Supercars of the 90’s im Louwman Museum Den Haag

Eigentlich berichte ich hier ja gern über Sonderausstellungen, die im Anschluss an meinen Artikel vom Leser auch noch besucht werden können. Allerdings hätte ich diese Veranstaltung, um die es hier gehen soll, beinahe selbst verpasst – und das obwohl mir alle Daten vorlagen. Aber wie das im hektischen Alltag manchmal so ist: man liest die eMail, speichert ab, dass das Thema interessant ist, aber merkt sich das Datum falsch. Tatsächlich ging die „Supercars of the 90’s“-Sonderausstellung nur bis Sonntag, also dem 1. September. Ich hatte einfach nur September gelesen und war dadurch innerlich von noch reichlich Zeit ausgegangen, um nach Den Haag zu fahren. Gut, wenn man dann noch einmal auf eine Werbung aufmerksam wird und feststellt, dass man sich geirrt hat. Diese Ausstellung zu verpassen, hätte mich nachträglich wohl sehr geärgert.

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Bei vergleichbaren Sonderausstellungen andernorts kam es bereits vor, dass auf Plakaten lautstark für Fahrzeuge geworben wurde, die anschließend gar nicht gezeigt wurden. Hier war es umgekehrt. Alle auf den offiziellen Werbeaussendungen und Plakaten gezeigten Sportwagen standen auch wirklich in Den Haag aufgereiht. Darunter einige wahrhaftige Highlights, die man nur selten zu sehen und vor die Kamera bekommt. Sie alle parkten auf eigenen kleinen Podesten direkt in der großen Eingangshalle des Louwman Museums, wo sie für jeden ankommenden Besucher bestens zu sehen waren.

Jaguar XJ220
Ich beginne den Rundgang durch diese Sonderausstellung mit dem Jaguar XJ220. Ohne Zweifel ist dies eine Ikone der 1990er Jahre, die in der letzten Zeit endlich ihre Anerkennung in der Sammlerszene erhält. Lange dümpelten die 278 gebauten Exemplare in Preisbereichen zwischen 200.000 und 400.000 Euro herum, ehe sie endlich an Fahrt aufnahmen und anderen Raritäten aus dem gleichen Zeitraum nacheifern durften. Der XJ220 hatte ein schwieriges Autoleben. Als 1988 die erste Konzeptstudie vorgestellt wurde, werkelte hinter den Passagieren ein riesiges V12-Triebwerk aus den Gruppe-C-Rennwagen, das seine Kraft auf alle vier Räder abgeben sollte. Dies entpuppte sich jedoch in der Entwicklung als viel zu aufwändig und kostenintensiv. Jaguar hatte große Teile der Erprobung an die Rennabteilung bei Tom Walkinshaw Racing (TWR) ausgelagert, zeitgleich jedoch auch klare Kostenstrukturen festgelegt. Um diese einhalten zu können, griff das Team schließlich auf einen bereits bewährten Motor zurück, der Mitte der 1980er den MG Metro 6R4 in der Gruppe B der Rallye-Weltmeisterschaft angetrieben hatte. In Kombination mit zwei Turboladern kam er hier auf 549 PS. Den teuren Allradantrieb ließen die Briten weg. Dadurch geriet der XJ220 zwar auch kompakter (kaum zu glauben, denn der Wagen ist immer noch knapp fünf Meter lang) und leichter, entsprach jedoch nicht mehr ganz dem Konzept, für das viele Interessenten bereits 50.000 GBP angezahlt hatten. Zudem platzte Anfang der 1990er Jahre eine Spekulationsblase an der Börse, wodurch viele Kunden mit Freuden ihr angezahltes Geld zurückforderten – mit dem Argument der Wagen seie ja nun „völlig anders als bestellt“. Tatsächlich verpasste der Jaguar am Ende eine im Lastenheft gestellte Anforderung denkbar knapp: die 220 im Namen sollte die Höchstgeschwindigkeit in mph angeben. Andy Wallace erreichte bei Testfahrten im italienischen Nardó immerhin 217,1 mph (349,4 km/h). Nach 278 gebauten Serienautos war Schluss, wobei einige davon (manche Quellen sprechen von bis zu 25 Autos) für einige Jahre als Neuwagen eingelagert wurden, da sich keine Kunden fanden.

