Vor 50 Jahren werkelten bei Porsche 15 fähige Ingenieure daran, dem 911 Carrera RS 2.7 bestmögliche Fahrdynamik anzuerziehen. Zugleich entstand mit dem Carrera RSR 2.8 eine Rennsportvariante mit verbreiterten Kotflügeln und nochmals weniger Gewicht. Einige der 57 gebauten Exemplare des RSR erhielten sogar eine Straßenzulassung, da es damals noch üblich war, Rennen wie die Targa Florio auf öffentlichen Straßen auszurichten. Fünf Jahrzehnte später sind sowohl der RS als auch der RSR gesuchte und teure Raritäten. Nur wenige Sammler haben den Mut, sie auf abgesperrten Strecken oder gar im Alltagsverkehr zu fahren. Dennoch möchten Enthusiasten nicht auf das Fahrvergnügen dieser Modelle verzichten und geben daher bei Spezialisten wie dp Motorsport in Overrath entsprechende Umbauten in Auftrag. Allerdings ist beim aktuellsten Projekt einiges anders, als es auf den ersten Blick scheinen mag.
Die von dp Motorsport veröffentlichten Bilder zeigen einen RSR – oder nicht? Ja und nein, möchte man antworten. Als Basisfahrzeug diente ein deutlich später gebauter 911 der Baureihe 964. Von diesem blieben außer der Rohkarosserie nebst Windschutz- und Heckscheibe jedoch nicht viel übrig. „Backdating“ nennen Porsche-Fans diesen Prozess, wenn ein modernerer 911 auf die Optik eines früheren Modells umgerüstet wird. dp Motorsport erhielt diesmal den Kundenauftrag, einen straßentauglichen RSR zu erschaffen und dabei auch das Gewicht nicht aus den Augen zu verlieren. Viele Karosserieteile wie die vorderen Kotflügel, die hinteren Seitenwände, die Dachhaut, Hauben, Türen und Schürzen bestehen daher aus einem Kohlefaser-Kevlar-Gemisch. Die Seitenscheiben fertigt dp aus grün getöntem Plexiglas an. Schiebe-Elemente sorgen in den Türscheiben für Frischluft und die Möglichkeit, an Parkschranken ein Ticket zu ziehen. Am Ende stehen ohne Kraftstoff im Tank 1.050 Kilogramm auf der Waage. Der Kunde entschied sich für eine Lackierung im modernen Steingrau mit dunkelroten Akzentschriftzügen an den Schwellern.
Durch die Kotflügelverbreiterungen ist genug Platz für die klassischen Fuchs-Leichtmetallräder vorhanden. Diese schweißt dp Motorsport um auf vorn neun und hinten 11 Zoll Breite. Bezogen sind sie mit klassisch anmutenden Michelin-Reifen vom Typ TB5 in den Dimensionen 225/50 R 15 vorn und 285/40 R 15 hinten. Ein KW-Clubsport-Gewindefahrwerk, farbig eloxierte Domlager und eine größere Bremsanlage verbessern Agilität und Verzögerungswerte. Für die Abteilung Vortrieb erhöhen die Techniker von dp Motorsport den Hubraum des Sechszylinder-Boxermotors auf 3,8 Liter und kitzeln damit 320 PS und 380 Newtonmeter Drehmoment aus den Brennräumen. Ihre Abgase entströmen durch einen Fächerkrümmer und zwei Metall-Katalysatoren in Richtung Edelstahl-Auspuffanlage.
Innen präsentiert sich der 964 Classic RSR bewusst spartanisch. Teppiche und Dämm-Materialien flogen im Zuge der Restaurierung konsequent raus. Stattdessen findet man viel in Wagenfarbe lackiertes Blech und einen im gleichen Farbton gehaltenen, eingeschweißten Überrollkäfig. Die Schalensitze haben unter Fans aufgrund ihrer charakteristischen Kopfstützenform den Spitznamen „Lollipop“. Auf dem Mitteltunnel thront der nach oben verlängerte Schalthebel aus dem 911 (993) GT2, über den ein revidiertes G50-Fünfgang-Getriebe mit integriertem Sperrdifferenzial bedient werden kann.