Es wurde mal wieder Zeit ein schönes Museum zu besuchen. Dabei ging es erneut über die deutschen Grenzen hinweg. Ziel war das meistbesuchte Museum der Schweiz, das Verkehrshaus in Luzern. Schon viele Male hatte ich Bilder von hier gesehen, nun bot es sich an, einmal selbst durch die Hallen zu wandeln. Bereits der Eingangsbereich zeigt sich dabei ungewöhnlich. Hinter der verglasten Fassade befinden sich mehr als 5.000 unterschiedliche Räder und Felgen aus der Kutschenära bis hin zu modernen Leichtmetallkonstruktionen sowie Propeller und Schiffsschrauben. Zudem beginnt der Blick auf Exponate bereits, bevor man überhaupt ins Foyer eintritt. So stehen ein Flughafen-„Finger“ – also der Zugang vom Terminal zum Flugzeug – der einst in Zürich genutzt wurde sowie ein Bohrkopf vom Gotthard-Tunnel vor dem Museum am Bürgersteig.
Ursprünglich sollte dieses Museum gar nicht in Luzern, sondern in Zürich stehen. Im Jahr 1942 konnte dort jedoch kein geeignetes Gelände gefunden werden. Der Verein Verkehrshaus der Schweiz, dem neben der SBB und der PTT auch Privatbahnen, Verkehrsorganisationen und diverse große Unternehmen aus Handel, Tourismus und Industrie angehören, erhielt schließlich von der Stadt Luzern ein 22.500 Quadratmeter großes Areal. Der Bau verschiedener Ausstellungshallen begann jedoch erst 1957. Zur Eröffnung lud der Verein bereits zwei Jahre später ein. Im Laufe der Zeit gab es viele Um- und Neubauten, erst jüngst wurden zwei neue Bereiche zu den Themen „Energiewende“ und „Agrarwirtschaft“ eröffnet.
Naturgemäß interessierte mich der Straßenverkehrsbereich am meisten, weshalb ich hier ein wenig vorgreife. Beim turnusgemäßen Rundgang im Uhrzeigersinn (wie er uns an der Kasse vorgeschlagen wurde), landet man hier erst als drittes. An der Fassade dieser Halle sind insgesamt 344 unterschiedliche Verkehrsschilder befestigt, wie sie an Schweizer Autobahnen und Landstraßen zu finden sind. Innen findet sich eine absolute Besonderheit in Form eines sechsstöckigen Hochregallagers mit verschiedenen Automobilen. Diese werden von einem Autolift-Roboter aus ihren Fächern geholt und zu einer Präsentationsbühne gebracht. Dort hilft eine Videopräsentation nebst eingesprochenem Text dabei, das individuelle Exponat näher kennenzulernen. Und dass sich das lohnt, kann man vermutlich bereits an ein paar Bildern erkennen.
Neben Vorkriegsklassikern und Sportwagen stehen hier auch Exponate aus der ehemaligen Sammlung von Monteverdi. Nachdem das Werksmuseum in Binningen aufgelöst wurde, gingen Sport- und Geländewagen, Limousinen und weitere Exponate ans Verkehrshaus, um der Nachwelt erhalten zu bleiben. Speziell die beiden Generationen des Schweizer Supersportwagens, namentlich der Hai 450 SS und der Hai 650 F1, sind in dieser Kombination weltweit nicht noch einmal zu sehen.
Im ersten Stockwerk zeigt aktuell eine kleine Sonderausstellung einen Blick auf die Historie von Volkswagen. Neben Nutzfahrzeugen wie dem T1 und dem LT findet man hier natürlich auch den Golf, den Käfer und den Scirocco. Aber auch Raritäten wie den New Beetle RSI oder den XL1 kann man erblicken. Kurz nach meinem Besuch kam eine Sonderausstellung zu 75 Jahre Porsche Sportwagen hinzu. Diese war jedoch nur zu erahnen. In der zweiten Etage standen einige Formel-1-Rennwagen von Red Bull Racing, ToroRosso und Sauber sowie der speziell für das PlayStation-Spiel Gran Turismo entwickelte Vision GT, der niemals in der Realität gefahren ist. Immer wieder stehen auch moderne Supersportwagen im Ausstellungsbereich. Gehofft hatte ich auf einige Bugatti, die jedoch bereits wieder in die Garage des Besitzers überführt wurden. Dafür stand ich unverhofft vor einem von nur 150 gebauten Aston Martin Valkyrie.
