Nach einem Jahr Pause meldet sich der Auto Salon in Brüssel zurück. Glücklicherweise, kann man aus Sicht der Autofans attestieren. Denn wirklich große Neuwagenausstellungen kann man in Europa inzwischen fast mit der Lupe suchen. Da war es schon ein wenig erstaunlich, dass diese traditionelle Veranstaltung in der belgischen Hauptstadt ausgerechnet nach der 100. Ausgabe im Jahr 2023 sang- und klanglos eingestellt werden sollte. Zumal das Argument „wenig Publikumsinteresse“ einfach nicht stimmen konnte, wenn man die Menge an Menschen an jedem der Messetage ins Kalkül zog, die durch die Hallen liefen und die ausgestellten Fahrzeuge bestaunten. Auch in diesem Jahr war der Parkplatz vor dem Messegelände pickepackevoll mit lokalen und teils weit angereisten Besuchern. Man konnte Kennzeichen aus den Niederlanden, Deutschland, Frankreich und Großbritannien finden. Also auf in die Hallen des 101. Auto Salon in Brüssel.
Eines hat diese Messe nach der Corona-bedingten Pause im Jahr 2021 leider noch nicht wieder erreicht: Ihre einstige Größe. Früher nahm der Auto Salon alle zur Verfügung stehenden Hallen des Brüsseler Messegeländes ein, dieses Jahr waren es immerhin fünf – nämlich die Hallen 5, 6, 7, 9 und 11 – sowie das sogenannte „Patio“, eine Ebene unterhalb des Eingangsbereiches. Der Blick in die Halle 5 versöhnt Autofans wie mich direkt mit dem Vorjahr. Letztes Jahr reiste ich ebenfalls nach Brüssel, da ein neuer Organisator die Veranstaltungszeit des Auto Salons für eine neue Motorshow übernommen hatte. Diese Veranstaltung sucht man jedoch in meinen Berichten hier auf der Seite bewusst vergeblich, da das gemeinsame Urteil von mir und meinen Mitreisenden mit „unterirdisch“ noch gnädig umschrieben ist. Nun stehen hier in Halle 5 also wieder professionelle Messestände wie in alten Zeiten. Auf ihnen glänzen Neuheiten, Konzeptstudien und zum Teil auch mal Klassiker im Rampenlicht.
Direkt am Eingang, durch den ich den Brüsseler Salon diesmal betrat, befand sich Alpine. Die französische Sportwagenmarke befindet sich aktuell – wie viele andere Hersteller – auf dem Übergang zu einer reinen Elektromarke, bietet jedoch weiterhin die A110 mit Verbrenner an. Hier stand sie als limitiertes Sondermodell A110 R Turini. Daneben glänzte der neue A290, der gemeinsam mit seinem Schwestermodell, dem Renault R5, am ersten Tag des Auto Salons zum European Car of the Year gewählt wurde. Die Konzeptstudien A390 Beta und Alpenglow warfen Blicke in die Zukunft von Alpine. Weiter ging es bei Dacia, die den Wüstenbuggy Sandrider als Eye-Catcher mitgebracht hatten. Bei der Muttermarke von Alpine und Dacia, Renault, ging es indes hoch her. Elektrische Retromodelle wie der neue R4 und der neue R5 erhielten optischen Beistand in Form der Konzeptstudien R17 Restomod und Twingo. Ersterer ist eine Neuinterpretation des 70er-Jahre-Coupés in Kooperation mit dem Künstler Ora Ïto (siehe hier) und Zweitgenannter ist eine Studie mit vielen optischen Merkmalen des Ur-Twingo, nun jedoch als Fünftürer und vollelektrisch.
Generell ist zu beobachten, dass einige Hersteller den Wandel zur Elektromobilität durch neue Fahrzeuge im Retrodesign einleiten. Neben Renault macht dies auch Fiat, wo man ja bereits seit rund 20 Jahren den 500 als Neuinterpretation eines Autos aus den 1950er Jahren feiert. Mit dem neuen 500e und seinem großen Bruder 600e belegen die Italiener bereits seit einiger Zeit den Kleinwagenmarkt. Nun soll der neue Topolino noch ein bis zwei Klassen darunter erste Käufer abgreifen. In vielen europäischen Ländern darf man diesen Winzling bereits mit 15 Jahren fahren. Deutlich darüber rangiert der ebenfalls neue Grande Panda, der mit seinen Ecken und Kanten gezielt an die „tolle Kiste“ aus den 80ern erinnert. Die Elektrifizierung macht derweil inzwischen auch vor der hauseigenen Sportmarke Abarth nicht mehr Halt. Mit 280 elektrischen PS ist der 600e Scorpionissima allerdings das bislang leistungsstärkste Auto seit Abarth vor rund 20 Jahren wiederbelebt wurde. Deutlich ruhiger ging es gegenüber bei den Kollegen der revitalisierten Marke Lancia zu. Der neue Kleinwagen Ypsilon polarisiert durch sein Design und erfreut Fans durch die Ankündigung, als Marke offiziell wieder am Rallyesport teilzunehmen. Ob dort jedoch an die großen Erfolge der Vergangenheit angeknüpft werden kann, die auf der Seitenflanke des Prototypen großmundig aufgeführt werden, darf bezweifelt werden. Das für mich schönste Fahrzeug der Messe gab es dann einen Stand weiter bei Alfa Romeo zu besichtigen. Der 33 Stradale ist zwar keine Weltneuheit mehr, wurde hier jedoch erstmalig in Belgien präsentiert und war damit für mich endlich mal in Reichweite, um ihn live zu begutachten. Leider bauen die Italiener lediglich 33 Exemplare, wodurch weitere Sichtungen selten bleiben werden. Spannend werden indes die Antworten auf zwei Fragen zu diesem Auto sein. Erstens: Schaffen es die Berater ihre Kunden zum selbst gesetzten Ziel zu führen, dass keine Konfiguration (Außen- und Innenfarbe) zweifach vergeben wird und zweitens: Wieviele Kunden wählen den 620 PS starken Benziner und wieviele den 750 PS starken Elektroantrieb?
