Besuch in der Automobile Welt Eisenach

Deutschlands Automobilhistorie reicht weit zurück und umfasst viele inzwischen lange vergessene Marken. Für mich als Westdeutschen ist speziell die Firmengeschichte der ostdeutschen Hersteller interessant. Daher nutzte ich am Wochenende die Chance, das ehemalige Werksgelände der Automobilwerke Eisenach (AWE) zu besuchen. Hier lief einst der Wartburg vom Band, doch damit begann und endete die Geschichte nicht. Heute befindet sich im ehemaligen Verwaltungsgebäude ein sehenswertes Museum, die Automobile Welt Eisenach (wieder als AWE abgekürzt). Neben Wartburg Fahrzeugen zeigt die Ausstellung die gesamte Geschichte des Automobilbaus in der Stadt Eisenach auf. Los ging es bereits 1898.

Automobile Welt Eisenach – Bild: Matthias Kierse

Genau mit diesem ersten Automobil, benannt nach der berühmten Wartburg oberhalb der Stadt, startet auch der Rundgang durch die Ausstellung. Zwischen 1898 und 1901 entstanden 307 Exemplare als Lizenzbau der französischen Firma Decauville. Ab 1904 existierte die neue Marke DIXI, die qualitativ hochwertige Fahrzeuge in Eisenach produzierte. Diese waren auch bei manchen Motorsportveranstaltungen am Start. Während des Ersten Weltkriegs stellte DIXI auf Rüstungsgüter um, anschließend litt man sehr unter der Hyperinflation. Große Luxusautos konnten kaum noch abgesetzt werden. 1921 übernahm die Waggonfabrik Gotha das Ruder. Sie erreichte sechs Jahre später eine Kooperation mit Austin aus Großbritannien, um den Austin Seven in Lizenz fertigen zu können. Da die Eigentümergesellschaft sich an der Börse verspekuliert hatte, musste sie die DIXI-Werke 1928 an BMW aus München verkaufen. Diese stieg damit vom Motorrad- und Flugmotoren- zum Autobauer auf. Aus dem DIXI 3/15 PS wurde erst der BMW 3/15 PS und schließlich der BMW 315. Es folgten Weiter- und Neuentwicklungen bis hin zum Sportwagen 328 Roadster. 1937 entstand vor den Toren von Eisenach zudem ein neues Werk für Flugzeugmotoren, die beispielsweise in der Junkers JU-52 und anschließend in diversen Militärflugzeugen des Zweiten Weltkriegs Verwendung fanden.

Wartburg-Motorwagen Modell 1 (1899) – Bild: Matthias Kierse
DIXI R8 6/14 PS Doppelphaeton (1910) – Bild: Matthias Kierse
DIXI 3/15 PS, BMW 3/20 PS AM4 und BMW 315 – Bild: Matthias Kierse
BMW 328 Roadster – Bild: Matthias Kierse
BMW 801 Flugzeugmotor – Bild: Matthias Kierse

Durch die Aufteilung Deutschlands unter den Alliierten nach Kriegsende unterlag Eisenach plötzlich sowjetischer Kontrolle. BMW hatte damit keinen Zugriff mehr auf die Fertigungsstätten und musste sich in München komplett neu aufstellen. Mitarbeiter, die vor dem Krieg in Eisenach Autos gebaut hatten, machten nun eigenständig weiter und fertigten anfänglich Kochgeschirr und Handwagen. Im Juli 1945 entstanden aus Teilerestbeständen und mit alten Plänen fünf Exemplare des Vorkriegsmodells 321. Damit konnten die Mitarbeiter das sowjetische Oberkommando überzeugen, die Fabrikation nicht abzubauen und Richtung Osten zu transportieren. Stattdessen durften sie wieder Automobile und Motorräder fertigen. 70 Prozent der Produktion des sowjetischen Staatsbetriebs „SAG Awtowelo-Werk BMW Eisenach“ gingen gemeinsam mit einigen Maschinen des Flugmotorenwerks in die Sowjetunion. In kleiner Auflage gelangten einige Autos nach Belgien, Luxemburg sowie in die Schweiz und die Niederlande. Bis 1950 entstanden 8.988 BMW 321 (vor dem Krieg war lediglich 3.814 vom Band gelaufen).

Die Geschichte nach BMW

Es mag kaum verwundern, aber BMW fand es nicht besonders lustig, dass unter der Markenbezeichnung in Ostdeutschland weiterhin Autos entstanden. Entsprechenden Klagen folgte schließlich die Umbenennung der Eisenacher Fahrzeuge in EMW (Eisenacher Motoren Werke). Das Logo wandelte sich von blau-weiß zu rot-weiß. 1952 übergab die Sowjetunion das Werk in Eisenach an die Staatsregierung der DDR. Kurz darauf verlagerte man die Produktion des IFA F9 aus dem Horch-Werk Zwickau nach Eisenach, wodurch er intern zum EMW 309 wurde. Ab 1953 entwickelte die IFA (Industrieverband Fahrzeugbau) ein neues Mittelklassefahrzeug unter dem Code EMW 311 mit Technikkomponenten vom IFA F9. Da BMW gegen das Logo und den Namen EMW weiterhin vor Gericht zog, wechselte man zum Verkaufsnamen Wartburg 311. Dieses Modell erschien in insgesamt neun Karosserievarianten und wurde in 31 Länder exportiert. Parallel dazu entstanden für das staatlich geförderte Rennkollektiv der DDR unter der Bezeichnung AWE (Automobilwerk Eisenach) einige Rennfahrzeuge. Im Museum ist die dritte Generation namens R 3 zu sehen. Diesem Modell gelang 1955 ein Doppelsieg in der Klasse bis 1,5 Liter Hubraum beim Eifelrennen auf dem Nürburgring.