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Aston Martin Vantage V600
Schon der Jaguar ist mit seinen 4,93 Metern Länge und 2,22 Metern Breite ein imposantes Auto. Blickt man anschließend jedoch auf den Aston Martin Vantage V600, könnte man glauben, hier wurde fälschlicherweise ein Alltagsauto in die Sonderausstellung gefahren. Mitnichten, denn dieser grün lackierte Brite ist sogar ein wenig kompakter als der Jaguar – nur eben höher. Die letzte Ausbaustufe des V8 erhielt ab 1998 im werkseigenen Service Department mittels eines modifizierten Kompressors und einer neuen Abgasanlage eine Leistungssteigerung auf 608 PS. Für die finalen Baujahre 1999 und 2000 gab es den V600 als limitierte Le Mans Edition mit verändertem Kühlergrill und tränenförmigem Luftauslass hinter den Vorderrädern.

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BMW M8 (E31)
Dieses Fahrzeug hat noch nicht viele Meter außerhalb der heiligen Hallen von BMW in München zurückgelegt. Meiner Kenntnis nach dürfte die jüngst beendete Sonderausstellung im Louwman Museum sogar die erste Veranstaltung gewesen sein, wo der einzigartige M8 der Baureihe E31 außerhalb von BMW-unterstützten Events zu sehen war. Als die 8er Baureihe Ende der 1980er Jahre entwickelt wurde, dachten die Ingenieure auch über eine leistungsstarke M-Variante oberhalb von 840Ci und 850i nach. Diese wurde jedoch kurz nach der Erstellung eines einzigen Prototypen intern gestoppt. Man sah nicht genug Marktpotenzial um die teuren Entwicklungskosten bis zur Serienreife wieder einzuspielen. Tatsächlich fand man indes kurze Zeit später einen Abnehmer für den eigens entwickelten V12-Motor, doch dazu gleich mehr.

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Vector W8 Twinturbo
Bevor wir auf den BMW-Zwölfzylinder zurückkommen, geht es erstmals keilförmig weiter. Ganz offen gestanden: ich konnte den Sportwagen der Kleinserienmarke Vector noch nie viel abgewinnen. Das Design spricht mich nicht so an, wie man es eigentlich von einem fahrenden Türkeil erwarten sollte. Eigentlich komisch, denn vergleichbar Keilförmiges wie den Lancia Stratos, den Ferrari Testarossa oder den Lamborghini Countach finde ich wunderbar. Vielleicht kommt beim Vector W8 Twinturbo für mich der immer wieder auftretende Eindruck von nicht allzu guter Verarbeitungsqualität hinzu, der sich durch die Betrachtung von Bildern und Live-Eindrücken an den seltenen Fahrzeugen verfestigte – allerdings sind die genannten Italiener in dieser Disziplin streng betrachtet auch keine Paradebeispiele. Nichtsdestotrotz ist es natürlich etwas Besonderes, einem Vector gegenüberstehen zu dürfen. Die allermeisten Exemplare befinden sich in den USA. Das in Den Haag gezeigte Auto entstammt der Sammlung Autobau in der Schweiz.

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McLaren F1
So, da ist er also, der Abnehmer für den BMW-V12-Motor. Als Gordon Murray Ende der 1980er Jahre einen Straßensportwagen für den Formel-1-Rennstall McLaren entwickelte, legte er vor allem großes Augenmerk auf wenig Gewicht. Überflüssige Details ließ er direkt weg, wichtige Komponenten verbesserte er mit seinem Team und den ausgewählten Zulieferern solange, bis sie das geringst mögliche Gewicht auf die Waage brachten. Daher gefiel ihm anfangs die Wahl eines Zwölfzylinder-Triebwerks verständlicherweise überhaupt nicht. Jeder zusätzliche Brennraum wiegt mehr. Als BMW jedoch mehr als 600 PS standfest garantieren konnte und das Gesamtgewicht des Antriebs im von ihm geplanten Rahmen blieb, war auch Murray überzeugt. Der McLaren F1 erlangte den Titel des schnellsten straßenzugelassenen Automobils mit einer Geschwindigkeit von 391 km/h – und hielt diesen Rekord für einige Jahre. Heute ist der insgesamt (inklusive Vorserienprototypen) nur 106-mal gebaute Dreisitzer auf dem besten Weg zu einem der teuersten Autos weltweit aufzusteigen.