Citroën als weitere Marke aus dem Stellantis-Konzern zeigte neben dem überarbeiteten Markenlogo (der Doppelwinkel hat nun eine ovale Umrandung) auch einen Ausblick in die nähere Zukunft in Form des C5 Aircross Concept. Peugeot hingegen kam ohne Neuheiten nach Brüssel. Bleibt noch der Blick auf einen Aston Martin Vantage Roadster, der zur Sportwagenvermietung „Turismo“ gehörte. Diese Firma stellte in diversen Hallen des Auto Salons ihre Schmuckstücke aus und ermöglichte es dabei den Besuchern, einmal hinter dem Steuer Platz zu nehmen und sich auf Wunsch auch fotografieren zu lassen.
Einen Durchgang weiter in Halle 6 begrüßte uns ein neuer knuffiger Kleinwagen von Hyundai. Ob allerdings die Farbe Elfenbeinweiß für den Inster die beste Wahl darstellt, bezweifle ich persönlich. Das matte Grün auf seinem Modellbruder Inster Cross ist allerdings auch nicht ganz nach meinem Geschmack. Der südkoreanische Hersteller präsentierte zudem die Studie Initium, einen mittelgroßen SUV mit Brennstoffzellenantrieb und relativ kantiger Designsprache, sowie den neuen Ioniq9 als großen SUV. Mit dem i20 WRC gewann man letztes Jahr die Rallye-Weltmeisterschaft. Nebenan bei MG feiert man weiterhin 100-jähriges Bestehen – auch wenn der heutige chinesische Hersteller eigentlich nur noch den Namen und das Logo mit der britischen Traditionsmarke gemein hat. Der offene Elektrosportwagen Cyberster kann jedoch optisch durchaus überzeugen.
Ein paar Meter daneben steht die Marke KGM und sorgt eventuell beim einen oder anderen Leser für Denkfalten: Wer, Bitteschön, ist KGM? Wenn man genau hinschaut und die Modellnamen liest, kommt man schnell dahinter, dass es beim Geländewagenbauer Ssangyong Anfang 2023 einen Besitzer- und Namenswechsel gegeben hat. Die KG Group, ein koreanisches Konsortium aus Stahl- und Chemiebetrieben, übernahm die Leitung des Autobauers, der nun offiziell KG Mobility heißt. Bei Suzuki stand unter anderem ein klassischer Kleinwagen namens Fronte im Rampenlicht, von dem in den 1960er Jahren lediglich 1.000 Exemplare gebaut wurden.
In Halle 7 ging es mit weiteren Ausstellungsstücken von Turismo weiter. Ein Bentley Continental GT und ein Ferrari 488 Pista luden zum Träumen ein, wobei das letztgenannte Auto zusätzlich an einen Animationsfilm aus dem Hause Disney/Pixar erinnerte. Bei Mazda feierte derweil die neue Elektromittelklasselimousine 6e ihre Europapremiere. Tesla-Konkurrent Lucid zeigte den Air Sapphire, Smart die SUV-Studie #5 und Xpeng aus China das serienreife Flugauto Aeroht. Ebenfalls aus China stammt der Supersportwagen BYD Yangwang U9, den ich bereits auf der Essen Motorshow begutachten konnte. Zudem zeigte ein belgischer Radiosender einen Aston Martin Vantage GT3, der im vergangenen Jahr am 24-Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps teilgenommen hat.
