TVR Cerbera Speed 12

Die 1990er Jahre waren stellenweise eine wilde Zeit. Speziell im Bereich der GT-Rennwagen gaben die sonst durchaus recht strengen Regelhüter von FIA, IMSA und ACO den Herstellern erstaunlich viel Spielraum bei der Erschaffung neuer Spielmobile. So mussten zeitweise nur 25, später sogar nur noch ein einziges Homologationsfahrzeug mit Straßenzulassung entstehen, um in der Spitzenkategorie GT1 an den Start rollen zu dürfen. Entsprechend tummelten sich schnell viele große Namen wie McLaren, Mercedes-Benz, Porsche und Lotus in diesem Haifischbecken. Doch auch für kleinere Marken wie Lister oder TVR erschien es nun durchaus möglich, sich im internationalen Motorsport zu beteiligen. Unter der Leitung von Firmenboss Peter Wheeler entstand bei TVR das Project 7/12, dessen erstes Ergebnis auf der Birmingham Motor Show 1996 debütierte. Der reine Prototyp hatte optisch nur wenige Gemeinsamkeiten mit den damaligen Seriensportwagen der Marke, trug jedoch bereits das neu entwickelte Triebwerk unter der Haube. Aus zwei Reihensechszylindermotoren des Cerbera hatten die hauseigenen Ingenieure rund um John Ravenscroft einen 7,7 Liter großen V12 entstehen lassen.

TVRSpeed12_01TVRSpeed12_02TVRSpeed12_03

Gerüchten zufolge zerlegte dieses neue Triebwerk im ersten Testlauf die Messwelle des bis 1.000 PS freigegebenen Motorenprüfstandes. Daraufhin soll es intern die Order gegeben haben, bei den „Speed 12“ getauften Triebwerken jede Zylinderbank einzeln zu messen. Sie hatten laut Protokollen 480 PS pro Bank, woraus sich eine Gesamtleistung von 960 PS ergab. In der Straßenkonfiguration blieben davon laut Prospekt immerhin noch 800 PS übrig. Ja, richtig, es geht hier ja um die Straßenversion, die TVR zur Homologation des Rennautos fertigen musste. Dieses Auto entstand zeitgleich zum Rennfahrzeug und sollte auf den Namen Speed 12 GT hören. Optisch entfernte sie sich deutlich von den Modellgeschwistern. Derweil gingen andere Hersteller wie Mercedes-Benz einen anderen Weg und gestalteten ihre Rennfahrzeuge wie den CLK GTR seriennah, wobei beim genannten Fahrzeug der Motor in die Mitteleinbaulage hinter den Fahrer rutschte. Designtechnisch nahe an der Serie zu bleiben verhieß eine bessere Vermarktung der eventuellen Erfolge.

TVRSpeed12_04TVRSpeed12_05TVRSpeed12_06

Die Entwicklung des TVR Speed 12 dauerte länger als anfangs gedacht. Als Ende 1997 endlich erste Rennkilometer gefahren werden konnten, war bereits die Regeländerung fürs Folgejahr verkündet, nach der in der GT1-Kategorie noch mehr Richtung Prototypensport aufgebaute Autos eine Siegchance haben würden – wie der Toyota GT-One oder der Porsche 911 GT1 ’98. TVR beendete daher die Arbeiten an der GT1-Version und begann damit, eine GT2-Variante auf die Räder zu stellen. Diese erhielt nun deutliche optische Ähnlichkeiten mit dem Cerbera, blieb jedoch dem V12-Triebwerk treu. Es dauerte bis Anfang 2000, ehe der Cerbera Speed 12 endlich fertig war. Die Rennversion fuhr bis 2002 einige Siege ein, vom Straßenauto gingen ein paar Prototypen auf Testfahrten. Ausgerechnet Firmenchef Peter Wheeler beendete die Entwicklung, nachdem er einen Prototypen übers Wochenende mitgenommen hatte und hernach „zuviel Leistung und zu wild für die Straße“ attestierte. Anzahlungen wartender Kunden wurden zurückbezahlt und bis auf ein Fahrzeug alle Prototypen vernichtet.

TVRSpeed12_07TVRSpeed12_08TVRSpeed12_09

Dieser eine, letzte überlebende TVR Cerbera Speed 12 mit Straßenzulassung existiert in seiner heutigen Form erst seit 2003. Eigentlich hatte die Rennabteilung auch dieses Chassis auseinandergenommen, die Teile jedoch nicht entsorgt, sondern als Ersatz für die Rennversionen eingelagert. Als TVR sich werksseitig aus dem Motorsport zurückzog, standen die Teile und das Chassis zur Disposition. Intern fiel rasch die Entscheidung, den ultimativen Straßen-TVR aufzubauen und dabei alle Erkenntnisse aus dem Rennprogramm des Cerbera Speed 12 einfließen zu lassen. Obwohl der Wagen bereits im August 2003 zum Kauf angeboten wurde, endeten die Arbeiten daran erst 2005. So kamen die neuesten Ausbaustufen der Kevlar-Carbon-Karosserieteile mit im Windkanal verfeinerter Aerodynamik ebenso zum Einsatz, wie die finale Variante des 7,7-Liter-V12-Motors. Speziell für die Nutzung auf der Straße erhielt das Auto zudem ein neues Getriebe und eine Hochleistungsbremsanlage sowie ein eigens abgestimmtes Fahrwerk. Vom Rennfahrzeug stammt hingegen die pneumatische Vierstempelhebeanlage.

TVRSpeed12_12TVRSpeed12_13TVRSpeed12_14TVRSpeed12_15

Wer einen genauen Blick auf die Bilder dieses britischen Monsters wirft, wird sich nicht darüber wundern, dass die rote Flunder nur rund 1.000 Kilogramm auf die Waage bringt. Peter Wheeler selbst führte die Endabnahme durch und suchte einen passenden Kunden aus. Dieser arbeitete in den Folgejahren eng mit TVR zusammen, um unter anderem ein verändertes Motormapping herauszufahren, das nun eine Leistung von rund 850 PS bereitstellt. Im Jahr 2010 wechselte der Cerbera Speed 12 den Besitzer, vier Jahre später erhielt er eine optische Auffrischung. Anfang Mai kommt der wohl wildeste TVR aller Zeiten bei Silverstone Auctions unter den Hammer.

TVRSpeed12_10TVRSpeed12_11

Bilder: Silverstone Auctions