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Mercedes-Benz CLK GTR AMG
Luxusproblem, aber tatsächlich kenne ich diesen CLK GTR inzwischen relativ gut und habe ihn bereits einige Male live gesehen. Bei gerade einmal 22 gebauten Coupés schon eine interessante Aussage. Hier handelt es sich um einen von zwei unnummerierten Prototypen. Normalerweise steht das Coupé gemeinsam mit einem CLK GTR Roadster im sehenswerten Nationalen Automuseum – Loh Collection. Doch gerade hier in Den Haag, im Zusammenspiel mit diversen weiteren Supersportwagen der 1990er Jahre und vor allem fast allen GT1-Mitbewerbern kann er seine optische Präsenz voll ausspielen.

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Porsche 911 GT1’98
Porsche hätte diverse 911 GT1 in die Niederlande schicken können. Es wäre interessant zu wissen, warum die Wahl ausgerechnet auf das unlackierte Testauto des 911 GT1’98 fiel. Allerdings ist genau dieses Auto durchaus interessant, da man so alle Bauteile aus Kevlar und Kohlefaser bestmöglich in Augenschein nehmen kann. Sobald die Karosserie lackiert ist, bleibt „nur noch“ der Blick auf die fließenden Formen der Karosserie, die beim 1998er Auto außer den Leuchten und Türgriffen nichts mehr mit dem namensgebenden 911 zu tun hatte. Im Vergleich zu den Vorgängerfahrzeugen aus den Jahren 1996 und 1997 saß der Fahrer nun zudem auf der rechten Seite, um den Schwerpunkt auf den zumeist im Uhrzeigersinn befahrenen Rennstrecken zu verbessern.

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Toyota GT-One TS020
Ebenfalls 1998 entstand bei Toyota in Köln ein neuer Rennwagen für die GT1-Rennklasse. Um dem damaligen Reglement gerecht zu werden, musste ein Exemplar mit Straßenzulassung aufgebaut werden. Bis heute ist unklar, ob der GT-One TS020 wirklich jemals zugelassen war – aber ähnliche Zweifel bestehen auch bei anderen Teams. Insgesamt entstanden nur sieben Exemplare dieses Fahrzeugtyps: ein Testfahrzeug, die Straßenversion, drei Rennautos für die 24 Stunden von Le Mans 1998 und zwei neue für 1999. Wer das Rennen 1999 gesehen hat, wird jetzt eventuell intervenieren: da waren doch auch drei Autos am Start. Das ist korrekt, aber der dritte Wagen war ein aufgerüstetes 98er Auto. Während zwei Exemplare in Japan stehen und ein 1999er Rennwagen einem Privatmann gehört, stehen die übrigen vier GT-One üblicherweise im Gazoo Motorsport Museum in Köln. Schön, dass die Straßenversion für diese Sonderausstellung einmal herausgelassen wurde.

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Nissan R390 GT1
Über diesen Protagonisten der Sonderausstellung habe ich persönlich mich am meisten gefreut. Warum? Weil ich bis zu diesem Zeitpunkt leider noch nie einen Nissan R390 live gesehen hatte. Auch hier entstand exakt ein Straßenfahrzeug, allerdings schon für das Jahr 1997. Beteiligt daran war eine Firma, die uns in diesem Artikel bereits ganz zu Anfang begegnet ist: TWR in Großbritannien. Für das Design war Ian Callum verantwortlich, der zuvor den Aston Martin DB7 gestaltete. Die Scheinwerfer entnahm er dem Nissan-Ersatzteillager – sie stammen vom letzten 300 ZX und kamen einige Jahre später auch beim Lamborghini Diablo nach dem finalen Facelift zum Einsatz. Für das Folgejahr 1998 erhielt der R390 umfangreiche aerodynamische Veränderungen inklusive eines fast 20 Zentimeter längeren Hecks. Hierfür wurde auch die Straßenversion umgebaut und von rot auf blau umlackiert. Das in Den Haag ausgestellte Auto verfügt zwar über Nummernschilder, ist jedoch eigentlich ein 1998er Rennauto, das erst kürzlich für die Nutzung im öffentlichen Straßenverkehr umgerüstet wurde.

