Fahrbericht: Pininfarina Battista Edizione Nino Farina

Pininfarina – dieser italienische Name hat in der Automobilszene seit vielen Jahrzehnten einen guten Klang. Gegründet wurde die Firma im Jahr 1930 durch Battista Farina. Da er der kleinere Bruder in der Familie Farina war, nannten ihn alle „Pinin Farina“ (der kleine Farina), was er für seinen Karosseriebaubetrieb „Carrozzeria Pinin Farina“ übernahm. Sein älterer Bruder Giovanni besetzte diesen Handwerkszweig bereits seit 1906 mit seiner Firma „Stabilimenti Farina“ und so brauchte es eine namentliche Abweichung. Im Laufe der Zeit sorgten Battista und sein Team für zahllose atemberaubende Konzeptstudien und wunderschöne Karosserien für Großserienfahrzeuge, beispielsweise von Fiat, Peugeot, Alfa Romeo, Lancia, Austin, MG, Jaguar oder Maserati. Bei Ferrari ging die Kooperation sogar soweit, dass fast alle Straßensportwagen zwischen 1960 und 2010 durch Pininfarina gestaltet wurden. Nanu, fragt sich nun vielleicht der ein oder andere Leser, war der Name nicht eben noch zweigeteilt? Richtig. Battista erhielt jedoch 1961 vom italienischen Staatspräsidenten die offizielle Genehmigung, seinen Ruf- und Familiennamen zu kombinieren und daraus ein Wort – Pininfarina – zu machen. Dies übertrug er selbstverständlich auch auf seine Firma, die nach seinem Tod durch seinen Sohn und seine Enkel weitergeführt wurde.

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Springen wir einige Jahre vor, so erlebte die Marke 2015 die Übernahme durch den indischen Konzern Mahindra. Vier Jahre danach präsentierte man auf dem Genfer Autosalon erstmals ein Fahrzeug, das von Anfang an ganz bewusst als Pininfarina auf die Straße rollen sollte. Bereits in den 1980er Jahren gab es den Pininfarina Volumex, der jedoch nicht viel mehr als eine leistungsstärkere Fortsetzungsproduktion des Fiat 124 Spider war. Nun jedoch wollte man mit der Sparte Automobili Pininfarina neue Wege befahren. Dass man gutes Design konnte, hatte man hinlänglich bewiesen und zeigte es auch am anfangs noch unter dem Kürzel PF0 präsentierten Hypercar. Innerhalb der Corona-Jahre entstand daraus ein serienreifer Elektrosportwagen, bei dessen technischen Innereien die kroatische Firma Rimac Pate stand. Zudem erhielt das Projekt einen würdigen Namen: Battista. Mit ihm begann einst alles, nun beginnt mit seinem Vornamen auch das neue Zeitalter als Autohersteller.

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Insgesamt entstehen vom Pininfarina Battista lediglich 150 Exemplare. Im Sommer 2023 kündigten die Italiener an, dass fünf Fahrzeuge zur exklusiven Edizione Nino Farina gehören werden. Nino war der Sohn von Giovanni, also Battistas Neffe. Darüber hinaus kennen Motorsportfans seinen Namen jedoch auch als ersten Gewinner eines Grand Prixs im Rahmen der Formel 1 sowie als ersten F1-Weltmeister im Jahr 1950. Jedes der fünf Fahrzeuge ist einer Errungenschaft im Leben von Nino Farina gewidmet und entsprechend gestaltet. Damit bleibt Pininfarina dem Konzept treu, dass keine Battista-Konfiguration, die von einem Kunden bestellt wurde, noch ein zweites Mal genauso bestellt werden kann. Jedes Auto wird ein Unikat.

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Doch nun endlich genug der einleitenden Worte. Oben über diesem Text steht „Fahrbericht“, also rein ins Auto. Dies gelingt beim Pininfarina Battista durch nach vorn und oben öffnende Schmetterlingstüren. Die bequemen Sportschalensitze sind bei der Edizione Nino Farina zweifarbig und zugleich konträr zueinander gestaltet. Der Fahrer sitzt auf einem dunkel bezogenen Sitz mit hellen Akzenten, beim Beifahrer ist es umgekehrt. Hinter dem Lenkrad befindet sich zentral ein kleines Display, rechts und links daneben sitzen zwei größere Touchscreendisplays. Da diese teilweise vom Lenkradkranz verdeckt werden, zeigen sie in genau diesem Bereich nichts an – der Fahrer kann also keine wichtigen Informationen übersehen. Ansonsten ist das Armaturenbrett sehr übersichtlich gestaltet. Wenige Knöpfe, keine weiteren Displays und eine kleine Leiste für die Ambientebeleuchtung – mehr braucht man nicht. Etwas Gewöhnung ist lediglich für die Anordnung der Blinkerbedienung am Lenkrad anstelle eines Lenkstockhebels nötig – Ferrari-Besitzer kennen diese Idee natürlich schon.