Entgegen der normalen Nummerierung der Hallen gelangt man von der 7 direkt in die 11. Dies hat vermutlich historische Gründe durch die nachträgliche Erweiterung des alten Messegeländes. Halle 11 nahm dieses Jahr die große Händlergruppierung d’Ieteren ein, deren sehenswertes Oldtimermuseum ich bereits vorgestellt habe (siehe hier). D’Ieteren ist in Belgien unter anderem für den Vertrieb aller Marken aus dem Volkswagen-Konzern sowie von Microlino verantwortlich. Bei VW gab es unter anderem die Konzeptstudie ID. GTI zu sehen, die einen Ausblick auf kommende Sportmodelle mit Elektroantrieb gibt. Auf dem Porsche-Stand glänzten neben dem neuen Panamera, einem Taycan 4S Sport Turismo und einem Macan Turbo Electric gleich zwei Exemplare des 911 der Baureihe 992.2. Während der 911 Carrera GTS etwas im Hintergrund parkte, nahm ein hellgelbes Exemplar des 911 Carrera Cabriolets mit blauem Stoffverdeck den Zentralplatz ein. Bentley zeigte den neuen Continental GTC und Lamborghini hatte wohl erstmalig in der Markengeschichte zwei Hybridmodelle in Form des Sportwagens Temerario und des SUV Urus SE auf dem Stand.
Der absolute Eye-Catcher dieser Halle war jedoch zweifelsfrei der Bugatti Bolide auf dem Gemeinschaftsstand von Bugatti-Rimac. Selbst der hellgrüne Rimac Nevera R daneben ging bei diesem Anblick ein wenig unter. Mit dem Bolide zeigt Bugatti ein letztes Mal auf, was mit dem riesigen W16-Triebwerk aus dem Chiron alles möglich ist, wenn die Ingenieure völlig freie Hand erhalten und eine Straßenzulassung von Anfang an ausgeschlossen wird. In Brüssel stand ein Vorserienprototyp in besonderer Farbgebung, die an den legendären Typ 35 erinnern sollte. Neben hellblauem Lack gab es schwarz und rot eingefärbtes Sichtcarbon. Die Auslieferung der 40 Serienautos läuft bereits. Deutlich zahmer zeigte sich der Microlino in einer außergewöhnlichen Spider-Variante. Ob diese jemals in Serienfertigung gehen wird darf man bezweifeln.
In der relativ schmalen Halle 9 tummelten sich ebenfalls einige Marken sowie weitere hochwertige Aussteller. Lotus stellte das aktuelle Modellprogramm vor, bei dem es Traditionalisten weiterhin schaudern dürfte. Der einst für besonders leichtgewichtige Sportwagen bekannte britische Traditionshersteller sieht sich inzwischen im Feld von Elektrolimousinen und Elektro-SUVs beheimatet. Den Emira mit seinem V6-Turbomotor zeigt man zwar auch noch, den Supersportwagen Evija hingegen gar nicht. Vier weitere Exponate von „Turismo“ sorgten für offene Münder und verträumte Augen. Interessanterweise stellte auch der Elektroautohersteller Tesla großflächig in Brüssel aus. Auf anderen Neuwagenmessen der Vergangenheit hatte sich die amerikanische Marke zurückgezogen. Hier standen jedoch nicht nur die aktuellen Modelle bis hin zum in Europa noch nicht angebotenen Cybertruck, sondern sogar die futuristische Studie Cybercab. Dieser zweisitzige, autonom fahrende Wagen soll zukünftig auf Abruf Taxidienste erledigen. Optisch entspricht er meiner Meinung nach allerdings eher dem Werk eines Fünfjährigen.
Das Brüsseler Automuseum AutoWorld machte durch einen klassischen Rennwagen vom Typ Maserati 4CL auf die aktuell laufende Sonderausstellung zu 110 Jahren Maserati aufmerksam. Darüber hinaus gab es diverse Anbieter von Sim-Racing und virtuellen Mitfahrten, die zum Teil ebenfalls sehenswerte Fahrzeuge ausstellten. Zu guter letzt wies ein am Hang geparkter Mercedes-Benz G 580 EQ auf die verbleibende Halle „Patio“ hin. Diese wurde von der Stuttgarter Marke komplett belegt. Neben den alltäglichen Modellen gab es hier auch einen Ausblick auf den kommenden CLA sowie das aktuelle Flaggschiff von Mercedes-Maybach zu sehen. Ob der SL 680 Monogram Series allerdings auf großes Gefallen in der angestrebten Käuferschicht trifft, weiß ich nicht. Man muss den Machern jedoch attestieren, dass sie wirklich viel versucht haben, um den Wagen vom normalen SL abzusetzen. So zeigen der untere Lufteinlass und die Motorhaube zahllose Maybach-Logos, was auf dem Stoffverdeck weiter fortgesetzt wird. Der Maybach-Schriftzug im Kühlergrill ist illuminiert. Bemühen war da, schön ist das Ganze aber aus meiner Sicht nicht. Dennoch interessant, diese Rarität live auf einer Messe sehen zu können.
Die Rückkehr des Auto Salon Brüssel hat sich aus meiner Sicht absolut gelohnt. Ich freue mich bereits jetzt auf die nächste Ausgabe im Januar 2026. Vielleicht kehren dann ja auch einige Marken in die belgische Hauptstadt zurück, die diesmal nicht dabei waren.
Bilder: Matthias Kierse