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Mercedes-Benz C 112 Concept
Hätte. Wäre. Wenn. Diese drei Worte könnte man gut über die Geschichte des Mercedes-Benz C 112 stellen. In Stuttgart herrschte lange Zeit eine gewisse Grundablehnung zum Thema Motorsport, unter anderem entstanden durch den furchtbaren Unfall in Le Mans 1955. In den 70er Jahren traute man sich langsam wieder aus dem Schneckenhaus und fuhr werksseitig in der Rallye-WM mit, um dort allerdings schnell festzustellen, dass die hauseigenen Limousinen und Coupés viel zu schwer für diesen Einsatzzweck waren. Mitte der 80er Jahre kamen dann – zuerst unter der Hand – Rennmotoren aus Stuttgart in Sportwagen von Sauber aus der Schweiz in der Gruppe C an den Start und sorgten schnell für Furore und gute Ergebnisse. So gute Ergebnisse, dass intern darüber nachgedacht wurde, die Kunden mittels eines vom Gruppe-C-Auto inspirierten Sportwagens teilhaben zu lassen. Als legitimer Nachfolger von 300 SL und C 111 erhielt er das Kürzel C 112. Flügeltüren, ein rassiges Design und ein V12-Mittelmotor gehörten ebenfalls mit zum Programm. Doch bereits bevor der Prototyp auf der IAA 1991 in Frankfurt im Rampenlicht glänzen durfte stand intern fest, dass es keine Serienfertigung geben würde. Selbst diverse Blankoschecks von gut betuchten Autosammlern halfen nicht. Der C 112 durfte noch auf ein paar anderen Veranstaltungen glänzen und rollte dann ins Stuttgarter Autodepot. Sein Potenzial konnte er nie aufzeigen.

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Bugatti EB110 SuperSport
Romano Artioli und seinem Team verdanken wir es, dass die Firma Bugatti Ende der 1980er Jahre wiederbelebt wurde. Wer weiß, ob ohne seine Bemühungen die heutigen Erfolge unter dem Dach des VW-Konzerns denkbar gewesen wären. Etwas unverständlich ist bis heute, dass Artioli die Marke inklusive Fabrik aus dem Elsass ins Umland von Modena in Italien verlagerte. Vermutlich erhoffte er sich dort gute Kontakte zur örtlichen Sportwagenszene (Ferrari, Maserati und Lamborghini sind nur je einen Steinwurf weit entfernt) sowie neue Mitarbeiter mit gewissen Grundkenntnissen. Allerdings stieß er eher auf eine gewisse Grundskepsis und letztlich auf ein Netzwerk von untereinander geschlossenen Verbindungen, in die er nicht hineinkam und die am Ende dafür sorgten, dass nach weniger als 150 gebauten EB110 (GT und SuperSport zusammengerechnet) Konkurs angemeldet werden musste – obwohl noch genügend Vorbestellungen vorlagen. Am Auto selbst lag es aus meiner Sicht keinesfalls. Der EB110 stellte mehrfach unter Beweis, was mit vier Turboladern, 12 Zylindern und Allradantrieb alles möglich ist. Selbst nach der Markenübernahme durch VW diente ein EB110 lange Zeit als Referenzfahrzeug während der Entwicklung des EB16.4 Veyron.

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Ferrari F50
Viele Sportwagenfans, die nicht nach Den Haag in die Sonderausstellung fahren konnten, werden jetzt aufatmen: es war doch ein Ferrari dabei. Ja, und was für einer. Der F50 beerbte 1995 zum 50-jährigen Firmenjubiläum den legendären F40. Hinter den Passagieren werkelte ein V12-Triebwerk, das laut Ferrari direkt auf dem Formel-1-Triebwerk aus dem Jahr 1992 basierte. Beim genauen Blick auf die technischen Daten kamen diversen Experten Fragen auf, aber wir lassen die Aussage mal so im Raum stehen. Ebenso die, dass nur 349 Exemplare des F50 ausgeliefert wurden – Italiener sind ja für ihr genaues Zählen bekannt. Für mich persönlich – und da mache ich mir vermutlich direkt wieder Freunde – ist der F50 übrigens hübscher als der F40. Allerdings würde ich ihn lieber in Giallo Modena (gelb) oder Argento Nürburgring (silber) als in Rosso Corsa (rot) in meine Garage stellen.

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Bilder: Matthias Kierse