Die diesjährige Ausgabe der Techno Classica in Essen lässt mich nachdenklich und ein wenig ratlos zurück. Wie sich im Gespräch mit vielen Freunden und Bekannten herausstellte, geht es mir damit nicht alleine so. Zu behaupten, die Messe würde keine automobilen Highlights zeigen, wäre weit an der Realität vorbei. Was jedoch Fakt ist: Viele große und namhafte Händler und Aussteller fehlen in diesem Jahr. Zudem sind von früher weit über 20 Autoherstellern, die direkt oder indirekt (beispielsweise über Händler und Clubs) vor Ort waren, heute nur noch fünf zu finden. Einzig BMW ist mit einem eigenen Stand vertreten, Ferrari wie immer über Eberlein aus Kassel. Ford und Mercedes-Benz überlassen es den Clubs, die Fahnen hochzuhalten. Den Volkswagen Konzern, die Stellantis Gruppe, Volvo oder JLR (Jaguar Land Rover) sucht man hingegen mit werksseitigen Engagements vergeblich. Dies in Verbindung mit den oben angesprochenen Händlern, die nicht angereist waren, führte am Preview-Tag zu ungewohnten Szenen in mehreren Hallen: Leerstand. Mitten in Halle 7 ergab sich eine Fläche, auf der man problemlos hätte Fußball spielen können. Über Nacht wurden hektisch kleinere Händler organisiert, die diesen Anblick wenigstens ein bisschen ausgleichen sollten.
Bereits der für mich obligatorische erste Blick aus der ersten Etage auf die große Halle 3 macht mir deutlich, dass sich einiges verändert hat für 2024. Wo sonst direkt der gewohnt dicht an dicht beparkte Platz eines Frankfurter Klassikerhändlers zu sehen war, stehen nun japanische Tuningfahrzeuge. Im Hintergrund deutet sich dafür eine deutliche Vergrößerung des Standes von Early911s an. Es wird also Zeit, den Rundgang zu beginnen, auf den ich Sie, liebe Leser, natürlich wieder mitnehmen möchte.
Wenig überraschend liegt mein Hauptfokus auf seltenen Sportwagen. Neben den typischen Vertretern aus Deutschland, Großbritannien und Italien finden sich auch absolute Exoten wie ein Koenigsegg oder ein Aston Martin Valkyrie. Der bereits angesprochene Stand von Early911s bricht in Sachen Gesamtwert durch die Decke. In einem großen Kreis aufgestellt stehen hier nicht nur frühe 911 Turbo, sondern auch ein 968 Turbo S, ein 962 oder ein 911 (991.2) GT2 RS Clubsport 25. Aus der Modellgeneration 993 treten jeweils gleich zwei Exemplare des Turbo S und des GT2 auf. Doch der Blick geht natürlich auch nach links und rechts, um ungewöhnliche Exponate zu erspähen. Ein gut erhaltenes Opel Astra Cabriolet aus den späten 1990er Jahren dürfte meines Erachtens nach erstmals außerhalb der Privatverkaufsareale auf der Techno Classica zu sehen sein. Helmut Eberlein, Ferrari-Händler aus Kassel, zeigt diesmal nur vier fahrfähige Autos und einen 365 GTB/4 ‚Daytona‘ im Restaurierungszustand. Doch unter diesen Exponaten tragen gleich zwei ein Preisschild jenseits von 2,5 Millionen Euro.
Beim anschließenden Gang durch die angrenzende Halle 1 fällt schnell ins Auge, dass Mercedes-Benz erneut nicht werksseitig vertreten ist. Stattdessen zeigen einige Clubs ihre Autos. Zudem teilt sich der norddeutsche Händler Rosier seine Flächen erstmals mit Thiesen, wodurch hier nicht nur Autos mit Stern auf der Haube zu sehen sind. Der westfälische Klassikerhändler Axel Schuette ist hingegen schon länger in dieser Halle heimisch und für eine exzellente Fahrzeugauswahl bekannt. Neben einem Lamborghini Miura, für den sich Scooter-Frontmann HP Baxxter begeistern konnte, und einem Porsche Carrera GT, steht hier auch ein einzigartiger Maserati 5000 GT, der einst für Fiat-Chef Gianni Agnelli gebaut wurde. Auf der Techno Classica 2024 räumte er verdient den Preis „Best of Show“ ab. Haben Sie schon einmal einen GAZ M20 Pobeda gesehen? Einige Meter neben dem Stand von Axel Schuette steht ein Exemplar in frisch restauriertem Zustand – man darf wohl zweifelsfrei behaupten: besser als frisch ab Werk.