Wie bereits erwähnt war der Blick in die Straßenverkehrshalle ein Vorgriff im Ablauf des Rundgangs. Allerdings war der Bereich „Energiewende“ tatsächlich der am wenigsten Spannende im gesamten Verkehrshaus. Im anschließenden Ausstellungsbereich „Schienenverkehr“ sieht das ganze schon anders aus. Hier erfreuen nicht nur zahlreiche Lokomotiven das Auge, sondern auch diverse zusätzliche Exponate. Zudem macht das Museum hier deutlich, dass es nicht nur ein Ort toter Gegenstände sein will, sondern durch interaktive Stationen die kleinen und großen Besucher einläd, in die jeweiligen Themengebiete einzutauchen. Ob eine Draisinenfahrt über bergiges Gelände, eine Fahrt im Schnellzug durch den Gotthard-Basistunnel oder das Verladen von Containern per Kran – hier kann es in Simulatoren erlebt werden. Übrigens gab es natürlich auch entsprechende Möglichkeiten zum Thema Transport in der Halle „Straßenverkehr“.
Immer wieder wechselt man im Verkehrshaus zwischen überdachten Themenhallen und Exponaten unter freiem Himmel hin und her. Dieser Wechsel macht das Museum speziell bei gutem Wetter umso reizvoller. So stehen im Innenhof beispielsweise einige Eisenbahnwaggons, aber auch ein klassisches Dampfschiff oder ein U-Boot, mit dem neugierige Besucher der EXPO 1964 den Grund des Genfer Sees erkunden konnten. Auch die Halle zum Thema „Schifffahrt“ kann sich sehen lassen. Neben zahlreichen Schiffsmodellen in diversen Maßstäben gibt es hier ein funktionstüchtiges Schleusenmodell und einen Ruderwettbewerb, bei dem bis zu vier Besucher virtuell gegen ein Schiff antreten. Im zweiten Stock dieser Halle geht es um ein Thema, das für alpine Länder wie die Schweiz wohl typischer kaum sein könnte: Berg- und Seilbahnen.
Wer von den bisherigen Hallen bereits begeistert war, dürfte beim Betreten der „Luftfahrt“-Ausstellung vermutlich – wie ich – erst einmal kurz stehenbleiben und Luft holen. Unter der Decke tummeln sich diverse Flugzeuge aller Baujahre im perfekten Zustand und geben so einen guten Überblick über die Entwicklungen der unterschiedlichen Jahrzehnte. Hinzu kommen viele Kleinexponate und natürlich die interaktiven Stationen. So kann man beispielsweise versuchen, seinen eigenen Namen zu morsen. Die oberste Etage widmet sich hingegen fernen Welten und Galaxien. Passend dazu kann im Foyer ein Zusatzticket für ein Planetarium gebucht werden. Vor der Halle stehen nicht nur originale Flugzeuge, sondern auch ein ausgemustertes Flugfeldlöschfahrzeug.
Konnten Sie schon einmal am eigenen Leib kennenlernen, wieviel Wind ein landender Helikopter erzeugt? In diesem Museum geht das und ist nicht unwichtig, da das Verkehrshaus seinem edukativen Auftrag in besonderer Weise nachkommt und das korrekte Verhalten aufzeigt, wenn man einen Rettungshubschrauber gerufen hat. Passend dazu ist auch ein Luftrettungsflugzeug zu besichtigen, mit dem Patienten aus der ganzen Welt zurück in die Schweiz geflogen wurden.
Weitere Sondertouren, beispielsweise in die Welt der Schweizer Schokolade oder in ein eigenes Kino, haben wir uns gespart. Ebenso kam hier im Text und den Bildern der im normalen Eintrittspreis inkludierte Rundgang im „Hans Erni Museum“ nicht zu Wort. Dies liegt nicht daran, dass dieses Gebäude sich nicht lohnen würde, sondern daran, dass ich nur sehr begrenztes Interesse an Kunst habe. Lohnt der Besuch in Luzern sich also? Ja, man sollte aber den Eintrittspreis von 35,- CHF (nur Museum) im Hinterkopf behalten.
Bilder: Matthias Kierse