Mercedes-Benz 300 SL Roadster

Es gibt automobile Klassiker, über die man eigentlich nicht mehr viele Worte verlieren muss. Aus deutscher Produktion gehören ohne Zweifel der Volkswagen Käfer, der Porsche 911 und der Mercedes-Benz 300 SL dazu. Letzterer entstand ursprünglich als reines Rennfahrzeug. Durch den US-amerikanischen Importeur Max Hoffman kam es schließlich zu einer Serienumsetzung. Von 1954 bis 1957 gab es das heute legendäre Coupé mit Flügeltüren. Anschließend folgte der Roadster mit konventionellen Türen, der bis 1963 vom Band lief. 1.400 Coupés und 1.858 Roadster gab es insgesamt. Heute ist jedes einzelne Exemplar ein gesuchter Oldtimer. Etwas ganz Besonderes ist es, wenn ein solches Auto von der Auslieferung bis heute im Familienbesitz geblieben ist. Ein solches Beispiel ist der hellelfenbeinfarbene Roadster auf den Bildern in diesem Artikel.

Mercedes-Benz 300 SL Roadster – Quelle: RM Sotheby’s
Mercedes-Benz 300 SL Roadster – Quelle: RM Sotheby’s

Bei diesem Auto handelt es sich um ein sehr spätes Exemplar aus dem Baujahr 1963. Entsprechend verfügt es über einen drei Liter großen Sechszylinder-Reihenmotor mit Aluminiumblock und Scheibenbremsen an allen vier Rädern. Vor diesem Auto hatte Ron Cushway 1958 einen gebrauchten 300 SL Roadster erworben, mit dem er und seine Frau Trudy quer durch Europa reisten. Unter anderem nahmen sie an Rallye-Veranstaltungen des Mercedes-Benz Clubs teil. Bei einer dieser Veranstaltungen im Jahr 1962 besuchten sie das Mercedes-Benz Werk, wo darüber berichtet wurde, dass der 300 SL im Folgejahr aus der Produktion auslaufen und gegen die SL „Pagode“ getauscht werden sollte. Mr. Cushway bestellte daraufhin eines der finalen Fahrzeuge und erhielt letztlich das 17.-letzte Exemplar. Aufgrund der bevorstehenden Produktionsumstellung bot Mercedes-Benz damals die verfügbaren Extras zu Sonderpreisen an. Dieser SL erhielt daher ein Radio, einen zusätzlichen Radsatz sowie weitere Details. Ron Cushway holte den 300 SL Roadster eigens im Werk in Sindelfingen ab und fuhr ihn in den folgenden fünf Tagen in der näheren Umgebung ein. Nach 800 Meilen kehrte er ins Werk zurück und ließ einen Ölwechsel durchführen, bevor es auf Achse nach Hause nach Großbritannien ging.

Mercedes-Benz 300 SL Roadster – Quelle: RM Sotheby’s

Unglaublich, aber wahr: Der 300 SL Roadster wurde zum Alltagsauto der Familie Cushway. Ron fuhr seine Frau darin am 11. November 1963 zum Krankenhaus, wo ihr Sohn Martin das Licht der Welt erblickte. Er ist inzwischen seit x Jahren Halter des Wagens. Seine Eltern arbeiteten hart, aber nutzten den 300 SL Roadster so oft wie möglich für Reisen innerhalb Europas. Beispielsweise ging es in jedem Mai für zehn Tage zum Urlaub nach Portugal. In den 1980er Jahren übernahm Martin die Firma und seine Eltern begannen wieder damit, an Rallyes teilzunehmen. Hierfür bereitete Ron Cushway den 300 SL in der hauseigenen Werkstatt umfangreich vor. Zudem entwickelte er einige interessante Upgrades wie ein mechanisches ABS. Alle Veränderungen setzte er so um, dass sie rückstandslos wieder ausgebaut werden können. Durch die vielen Kilometer quer durch Europa und in der heißen Sonne musste das Auto irgendwann nach Werksspezifikationen neu lackiert und beledert werden. Zudem wurde der Motor insgesamt dreimal revidiert, zweimal im Werk und 2002 bei Kienle. Insgesamt kamen bisher mehr als 380.000 Meilen Laufleistung zusammen.

Mercedes-Benz 300 SL Roadster – Quelle: RM Sotheby’s
Mercedes-Benz 300 SL Roadster – Quelle: RM Sotheby’s
Mercedes-Benz 300 SL Roadster – Quelle: RM Sotheby’s

Anfang der 2000er Jahre starben die Eltern von Martin Cushway und er verkaufte das von ihnen begründete Ingenieursbüro. Statt dort zu arbeiten bot er Freunden seiner Eltern an, ihre Mercedes-Benz 300 SL zu reparieren und zu restaurieren. Inzwischen kümmert er sich permanent um rund 45 Exemplare aus Großbritannien, Belgien und Österreich. Beim eigenen 300 SL Roadster dauerte es ein wenig, ehe Martin Cushway den Wert und die Seltenheit erkannte. Spätestens als die Preise für Ersatzteile deutlich stiegen, konnte er das Auto nicht mehr einfach an der Straße parken oder damit zum nächsten Supermarkt zum Einkaufen fahren. Er ließ den Roadster schließlich für einige Zeit bei Kienle in Deutschland einlagern. Dadurch gewöhnte er sich daran, den Wagen nicht mehr täglich zu sehen und kam schließlich auf die Idee, ihn zu verkaufen. Dies geschieht vom 5. bis 7. Oktober in einer speziellen Auktion von RM Sotheby’s. Dabei erwartet das Auktionshaus einen Zuschlagspreis zwischen £ 1.500.000 und £ 2.000.000.