Halle 2 gehört seit dem Wegfall der alten Hallen im ersten Stock den Marken- und Modellclubs. Allerdings schieben die Messeorganisatoren hierhin auch die diversen Anbieter von Literatur, Modellautos, Ersatzteilen und mehr oder weniger zum Thema Automobilia gehörender Waren ab. Dadurch ergibt sich Jahr für Jahr ein Wimmelbild, in dem man die sehenswerten Clubstände und Fahrzeuge suchen muss. Etwas mehr Struktur würde hier allen Beteiligten gut tun. Durchaus als interessant zu werten sind meiner Meinung nach gleich zwei von fünf gebauten Bitter SC Sedan (auch wenn eines der beiden Exemplaren vor einigen Jahren einem Brand zum Opfer fiel) sowie der von Auszubildenden in 8×8 originalen Lackfarben lackierte Mercedes /8.
Bis zur Corona-Pandemie gehörte die Halle 4 dem Volkswagen Konzern. Neben VW und VW Nutzfahrzeuge stellten hier auch Seat, Skoda, Bentley, Bugatti, Porsche und Lamborghini aus. Wer in diesem Jahr in diese Halle kam, musste nach derartigen Exponaten jedoch gar nicht erst suchen. Naja, nicht ganz korrekt, denn immerhin zeigen einige VW-Clubs hier ihre Autos (und Leihgaben von Volkswagen). Zum 50-jährigen Jubiläum des Golf rollten beispielsweise die beiden Exemplare nach Essen, die 1974 und 1975 auf eigener Achse von Alaska bis nach Feuerland gefahren sind. Etwas morbide mutet hingegen das Display vom Fusselforum an, wo auf einem Friedhof inklusive Krematorium diverse Klassiker beerdigt werden. Mehr als die Hälfte der Halle steht als Verkaufsfläche zur Verfügung und nimmt offenbar inzwischen die Anbieter auf, die in früheren Jahren auf den Außengeländen zu finden waren. Letztere zeigten sich dafür in diesem Jahr beinahe leer.
Neben der Halle 3 sind auch die Hallen 5 und 7 den großen und renommierten Händlern für Oldtimer, Youngtimer und Exoten vorbehalten. Entsprechend groß ist hier die Ausbeute an interessanten Exponaten. Selten dürfte es eine Ansammlung von Spyker C8 LM85, Wiesmann MF5 Roadster, Ferrari F40 und Bugatti Veyron geben. Hier stehen diese Sportwagen auf dem Stand der Gallery Aaldering zusammen mit weiteren Hochkarätern. Einige Meter weiter parkt ein ASA 1000 GT Spider. Dieses wenig bekannte Fahrzeug aus den 1960er Jahren entstand, nachdem Enzo Ferrari diverse wichtige Ingenieure nach einem Streit entlassen hatte. Weitere Sehenswürdigkeiten sind der Facel-Vega HK2 A099 Prototyp, ein Ferrari 288 GTO und ein BMW 507. Aufsehen erregte Auto Sportiva, die auf einer relativ kleinen Standfläche sechs Lamborghini Diablo und zwei Lamborghini Murciélago zusammengebracht haben. Eher enttäuscht hinterließ mich die von der Messegesellschaft SIHA angekündigte Sonderausstellung zu 120 Jahren Rolls-Royce. Rund um den bereits seit vielen Jahren bekannten Pavillon sollten fünf Exponate gezeigt werden, von denen jedoch nur vier und das Schild für den fünften Wagen angekommen sind.
