Volkhart Sagitta V2

Basierend auf dem Volkswagen Käfer gibt es vermutlich soviele unterschiedliche Fahrzeugkonzepte, dass eine Auflistung niemals vollständig sein kann. Der berühmteste Ableger stammt von jener Firma, deren Gründer und Namensgeber den Käfer einst entwickelte: Porsche. Doch daneben kümmerten sich viele andere Firmen um das Heckmotorchassis und bauten auf dieser Basis ihre eigenen Fahrzeuge. Ein Beispiel möchte ich hier näher vorstellen. Es entstand als pures Unikat und der Konstrukteur lebte in zwei Städten, die viel mit meinem Leben zu tun haben: Kurt Julius Carl Ernst Volkhart wurde am 21. Juni 1890 in Düsseldorf geboren und starb am 19. November 1959 in Bielefeld. Obwohl er zuletzt sein Geld durch einen kleinen Lebensmittelhandel verdiente, war er an einigen bemerkenswerten Projekten der Automobilindustrie beteiligt.

Volkhart Sagitta V2 – Quelle: Bonhams

Vor dem Ersten Weltkrieg entdeckte Kurt Volkhart bei einer Reise in die USA seine Liebe zu schnellen Autos und Motorsport. Er fuhr Dirt-Track-Rennen in den Jahren 1913 und 1914. Während des Krieges war er Kraftfahrer und Pilot. Anschließend stieg er als Oberingenieur beim Automobilhersteller Steiger ein, wo er auch mit einigem Erfolg Rennen fuhr. Später wechselte er zu Dürkopp nach Bielefeld. Durch die Weltwirtschaftskrise stellte dieses Unternehmen 1927 den Automobilbau ein und Volkhart ging zu Opel. Dort traf er auf ein für ihn sehr passendes Ambiente, da mit dem Astronom Max Valier und dem Ingenieur Friedrich Wilhelm Sander zwei Geschwindigkeitsbegeisterte auf den Unternehmer Fritz von Opel einwirkten. Ihr Ziel war es, ein raketenbetriebenes Automobil zu entwickeln, was letztlich durch Fritz von Opel unterstützt wurde. Kurt Volkhart war für die Entwicklung, die Konstruktion und die Tests des Opel RAK1 zuständig. Nach diversen Erfolgen mit diesem Fahrzeug entstand nach Entwürfen von Kurt Volkhart der RAK2. Allerdings überwarfen sich Volkhart und von Opel, was zur Trennung führte. In Düsseldorf entwickelte Kurt Volkhart in der Folgezeit seine eigenen Raketenfahrzeuge, mit denen er auf der AVUS und auf dem Nürburgring fuhr. Allerdings sank das öffentliche Interesse an dieser Antriebstechnik rapide, sodass Volkhart wieder zu konventionellen Fahrzeugen zurückkehrte. Ab Mitte der 1930er Jahre arbeitete er eng mit dem Hobby-Aerodynamiker Reinhard von Koenig-Fachsenfeld zusammen.

Volkhart Sagitta V2 – Quelle: Bonhams
Volkhart Sagitta V2 – Quelle: Bonhams

Beim Autohersteller Imperia arbeiteten beide an der Entwicklung von Kleinfahrzeugen und Rennwagen, bis der Betrieb 1935 eingestellt wurde. Parallel zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges entstand in ihrer gemeinsamen Werkstatt ein Stromlinienprojekt, das in einem Kurierwagen auf Basis des Ford Eifel mündete. Zugleich bestellte Volkhart bereits 1941 das Fahrgestell eines KdF-Wagens (erst nach dem Krieg wurde daraus der Volkswagen), das jedoch erst drei Jahre später, mitten im Krieg, geliefert und direkt eingelagert wurde. Nach Kriegsende erhielt ein kleines Team rund um Kurt Volkhart die Erlaubnis, ein neues Auto mit aerodynamisch-ausgefeilter Karosserie zu bauen. In einem Steinbruch zwischen Essen und Wuppertal entstand auf Basis des KdF-Chassis bis Ende 1947 der Volkhart Sagitta V2. Sagitta ist lateinisch und bedeutet Pfeil. Dieses Datum lag rund vier Monate vor der allgemeinen Freigabe zur zivilen Fahrzeugproduktion in Deutschland durch die damaligen Besatzer. Die stromlinienförmige Karosserie entstand aus handgeformten Aluminiumblechen über einem Stahlrohrrahmen. Trotz des unverändert übernommenen 1,1-Liter-Vierzylinder-Boxermotors mit 18 kW/24,5 PS erreichte der Sagitta bis zu 150 km/h.

Volkhart Sagitta V2 – Quelle: Bonhams
Volkhart Sagitta V2 – Quelle: Bonhams

Aufgrund der schlechten Ausgangslage nach dem Krieg, musste Kurt Volkhart seinen Sagitta V2 alsbald verkaufen. Eine Serienproduktion kam unter anderem deshalb nicht zustande, weil Volkswagen ihm keine Fahrgestelle verkaufen wollte. Hugo Tigges, der viele Materialien für den Bau des Sagitta besorgt hatte, übernahm das Unikat und nutzte es bis 1953 als Alltagsauto. Anschließend stellte er es in seinen Garten und machte einen Hühnerstall daraus. An dieser Stelle hätte die Geschichte dieses Autos unwiederbringlich enden können, doch glücklicherweise hörte Helmut Daum von dieser Nutzung. Daums Vater Hans war als Karosseriebauer an der Entstehung des Sagitta beteiligt. Helmut konnte den Wagen käuflich erwerben. Es folgten diverse weitere Besitzer und mit ihnen zahlreiche Umlackierungen. Ab 2011 gehörte der Volkhart Sagitta V2 zur Sammlung eines österreichischen Porsche-Fans, der ihn restaurieren und dabei vom damaligen dunkelgrün auf silber umlackieren ließ. Heute Abend sollte dieses Einzelstück mit besonderer Geschichte im Rahmen der Retromobile in Paris bei Bonhams unter den Hammer kommen. Die Experten des Auktionshauses erwarteten einen Zuschlagspreis im Bereich zwischen 1,8 und 2,6 Millionen Euro. Allerdings wurde das Auto kurz vor der Veranstaltung von der Auktion zurückgezogen und nicht versteigert.