Stelle knüpft der neue Stier aus Sant’Agata klar an. Einige Linien erinnern mich sogar an seinen direkten Nachfolger, den Aventador. Allerdings bin ich kein Fan des in den letzten zehn Jahren mehr und mehr eingeführten Y-Themas, das inzwischen die Formensprache von Lamborghini beherrscht. Die Tagfahr-LEDs sehen für mich so aus, als hätte man im Baumarkt sechs LED-Leisten gekauft und je drei pro Seite angebracht. Darüber dann die LED-Scheinwerfer integrieren, fertig ist eine neue Front. Wirklich, Lamborghini? Das Thema zieht sich jedoch entlang der Seitenpartie bis zum Heck weiter und macht den Wagen für mein Empfinden zu zerklüftet und zu unruhig in der Gesamtform. Es muss nicht überall Sicken und Kanten geben, nur weil noch glatte Flächen übrig waren. Über das Hochlegen der Auspuffendrohre kann man diskutieren. Aerodynamisch schafft es Platz für einen deutlich wirkungsvolleren Diffusor, der hier zugleich die Heckschürze bildet. Optisch wirkt auch diese Lösung ein wenig so, als wäre dem Designteam nach dem ersten Rohentwurf die Lust ausgegangen. Wirklich schön finde ich hingegen die Felgen des Präsentationsfahrzeugs mit ihren filigranen Speichen.

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Auch die Dachpartie mit ihren erhöhten Bereichen über den Köpfen der Passagiere vermag zu gefallen. Allerdings dürfte dies zumindest meine Freunde nicht erstaunen, schließlich mag ich auch die Double-Bubble-Dächer diverser Zagato-Kreationen. Speziell die Draufsicht der Partie hinter den Türen bis zum Heck als auch die Seitenansicht dieses Bereiches können mich jedoch keinesfalls überzeugen. Auch wenn diverse Elemente hier der gezielten Luftführung dienen, wirkt der Revuelto für mich hier überzeichnet und mit Kanten überladen. Das Auge kommt nicht zur Ruhe.

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Interessanterweise setzt sich dieses überfrachtete Design im Interieur nicht fort. Dort findet sich zwar ebenfalls das Y-Thema an diversen Stellen wieder, dennoch sorgten die Designer hier für eine hohe Sachlichkeit. Dass auf analoge Instrumente hinter dem Lenkrad verzichtet wird, kennt man von Lamborghini ja schon eine ganze Weile. Nun fiel auch die Armaturenbretterhebung hinter der Tachoeinheit weg. Das Display steht ein wenig verloren im Raum, was jedoch zumindest bei schwarzem Bezugsstoff vermutlich für weniger störende Reflektionen in der flachen Windschutzscheibe sorgen dürfte. Mittig läuft wasserfallartig die Mittelkonsole in Richtung Mitteltunnel, hört jedoch auf rund 2/3 der Höhe abrupt auf. Sie beherbergt ein weiteres Display, das mittels Touch-Funktionen alle Klimatisierungs-, Audio-, Navigations- und Fahrmodi-Bedienelemente vereint. Ein drittes, flaches Display steckt oberhalb des Handschuhfaches auf der Beifahrerseite und bietet dem Copiloten diverse Einblicke in den gegenwärtigen Fahrzustand. Auf dem Mitteltunnel befinden sich nur wenige echte Knöpfe und Schalter, beispielsweise der von einer roten Abdeckung geschützte Start-Stopp-Knopf.

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Interessanterweise präsentierte Lamborghini den Revuelto direkt am Werk in Sant’Agata und ließ diverse Journalisten und Influencer Einblick in die bereits angelaufene Produktion nehmen. Normalerweise hätte der neue Hybrid-Supersportwagen vermutlich auf dem Genfer Autosalon debütiert und wäre erst Monate später in Serienfertigung gegangen. Nun also dürfte es nicht mehr lange dauern, bis erste Exemplare bei den Händlern vorrollen. Bei Preisen von rund 500.000 € ist es schon ein wenig verwunderlich, dass laut Insidern die ersten zwei Produktionsjahre bereits im Voraus ausverkauft waren. Andererseits gut für eine Marke wie Lamborghini, die auf der Basis des Revuelto vermutlich diverse Sondermodelle herausbringen wird und hierfür einen guten Anlauf benötigt. Vielleicht ist darunter dann ja auch wieder ein Modell, das mir auf Anhieb gefällt.

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Bilder: Lamborghini