Wenn Sie an einen Porsche 911 denken, was ist dann das unwahrscheinlichste Szenario, das Sie sich für dieses Fahrzeug vorstellen können? Nehmen wir an dieser Stelle mal Ausflüge auf den Mond oder andere Planeten aus, so bleiben vermutlich eine Ozeanüberquerung aus eigener Kraft oder Fahrten auf den Gipfel eines Vulkans übrig. Letzteres nahmen zwei speziell vorbereitete 911 der Baureihe 992 nun jedoch tatsächlich in Angriff. Eingesetzt wurden die von Porsche aufgebauten Fahrzeuge durch das Team RD Limited vom dreifachen Le-Mans-Gewinner Romain Dumas. Als Ziel wählte man nicht irgendeinen Vulkankegel, sondern den Gipfel des höchstgelegenen Vulkans der Welt, dem Ojos Del Salado in Chile. Mit einer Höhe von 6.893 Metern ist er zudem der höchste Berg des Landes. So konnte sich der 911 auf völlig artfremdem Gelände erneut beweisen.
Als Basisfahrzeuge dienten zwei aktuelle Porsche 911 (992) Carrera 4S. Am drei Liter großen Sechszylinder-Boxermotor mit Turboaufladung und 331 kW/450 PS veränderte das Team rund um Michael Roesler nichts. Der Leiter Gesamtfahrzeug Baureihe 911 im Hause Porsche erhielt den Auftrag zum Umbau der beiden Autos vom Leiter Gesamtfahrzeug-Architektur und Eigenschaften, Frank-Steffen Walliser. Die Arbeiten fanden in Weissach in Kooperation mit RD Limited statt. Für den Einsatz in extremen Höhen und auf äußerst unwirtlichem Terrain erhielten die Wagen Portalachsen mit einer Bodenfreiheit von 350 Millimetern. Das Siebengang-Schaltgetriebe passte man mittels kürzerer Übersetzung an die Gegebenheiten und die grobstolligen Offroad-Reifen an. Am Unterboden befinden sich leichte, aber hochfeste und widerstandsfähige Verkleidungen aus Aramidfasern. Innen sorgen massive Überrollkäfige und Schalensitze mit Sechspunktgurten für die nötige Sicherheit.
Speziell für den Einsatz im Motorsport entwickelte Porsche vor einiger Zeit den sogenannten Warp-Connecter. Er verbindet alle vier Räder und stellt selbst bei extrem verschränkten Achsen möglichst konstante Achslasten und damit optimale Traktion sicher. Für den Einsatzzweck der beiden besonderen 911er passte dieses System bestmöglich ins Konzept. Hinzu kamen manuelle Differenzialsperren und ein Steer-by-Wire-System. Von außen entsprechen beide Fahrzeuge zwar der 911-Silhouette, erhielten jedoch auch diverse Karosserieveränderungen. Einige davon waren nötig, um den 310 Millimeter breiten Offroad-Rädern genügend Bewegungsfreiraum einzuräumen, andere für die Unterbringung einer Seilwinde an der Front. Hierfür verlagerten die Techniker die Kühler in den oberen Heckbereich, was sie zusätzlich vor Beschädigungen im rauhen Gelände schützte. Während eines der beiden Autos in der Präsentations-Livery des neuen 963 LMDh-Rennwagens foliert wurde, bekam das zweite seine Gestaltung vom Style Porsche Team in Weissach.
In Chile ging es am vergangenen Wochenende auf erste Probefahrten an steilen Hängen und auf Eisfeldern. Bereits hier lagen die Temperaturen teilweise bei 30 Grad unter null. Durch die Höhe sank der Sauerstoffgehalt in der Luft auf die Hälfte des Wertes, den es auf Meereshöhe gibt. Als Speerspitze der Mannschaft agierte vor Ort Werksfahrer Romain Dumas, der auch am Lenkrad eines der beiden Autos drehte. Bei den Fahrten am Ojos Del Salado setzten schließlich unüberwindbare Eiswände auf einer Höhe von 6.007 Metern eine finale Grenze für das Spektakel.
Höher als diesmal war zuvor noch nie ein Fahrzeug der Marke Porsche unterwegs. Entsprechend groß war die Freude bei allen Beteiligten. „Es war etwas ganz Besonderes einen 911 zu konstruieren, wie ihn die Welt noch nie gesehen hat. Möglich gemacht hat das ein kleines Team von begeisterten Ingenieuren. Der 911 hat sich bereits auf der Rennstrecke und natürlich auf der Straße erfolgreich bewiesen. Und nun auch unter extremen Offroadbedingungen,“ sagte Michael Roesler. Frank-Steffen Walliser ergänzte: „Vor über 30 Jahren installierte ein Team von Porsche-Ingenieuren erstmals Allradantrieb in einem Porsche 911 um die Frage zu beantworten: Was wäre wenn? Ich bin sehr stolz darauf, dass diese Neugier und dieser Ehrgeiz unsere Entwicklungsingenieure noch immer antreibt, um Grenzen auszuloten und neue Ideen zu erproben. Projekte wie dieses zeichnen Porsche aus. Das Team hat in Chile nach den Sternen gegriffen, und diesem ersten Abenteuer werden hoffentlich weitere folgen.“
