Während heute fast die gesamte Automobilindustrie über Elektroantriebe philosophiert, galten in den 1960er Jahren noch andere Maßstäbe. Dennoch bildeten sich in dieser Zeit bereits Qualitäten heraus, die man den Fahrzeugen aus bestimmten Ländern zuordnete. So entstanden in Deutschland solide Mittelklasseautos, in Großbritannien luxuriöse Limousinen, in den USA die ersten Muscle Cars und in Italien rassige Sportwagen. Besonders bekannt waren in Italien natürlich Ferrari und die 1963 begründete Marke Lamborghini. Heute eher unbekannt ist inzwischen Iso Rivolta, ein Unternehmen von Renzo Rivolta, das ursprünglich Kühlschränke und Kühlanlagen produzierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte man auch Motorroller und Motorräder, sowie ab Anfang der 1950er den Kleinstwagen Isetta (später unter anderem von BMW in Lizenz gefertigt). Doch Renzo Rivolta hatte Größeres vor und griff Anfang der 1960er begeistert zu, als durch interne Streitigkeiten bei Ferrari bekannte Ingenieure wie Giotto Bizzarrini plötzlich zur Verfügung standen. Nach seinem plötzlichen Tod im Jahr 1966 übernahm sein Sohn Piero die Firmenleitung.
Nach dem viersitzigen Iso Rivolta IR300 folgte bereits zwei Jahre später ein zweisitziger Grand Tourer mit dem Modellnamen Grifo (zu deutsch: Greif). Beide Modellreihen entstanden auf gleiche Art. Bizzarrini entwickelte in seinem Designbüro in Livorno einen Plattformrahmen mit Kastenträgern, der anschließend zum Karosseriebauer Bertone geschickt wurde. Beim Grifo fiel der Radstand 20 Zentimeter kürzer aus. Angetrieben wurden die Sportwagen durch V8-Triebwerke aus US-amerikanischer Produktion. Anfänglich war es der 5,4 Liter große Motor aus der Chevrolet Corvette. Zudem gab es von 1968 bis 1970 parallel zum normalen Modell auch den „7 Litri“, dessen Hubraum bereits im Beinamen steckte. 1970 stieg der Hubraum der Grundversion auf 5,7 Liter und die des Topmodells auf 7,4 Liter, verbunden mit einem Namenswechsel auf „Can Am“. Zwei Jahre später überwarf sich Iso mit General Motors und wechselte auf V8-Triebwerke von Ford. Auch Bremsen, Getriebe, Lenkung und Sperrdifferenzial kaufte Iso von Zulieferern.
Giorgetto Giugiaro hatte den Grifo als zweisitziges Coupé gezeichnet. Bei seinem Design ließ er sich von zeittypischen Konzeptfahrzeugen wie der Corvette Rondine I, die Tom Tjaarda bei Pininfarina gezeichnet hatte, inspirieren. Eine Besonderheit des Iso war die Panorama-Heckscheibe, deren Form sich bis zum Heckabschluss durchzog. Noch vor Beginn der Serienproduktion entstand eine Spyder-Variante, die jedoch ein Einzelstück blieb. Auf Wunsch einiger Kunden gab es bald optional ein Stahlschiebedach oder ein Faltschiebedach aus Stoff. Schließlich entwickelte der Mailänder Karosseriebauer Pavesi ein zweiteiliges Targa-Dach zwischen Windschutzrahmen und dem Überrollbügel hinter den Türen. Je nach Quelle entstanden zwischen 1966 und 1970 zwischen 13 und 17 Exemplare des Grifo Targa. Ein kleiner Teil der Gesamtproduktion, die wohl rund 412 Grifos insgesamt umfasste.
Der 1966 von Pavesi in Mailand präsentierte erste Iso Grifo Targa erhielt neben den beiden Dachteilen auch ein Kunststoff-Fenster hinten, das per Reißverschluss herausgenommen werden konnte. Auf diese Weise herrschte reichlich Frischluft im Cockpit. Porsche verfolgte bei den frühen 911 Targa einen ähnlichen Ansatz. Allerdings stand nach ersten Erprobungsfahrten schnell fest, dass die fehlende Glasheckscheibe beim Grifo einen negativen Einfluss auf die Torsionssteifigkeit der Karosserie hatte. Daher bot Iso diese Variante letztlich nur mit fest verbauter Scheibe und zusätzlich versteiftem Chassis an. In den Broschüren tauchte das Auto als „Grifo S“ auf. In der Iso-Fabrik in Bresso entstanden 13 Targas, während bei Pavesi wohl noch einige weitere Exemplare umgerüstet wurden. Daraus resultieren heute die unterschiedlichen Zahlen. Chassisnummer GL950286, das Fahrzeug in diesem Bericht, lief am 10. Oktober 1969 in Rot mit schwarzem Leder-Interieur vom Band und ging an einen Erstbesitzer in Deutschland. Vor rund 15 Jahren fand der aktuelle Besitzer den Grifo in „Scheunenfundzustand“ und ließ ihn anschließend in Italien umfangreich restaurieren. Im Rahmen einer Autoversteigerung von Bonhams in Mailand kommt das Auto am Freitag unter den Hammer und soll dabei zwischen 650.000 und 750.000 € einbringen.