BMW 750 iL V16 „Goldfisch“

Die Automobilgeschichte ist reich an Erfolgsstories. Aber auch Misserfolge sollten nicht unterschlagen werden. Ob die Entwicklung, die ich im folgenden näher vorstellen möchte, das eine oder doch eher das andere Extrem der Skala abdeckt, mag jeder Leser für sich selbst beantworten. Fakt ist: Ein Verkaufserfolg durfte dieser Wagen niemals werden und auch der intern vergebene Spitzname ist nicht wirklich treffend. Welcher Kunde eines Oberklasseautomobils würde sich schon gern in einem „Goldfisch“ sehen wollen? Doch um was geht es hier eigentlich? Die Überschrift verrät es: um einen ganz besonderen BMW. Beziehungsweise um deren zwei, denn im Rahmen der diesjährigen Techno Classica ließen die Münchener die Katze aus dem Sack und präsentierten erstmals öffentlich einen Prototyp aus dem Jahr 1990.

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Wir beginnen mit der Geschichte jedoch drei Jahre früher, also 1987. Die BMW-Ingenieure Dr. Karlheinz Lange, Adolf Fischer und Hanns-Peter Weisbarth sind sich sicher, dass oberhalb der gerade neu präsentierten 7er Reihe vom Typ E32 noch Luft und vor allem solvente Kundschaft vorhanden ist. Zudem ließ die Motorenfamilie, die nun vom neu entwickelten V12 im 750 iL gekrönt wurde, noch weitere Ausbaustufen zu. Um ihr Entwicklungspotenzial aufzuzeigen entstanden parallel eine Dreizylinder-Einstiegsmotorisierung und ein gewaltiger V16 mit 6,7 Litern Hubraum. Letzterer war Anfang 1988 fertig für erste Prüfstandserprobungen. Nachdem diese erfolgreich abgeschlossen waren, verbauten die Techniker das Triebwerk in einem modifizierten BMW 735 iL. Dabei stellte sich jedoch schnell heraus, dass im Motorraum kein Platz für die nötige Kühlungsanlagen blieb. Diese wanderten samt und sonders in den Kofferraum und erhielten oberhalb der Hinterräder auf beiden Seiten neue Lufteinlässe mit Kiemen aus glasfaserverstärktem Kunststoff und in Wagenfarbe lackierten Luftschaufeln, deren Form ein wenig an Fischflossen erinnert. Ob hier der Name „Goldfisch“ herkommt, ist nicht sicher belegbar. Zwischen den verkleinerten Heckleuchten strömt die heiße Abluft der Kühler wieder nach außen.

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Der Prototyp erhielt eine Lackierung in Braun metallic und ging ab Mai 1988 in den Fahrversuch. Der „767 iL“ kam auf 408 PS und 613 Newtonmeter Drehmoment. Erstaunlicherweise sorgte ein manuelles Sechsgang-Getriebe für die Kraftübertragung auf die Hinterräder. Damit gelang der Spurt aus dem Stand auf Tempo 100 in rund sechs Sekunden, während die Höchstgeschwindigkeit bei rund 280 km/h ermittelt wurde. Da das Triebwerk volle 310 Kilogramm auf die Waage bringt, geriet der „Goldfisch“ durchaus kopflastig. Ein komplett neu entwickeltes Fahrzeug wäre also nötig geworden – allein schon, weil Oberklassekunden durchaus auf ein nutzbares Gepäckabteil bestanden hätten.

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Als der braun lackierte „Goldfisch“ 2017 auf der Techno Classica in Essen gezeigt wurde, sah alles danach aus, dass das Projekt BMW-intern keine großen Zukunftschancen hatte und daher sang- und klanglos eingestellt wurde. Nun, sieben Jahre später, debütierte jedoch an gleicher Stelle ein zweiter Prototyp, der eindeutig beweist, dass BMW schon weitergeplant hatte. Bei einem namentlich nicht genannten italienischen Karosseriebauer entstand 1990 eine komplett neue Aluminiumkarosserie mit Designanleihen der 7er Reihen E32 und E38 (damals noch nicht präsentiert) sowie der 5er Reihen E34 und E39 (ebenfalls noch nicht öffentlich bekannt zu diesem Zeitpunkt). Die Proportionen mit extrem langer Frontpartie und relativ kurzem Heck sind noch etwas unharmonisch. Allerdings ist auch unklar, wie weit die Designabteilung zu diesem Zeitpunkt in ihren Überlegungen bereits war. Diesen Prototyp gestaltete jedenfalls mit Boyke Boyer eben der Designer, der auch für den E38 verantwortlich war. Typisch für den Übergang von den 80ern auf die 90er sind hingegen die reichlich vorhandenen Chrom-Zierteile, beispielsweise an den Leuchten, Türgriffen und Fenstereinfassungen. Etwas überraschend war die sehr zurückhaltende Leistungsangabe von BMW Classic auf der Techno Classica. Laut Datenblatt hat dieser zweite Prototyp nur 348 PS, die über eine Fünfgang-Automatik zur Hinterachse gelangen. Innen findet man helles Leder, reichlich Beinfreiheit im Fond und eine frühe Form des Rear-Seat-Entertainment-Systems, dessen Bildschirmgröße in der heutigen Zeit jedoch allenfalls für einen Lacher gut sein dürfte. Letztlich verfolgte BMW das V16-Projekt nicht weiter. Was genau zum Stopp führte, verrät man nicht. Möglicherweise beobachtete man jedoch die parallel stattfindende Entwicklung der Mercedes-Benz S-Klasse vom Typ W140, die ursprünglich auch als 800 SEL mit sechzehn Zylindern geplant war. Nachdem jedoch bereits die kleiner motorisierten Varianten aufgrund ihrer Größe in die Kritik gerieten und auch das Thema Umweltschutz immer stärker in den Vordergrund drang, zogen die Schwaben ihrem Prestigemotor ebenfalls den Stecker. Vielleicht zeigen sie eines Tages auch einmal ihre Prototypen, damit ein direkter Vergleich möglich wird.

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Bilder: BMW, Gudrun Muschalla, Matthias Kierse