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Mein erster Eindruck: das Carbon-Monocoque sorgt für eine gewisse Enge, die jedoch keinesfalls als unangenehm bezeichnet werden muss, sondern einfach zu einem Supersportwagen dazugehört. Etwas merkwürdig ist die Verstellung des Beifahrersitzes, die vom Fahrer am linken Display aktiviert werden muss, um dann am rechten Display ausgeführt zu werden. Aber ganz ehrlich: wie oft verstellen Sie den Beifahrersitz in ihrem Sportwagen? Außerdem darf ein italienisches Auto durchaus ein paar liebenswerte Schrullen haben, solange alles andere bestens funktioniert. Und, um es vorwegzunehmen, das war der Fall. Abgesehen von einem „stolpernden“ Blinkergeräusch, das dem Vorserienstand des Wagens anzurechnen ist, konnte der Battista bei meiner rund einstündigen Fahrt in jeder Hinsicht punkten.

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Die Lenkung ist sportlich direkt wie in einem Go-Kart. Eine schwammige Mittellage oder das Gefühl, keine Verbindung zu den Vorderrädern zu haben, kommt zu keinem Zeitpunkt auf. Durch das Verstellen der vier Fahrmodi wird sie im Gegenteil sogar nochmals ein wenig direkter und vermittelt jederzeit die Bereitschaft, die Fuhre um jede noch so enge Ecke zu befördern. Damit dabei am Ende nicht das Heck nach vorne zeigt oder das Fahrmanöver unfreiwillig im Acker endet, ist ein Torque-Vectoring-System an Bord. Jeder der vier Elektro-Radnabenmotoren wird individuell angesprochen und sensorgestützt so gesteuert, dass der Battista wie auf unsichtbaren Schienen um die Kurven schießt. Im öffentlichen Straßenverkehr merkt man dies nur selten, aber wenn, dann in Situationen, in denen das menschliche Gehirn bereits Möglichkeiten ausrechnet, wie man die Dellen in der Karosserie hinterher schönredet. Auf abgesperrten Rennstrecken dürfte dieses System Fahrmanöver zulassen, die für normale Autofahrer undenkbar sind.

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Das Verstellen der Fahrmodi verändert jedoch nicht nur die Lenkung. Es nimmt auch Einfluss auf die Leistungsabgabe der Motoren, die Federung und den Soundgenerator. Ja, auch ich gehöre zu jenen Menschen, die lieber einen echten V8, V10 oder V12 hören, aber der künstlich erzeugte Sound des Battista hat mich unterwegs keinesfalls enttäuscht. Zudem steht hier konstant eine Leistung zur Verfügung, die andere Sportwagen selbst mit Turboaufladung kaum bieten können. Bringen wir mal einige Zahlen ins Spiel: die vier Elektromotoren kommen kombiniert auf 1.900 PS und 2.300 Newtonmeter Drehmoment. Und weil es eben keine Verbrenner sind, die über Drehzahl ihre Kraft entwickeln, steht die Power ab der ersten leichten Berührung des Gaspedals parat. Im höchsten der vier Fahrmodi beschleunigt der Battista bei gutem, trockenen Untergrund in 1,8 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h, erreicht nach 4,8 Sekunden 200 und nach 10,4 Sekunden 300. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 350 km/h. Aufgrund der Verkehrssituation während meiner Testfahrt konnte ich dieses Tempo nicht erreichen, wohl jedoch einige atemberaubende Zwischenspurts einlegen. Den Abstand zum vorausfahrenden Auto des Fotografen „zoomt“ man problemlos einfach weg. Dabei kann man auf die gute Verzögerungswirkung der Bremsanlage ebenso vertrauen wie auf den Grip der Michelin-Bereifung. Dennoch merkt man in seltenen Fällen dann doch, dass der Pininfarina Battista kein Leichtgewicht ist. Das 120-kWh-Akkupaket macht sich eben nicht nur bei der guten Reichweite bemerkbar, sondern auch beim Gesamtgewicht von rund 2,3 Tonnen. Ebenso bemerkenswert ist der Preis für dieses Hypercar. In der Grundversion liegt der Battista bei etwa 2,2 Millionen Euro. Die Edizione Nino Farina kostet etwa drei Millionen Euro (jeweils zzgl. MwSt.). Dafür kann man sich jedoch sicher sein, ein individuelles Unikat mit hohem Fahrspaßfaktor und Wertsteigerungspotenzial zu besitzen.

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Bilder: Matthias Kierse, Adrian Mark (@am.photogrphy)