IFA F9 / EMW 309 – Bild: Matthias Kierse
Wartburg 313/1 Coupé – Bild: Matthias Kierse
AWE R 3 Rennkollektiv-Wagen – Bild: Matthias Kierse

In einem zweiten Raum bietet das Museum einen Überblick über diverse besondere Exponate. So konnte man in den 1990er Jahren den kompletten Maschinenpark einer DIXI-Werkstatt aus Süd-Thüringen übernehmen. Diese dienten Hermann Gundermann und seinen Mitarbeitern der Reparatur und Neuanfertigung von Teilen sowie der Überholung von Kurbelwellen, Zylinderblöcken und Zahnrädern. Vor dem Zweiten Weltkrieg verkaufte sein Autohaus neben DIXI auch Adler, Cyclon, Henschel, DKW, Wanderer und Opel sowie nach der DIXI-Übernahme BMW. Nach dem Krieg betätigte sich das Team als freie Werkstatt und wurde schließlich 1964 zur Wartburg Vertragswerkstatt. Die über Transmissionsriemen angetriebenen Geräte blieben bis 1990 in Betrieb. Einige Meter neben der nachgebildeten Werkstatt ist eine typische Garagenszene aus der DDR nachgebildet. Teilemangel machte es nötig, den eigenen PKW selbst zu warten. Drei direkt nebeneinander ausgestellte Wartburg-Modelle zeigen den technischen Stillstand auf, der von der DDR-Regierung angeordnet wurde. Am 10. April 1991 lief der finale Wartburg vom Band. Das Werksgelände rund um das AWE-Museum wurde größtenteils abgerissen. Trotzdem endete damit nicht die Autoproduktion in Eisenach. Bereits 1990 eröffnete Opel ein neu errichtetes Werk, wo seither beispielsweise der Vectra, der Astra oder der Corsa vom Band liefen.

DIXI-Werkstatt aus Süd-Thüringen – Bild: Matthias Kierse
Typische DDR-Garage – Bild: Matthias Kierse
Wartburg 1000 312-1 (1965), Wartburg 1000 353 (1966) und Wartburg 353 S (1988) – Bild: Matthias Kierse
Der allerletzte je gebaute Wartburg – Bild: Matthias Kierse
Opel Vectra A, Opel Astra F und Opel Grandland X aus Eisenacher Produktion – Bild: Matthias Kierse

Im Obergeschoss dient ein Raum der Erinnerung an die Geschichte des Standortes, an dem heute das Museum steht. Besonders imposant ist dabei ein Modell des Wartburg-Werks im Maßstab 1:87. Kaum zu glauben, dass von den vielen Gebäuden heute nur noch der ehemalige Verwaltungstrakt (heute Museum), das Haupttor und die Produktionshalle O1 stehen. Letztere soll in nächster Zeit in eine Halle für Schul- und Vereinssport umgebaut werden. Teile der alten Konstruktionsabteilung zeigen auf, dass man sich stets mit Weiter- und Neuentwicklungen beschäftigte. Dies unterstreichen auch diverse erhalten gebliebene Modellfahrzeuge. Leider gab es unter der Leitung der DDR-Staatsregierung nur eingeschränkte finanzielle Möglichkeiten. Die allermeisten Neuentwicklungen blieben im Prototypenstadium stecken. Dies galt bis zuletzt mit dem Wartburg 1.3 New Line, den der Opel-Tuner Irmscher 1991 vorstellte. Zu diesem Zeitpunkt war das Produktionsende des Wartburg bereits absehbar. Auch das Wartburg 355 Coupé oder der 610M/1 als gemeinsamer Nachfolger von Trabant und Wartburg gingen nie in Serie.

Modell des Wartburg Werks in 1:87 – Bild: Matthias Kierse
Konstruktionsabteilung von Wartburg – Bild: Matthias Kierse
Modelle nicht umgesetzter AWE-Fahrzeuge – Bild: Matthias Kierse
Wartburg 355 Coupé Prototyp – Bild: Matthias Kierse
Wartburg/Sachsenring 610M/1 Prototyp – Bild: Matthias Kierse
Wartburg 1.3 New Line by Irmscher – Bild: Matthias Kierse

Obwohl der Wartburg mit seinem Zweitaktmotor aus heutiger Sicht kaum geeignet erscheint, wurde er in der DDR und weiteren Ländern hinter dem Eisernen Vorhang für den Motorsport verwendet. Selbst in Westeuropa tauchten der 311, der 312 und der 353 einige Male auf Rallyepisten auf. Bei Wartburg entstanden sogar eigens Renntransporter namens Rallye Trans. Selbst als der Wartburg 1988 auf den 1,3-Liter-Viertakt-Vierzylindermotor umgerüstet wurde, gab es davon eine finale Rallyeversion. Das Museum in Eisenach zeigt zusätzlich auch einen Melkus RS1000, den einzigen Seriensportwagen der DDR. Hinzu kommt ein Opel Corsa C Super 1600. Im Sonderausstellungsbereich stehen noch bis März 2023 Polizei-Fahrzeuge aus Eisenacher Produktion.

Wartburg 353 auf Wartburg Rallye Trans – Bild: Matthias Kierse
Melkus RS1000 – Bild: Matthias Kierse
Opel Corsa C Super 1600 – Bild: Matthias Kierse
„Polizeifahrzeuge aus Eisenach“-Sonderausstellung – Bild: Matthias Kierse