Gehen wir daher weiter in Halle 6, wo neben einigen größeren Clubs von Audi, Jensen und Citroën auch der Hersteller- und Club-Stand von BMW sowie der Stand von Morgan-Händler Flaving zu finden sind. In dieser Halle warten gleich zwei Sensationen auf mich. Zum einen brachte Citroën einen von nur drei erhaltenen 2CV TPV Prototypen nach Essen und zum anderen präsentiert BMW eine einst fahrtüchtige Konzeptstudie erstmals in der Öffentlichkeit, die seit 1990 im hauseigenen Fahrzeugdepot parkt. Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung des vor einigen Jahren an gleicher Stelle gezeigten 750iL V16 „Goldfisch“. Bei einem ungenannten italienischen Karosseriebauer entstand eine eigenständige Limousinenkarosserie mit Stilelementen von 5er und 7er der Baureihen E32, E34, E38 und E39. Offiziell heißt das Einzelstück genauso wie sein braun lackierter Bruder auf E32-Basis. Man darf jedoch durchaus davon ausgehen, dass ein V16-Modell oberhalb der 7er Reihe platziert worden wäre und vermutlich die Bezeichnung „9er“ getragen hätte. Das Fahrzeug diente für kurze Zeit im Fahrversuch, der jedoch bald abgebrochen wurde, da die Firmenleitung das V16-Projekt aus Kostengründen stoppte. Nach über 33 Jahren steht dieser einmalige Prototyp nun also erstmals im Rampenlicht. Ein eigenständiger Bericht folgt hier im Blog in Kürze. Die zweite Hallenhälfte ist automobiler Kunst und der zweiten Hälfte des Sammelsuriums aus Halle 2 vorbehalten.
Nebenan in Halle 8 wartet ein weiterer schöner BMW auf mich. Wer meine Modellautosammlung kennt, weiß, dass hier ebenfalls ein hellgelber 3.0 CSL ohne das später eingeführte Flügelwerk an der Karosserie parkt. Entsprechend lange halte ich mich an diesem Auto auf, nehme dabei aber auch die benachbart geparkten Sportwagen vom Typ Jaguar XJ220, Porsche 911 (964) Turbo 3.6, Mercedes-Benz SLS AMG und Ferrari 599 GTO wahr. Bei der Klima-Lounge gibt es jedes Jahr schöne Lamborghini zu sehen. Wer hinter diesem Satz eine Ansammlung von Sportwagen vermutet, liegt nicht ganz richtig, denn die italienische Marke wurde einst vor allem für Traktoren berühmt. Acht von ihnen stehen hier dicht neben einem Miura sowie einem etwas aus dem Bild fallenden Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse. Der niederländische Händler Prins bringt regelmäßig andere italienische Klassiker mit nach Essen. Dieses Jahr fallen besonders zwei 550 Barchetta ins Auge.
Bleibt noch ein schneller Gang durch die kleine Halle 8 kurz vorm Ausgang Ost. Hierhin verschlägt es die restlichen Club-Stände während der Techno Classica. Während einige Clubs und Vereine ihre Fahrzeuge relativ schlicht präsentieren, überlegen sich andere sehenswerte Szenerien. Haben Sie sich beispielsweise schon einmal überlegt, ob so ein klassisches Auto eventuell einen Organspendeausweis für den Fall des Unfalls vorliegen hat?
Sie können es diesen Zeilen vermutlich entnehmen: Automobile Highlights gab es zur Genüge. Und dennoch blicke ich heute, einen Tag nach Messeschluss, immer noch mit gemischten Gefühlen auf die Techno Classica 2024 zurück. Meiner Meinung nach sollten sich die Organisatoren dieser tollen Messe wieder auf ihre Kernkompetenzen zurückbesinnen und tolle Sonderausstellungen zusammenstellen. Ich erinnere dabei gern an den Weltrekord, den man mit der Pegaso-Ausstellung 2012 erzielen konnte. In Verbindung mit vernünftig angesetzten Quadratmeterpreisen könnte ein solcher Umschwung für eine Neubelebung sorgen. Am Interesse des Publikums mangelt es jedenfalls nicht.
Bilder: Matthias Kierse